Berlinale 2024
Das war die Berlinale 2024

Das war die Berlinale 2024

Das Uncut-Berlinale-Team blickt zurück auf elf ereignisreicher Tage in Berlin, auf viele Filme und besondere Erlebnisse.
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von (Uncut Berlinale Team 2024)
Mit dem Publikumstag ging am Sonntag die Berlinale zu Ende, der „Berlinale Palast“ wird wieder zum „Theater am Potsdamer“ und auch die vier Berlinale-Berichterstatter von Uncut haben die deutsche Hauptstadt wieder verlassen. Zeit für einen kleinen persönlichen Rückblick auf die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin:


TMarkus Toth

Markus Toth (cinemarkus)

Wettbewerb


Nachdem ich ja 2023 zum ersten Mal von der Berlinale berichten durfte, war der Kulturschock dieses Jahr nicht ganz so heftig; eine überwältigende Erfahrung blieb es dennoch. Nach Spielberg im Vorjahr jetzt Martin Scorsese live zugehört zu haben, ist eine Erinnerung die ich für immer im Herzen tragen werde. Meine erste öffentliche Vorstellung und Weltpremiere im Berlinale Palast, bei der glatt noch die European Shooting Star Awards verliehen wurden, war ein ebenso besonderes Erlebnis; als ich für den Einlass sogar über den Roten Teppich schreiten konnte, hat sich das aber auch ein bisschen seltsam angefühlt. Wie ich meinem letztjährigen Artikel schon berichtet habe, ich sehe es als einfacher Arbeiter als absolutes Privileg an solche Dinge erleben zu dürfen. Bei der Pressekonferenz zu „La Cocina“ (einem Film über die Arbeit in der Küche) hab ich dann alle daran erinnert, wer und was ich eigentlich bin: in einem witzigen und besonderen Moment als ich vor der versammelten Presse und Filmcrew verkündet habe, dass ich als Koch arbeite, schien das alle sehr zu amüsieren, inklusive der anwesenden Rooney Mara.

Das weswegen ich aber wie immer eigentlich da war, das Filmprogramm, bot erst Recht viele Highlights. Erst einmal konnte ich den Ausrutscher von letztem Jahr ausbessern und habe es heuer geschafft alle 20 Wettbewerbsfilme zu sehen. „Des Teufels Bad“ hat mich ins Mark erschüttert. „A Different Man“ hat mich schockiert, zum Lachen und zum Nachdenken gebracht. „My Favourite Cake“ war eine Achterbahnfahrt der Gefühle; und „In Liebe, Eure Hilde“ ließ mich unter Tränen Menschen gedenken, die für ihre Ideale einstanden, und mahnte mich dies im Zweifelsfall auch zu tun. Aber keiner hat mich so sehr persönlich berührt wie Matthias Glasners „Sterben“. Die anfangs erschreckenden drei Stunden vergingen wie im Flug, und keine Pressekonferenz in zwei Jahren Berlinale konnte je soviel zum Film beitragen wie die hier im Anschluss. „Sterben“ hat mich durch sein außergewöhnliches Drehbuch (wofür verdient der Silberne Bär verliehen wurde) und perfektes Schauspiel, sogar derart sprachlos gemacht, dass ich nicht einmal eine ausführliche Kritik darüber schreiben konnte.

Meine Top 3 der Berlinale 2024
1.) Sterben
2.) Des Teufels Bad
3.) A Different Man


Christian Pogatetz

Christian Pogatetz (chrosTV)

