Der Film „Die etwas anderen Cops“ läuft momentan in den Kinos und hat uns nicht nur ordentlich zum Lachen gebracht, sondern auch an all die großen Polizeifilme der Vergangenheit erinnert. Adam McKays komisches Spektakel steht ganz klar in der Tradition der Buddy-Movies der 80er Jahre. Wir wollten aber noch tiefer gehen als bis zu diesem typischen Partner-Schema: Was hat es überhaupt auf sich mit dem Cop als Protagonisten? Diesen harten Kerlen, die an einem überhöhten Testosteron-Spiegel leiden und sich über alle Regeln hinwegsetzen müssen, um ihren Fall abzuschließen und ihre Form von „Law and Order“ durchzusetzen. Zum Einstieg betreibt „Vintage Views“ deshalb gleich mal Grundlagenforschung in einer unserer Lieblingsepochen: den frühen 70ern, der Geburtsstunde der Cop-Movies!
Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre war die Gesellschaft in Aufruhr. Ein Spalt zog sich durch die USA und den Rest der Welt entlang solcher Fragen wie Krieg oder Liebe? Liberal oder Konservativ? Bürgerrechte oder Diskriminierung? Polizisten kamen zuvor vor allem in amerikanischen Detektiv- oder Gangsterfilmen als Nebenrollen oder Widersacher vor und machten dabei als plumpe Schläger oder zwielichtige Verschwörer selten eine gute Figur. Jetzt wurden sie vor dem Hintergrund sozialer Unruhen und auch einer steigenden Kriminalitätsrate im Kino in den Kampf für Sicherheit und Ordnung geschickt. Fast kann man sagen, das Ethos der Western wanderte in die Großstädte der Gegenwart.
Moralisch sind sie dabei nicht eindeutig einzuordnen. Viel ist darüber schon diskutiert worden und die Selbstjustiz Marke „Dirty Harry“ scheint tatsächlich Ausdruck einer politisch rechten Wunschreaktion auf die urbanen Probleme zu sein. Aber in den gleichen Filmen, in denen Machismo und eine raubtierhafte Einstellung regieren, sind die Protagonisten eindeutig angeschlagene, verhärmte und kaputte Gestalten. Egal ob Cops wie Dirty Harry gegen die Bremsversuche liberaler Würdenträger rebellieren oder wie „Serpico“ ein altes und korruptes System bekämpfen – gleich ist ihnen eine neue Individualität. Sie entscheiden nach ihren eigenen moralischen Überzeugungen und führen nicht mehr bloß aus, was ihnen andere vorgeben. Die Ambivalenz dieser Handlungen ist beabsichtigt, macht es die Filme doch für ein besonders großes Publikum zugängig.
Die Cop-Movies zeigen Bilder einer pulsierenden, vielschichtigen Großstadt (in den meisten Fällen New York, um genau zu sein). Das Stichwort dabei lautet Dokumentationscharakter. Es wird ein neuer Wert auf Realismus und Alltagsnähe gelegt. Filme wie „The French Connection - Brennpunkt Brooklyn“ oder „Serpico“ entstehen sogar nach wahren Geschichten und unter Beteiligung der echten Polizisten. Rassismus und Brutalität wird ungeschönt dargestellt.
Figuren wie „Dirty Harry“ Callahan oder „Popeye“ Doyle wurden zu Publikumslieblingen und der große Erfolg der Cop-Movies führte zu vielen Versuchen, sie als Franchises zu etablieren. „Dirty Harry“ wurde bekanntlich eine erfolgreiche Serie von Filmen. „The French Connection“ erhielt eine Fortsetzung im Kino und noch in den 80ern versuchte man (erfolglos) aus seiner Popularität Gewinn zu ziehen und ein TV-Special als Serienpilot zu platzieren. Sogar der auf plakative Action verzichtende „Serpico“ wurde noch in den 70ern für eine kurze Fernsehserie verwurstet. Der Cop-Boom bescherte auch auf den Bildschirmen eine Flut konkurrenzfähiger Helden, von „Starsky und Hutch“ bis „Kojak“.
Die Cop-Movies der 70er etablierten Archetypen und Klischees, die uns bis heute vertraut sind und noch immer Verwendung finden. Mit ihren kompromisslos geschnittenen Verfolgungsjagden und Schießereien lieferten sie auch einen wichtigen Beitrag zur Entstehung dessen, was der moderne Actionfilm werden sollte. In den 80er Jahren schien die Gesellschaftskritik der Polizeifilme zugunsten cooler Sprüche und Explosionen zu schwinden. „Die etwas anderen Cops“ zelebriert das traditionsreiche Genre in seiner Gänze, inklusiver zeitgemäßer Wirtschaftsthematik und ist damit zugleich auch ein Lebenszeichen.
Senad Halilbasic & Sebastian Rieger
16. November 2010, 20:06 Uhr
Vintage Views
Vintage Views: Cop Movies
Wenn die Welt aus den Fugen gerät, verlangt das Kino statt schnöden Polizisten harte COPS, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen.
- Filmkritik zu „Die etwas anderen Cops“
- Filmkritik zu „Dirty Harry“
- Filmkritik zu „Serpico“
- Filmkritik zu „The French Connection“
Weitere „Vintage Views“-Kolumnen:
Forum
-
The Shield
Nette Kolumne! ;-)
Ergänzend zu den Filmen kann ich die von 2002-2009 produzierte TV-Serie "The Shield" mit Michael Chiklis in einer der Hauptrolle empfehlen. Diese setzt auch auf harten "Realismus" und Doku-Style, und zieht einen durch einen durchlaufenden Handlungsstrang von Staffel zu Staffel immer mehr in den Bann!-
Danke für den Hinweis!
Habe die Serie leider nie gesehen, werde ich aber nachholen. Spannender Vergleich zu unserem Thema - wir haben uns bewusst auf die "Ur"-Copmovies konzentriert, da es sonst vollkommen ausgeufert wäre. Aber sicherlich ein spannender Vergleich!
-