Special & Encounters


Wie schnell doch die Zeit vergeht. Kaum zu glauben, fühl ich mich ja kaum ein Jahr älter, aber: das war heuer wirklich bereits mein siebter Besuch auf der Berlinale. Und als mittlerweile „alter Hase“ im Festivaltrubel muss ich anmerken: im 2024er-Jahrgang war vieles anders als gewöhnlich. Einzelne Filme waren selbst für Presseakkreditierte schwer zugänglich, anwesende Journalistinnen und Journalisten schienen angespannter denn je, eine gewisse Aufbruchstimmung machte sich breit. Aus gutem Grund: die heurige Edition war die allerletzte, die von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeck kuratiert wurde. Nach lediglich fünf Jahren an der Festivalspitze haben sie die Leitung an die Amerikanerin Tricia Tuttle weitergegeben. Der recht plötzliche Abgang der Kosslick-Nachfolge wurde im Vorfeld mit viel Skepsis aufgenommen. Man munkelte über interne Unstimmigkeiten. Vor Ort meinten böse Zungen sogar, Chatrian hätte sich in der Programmauswahl heuer bewusst keine Mühe mehr geben. Um an den Drahtziehern, die sein Berlinale-Ende zu verantworten hätten, Rache zu nehmen. Aus eigener Sicht kann ich diese Vorwürfe als bestenfalls verschwörerischen Nonsens abtun. Denn - und das ist das allerwichtigste: auch im Abschiedsjahr von Chatrian und Rissenbeck ließ sich allen Pessimismus zum Trotz viel Wunderbares entdecken. Ich selbst zählte 2024 definitiv mehr High- als Lowlights - wohl auch meiner persönlichen Auswahl an Filmen geschuldet. Wie wild, experimentell und unterhaltsam Genre-Kino sein kann, bewies Rose Glass im Berlinale Slecial mit „Love Lies Bleeding“ - einem herrlich abstrusen Mischmasch aus Roadmovie und Erotikthriller. Auch im Panorama zeigte sich der Genrefilm von seiner subversiven Schokoladenseite: mit „I Saw the TV Glow“ präsentierte Jane Schoenbrun ein surreal-verstörendes Stück Coming-of-Age-Horror, das auf den Spuren von David Lynch wandert. Ein weiterer „Favorit“ meinerseits war der neue Dokumentarfilm von Ruth Beckermann. Nomen est omen: in „Favoriten“, der als Teil der Spezialschiene „Encounters“ uraufgeführt wurde, gibt die Österreicherin intime Einblicke aus einer Volksschule im gleichnamigen Wiener Bezirk. Ein oft als Problemzone verschrienes Schulhaus wird zum Hoffnungsträger für die Zukunft der Pädagogik. Abseits der vielen guten Filme waren auch die Pressekonferenzen wieder jeden Besuch wert. Für mich von besonderer Bedeutung: die restlos überfüllte Konferenz mit Martin Scorsese, dem heuer für sein Lebenswerk der Goldene Ehrenbär überreicht wurde. Das Regieurgestein sprach über sein eigenes Altern, mutmaßliches Kinosterben und die Zukunft des Mediums. Scorseses vorsichtiger Optimismus fasst auch meine Gedanken gegenüber der heurigen Berlinale treffend zusammen. Wenn freigeistigen Filmschaffenden weiterhin die Möglichkeit geboten wird, sich ungefiltert hinter der Kamera auszutoben, Festivals den Mut besitzen, konventionensprengende, perspektivenöffnende Arbeiten in ihr Programm aufzunehmen, möchte und muss ich mir um das Fortbestehen von Kinos als Kunstform keine Sorgen machen.

Meine Top 3 der Berlinale 2024
1.) Love Lies Bleeding
2.) Des Teufels Bad
3.) I Saw the TV Glow


Tobit Rohner

Tobit Rohner (Snowbit)

Panorama


Schon zum 74. Mal fand heuer die Berlinale in der deutschen Hauptstadt statt. Für mich aber war es das erste Mal. Dementsprechend beeindruckend waren der rote Teppich, die großen Kinosäle und Stars, mit denen ich einen Raum teilen durfte. Bei der Pressekonferenz von „Spaceman - Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt“ hatte mir Paul Dano sogar direkt in die Augen geschaut. Einfach so! Bilde ich mir zumindest ein.

Mein Fokus innerhalb des Teams lag auf der Panorama-Schiene und auch wenn dieses Programm von der Berlinale heute eher stiefmütterlich behandelt wurde – ohne Pressekonferenzen oder -Vorführungen – enthielt das Panorama fast ausschließlich gute Spielfilme. Mit politischer Relevanz, mal provokant, meist stark durchdacht und oft sehr queer, waren diese Filme nicht nur unterhaltsam, sondern auch aussagekräftig. Von gesellschaftlichen Moralvorstellungen (Meanwhile on Earth), Hinterfragung der eigenen Sexualidentität (Sex), Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften (All Shall Be Well), sexueller Revolutionen (The Visitor), queeren Ikonen (Teaches of Peaches, Baldiga - Entsichertes Herz), surrealer Liebe (Alle die du bist), altersübergreifender Liebe (Between the Temples), kultureller Repräsentation (Betânia) und Gentrifizierung (Faruk) wurde ein großes Spektrum abgedeckt.

Zu meinen Highlights zähle ich aber den psychedelischen „I saw the TV glow“, bei dem ich nicht drauf warten kann ihn ein zweites Mal zu sichten, den Panorama-Eröffnungsfilm „Crossing“, der zwei Mal falsche Fährten gelegt hat, auf die ich beide reingefallen bin, den feinfühligen „The Outrun“, der sich in seiner Ambivalenz von einer reuen Saoirse Ronan zu einem Gänsehaut-Moment von der Kontrolle von Körper und Natur entwickelt. Und „Seven Veils“ habe ich bereits zwei Mal auf dem Festival gesehen.
Es war mir eine Ehre und Danke an Uncut, nach Berlin fahren zu dürfen. Gerne wieder. Auf der Behrelinale.

Meine Top 3 der Berlinale 2024
1.) Crossing
2.) Seven Veils
3.) The Outrun


Harald Zettler

Harald Zettler (UNCUT)

Foto & Video


Bereits zum 18. Mal bin ich nun auf der Berlinale, um euch neben den zahlreichen Texten der Uncut-Kritiker auch mit Bildmaterial aus Berlin zu versorgen. Jedes Jahr ist etwas anders und manches wird leichter, manches schwerer. Der Zugang zu den Pressekonferenzen ist heuer (für Fotografen) deutlich schwerer geworden und so stand ich in diesem Jahr oft vor verschlossenen Türen. Im Vergleich zu früheren Zeiten, wo ich bei Wettbewerbsfilmen gar nicht in den Pressekonferenzsaal durfte und nur beim Photocall Bilder machen durfte, ist es aber natürlich immer noch eine Erleichterung. Schade war hingegen, dass es wohl aus Budgetgründen heuer zum ersten Mal keine Photocalls und Pressekonferenzen zu Panorama-Filmen gab. Nachdem hier auch immer viele Filmperlen versteckt sind, wie etwa der österreichische Film „Andrea lässt sich scheiden“ erschwert das die Arbeit doch sehr, weil man dann für Bildmaterial quer durch die Stadt fahren muss, um zum jeweiligen Premierenkino zu bekommen. Es ist ja bei weitem nicht alles beim Potsdamer Platz. Positiv ist hingegen, dass es in den letzten Jahren deutlich weniger Gedränge und Hektik bei den Phototerminen gab. Es sind deutlich weniger Fotografen in Berlin und die Zeiten, in denen ich mir für den Roten Teppich immer eine kleine Leiter besorgen musste, sind zum Glück vorbei. Wichtig und positiv ist natürlich auch, das es auch heuer wieder eine erstklassige Cafeversorgung direkt im Pressezentrum gab. Wie im Vorjahr, nachhaltig mit eigenen oder Pfandbechern. Filmtechnisch kann ich euch leider nicht so viel berichten, wie meine Kollegen, weil meine Akkreditierung keinen Zugang zu den Filmen ermöglicht und der Kauf von Karten online schon ein gewisses Glücksspiel ist. So waren es nur zwei Filme in Berlin und ein Berlinale-Film den ich schon vorab sah. Besonders freut es mich aber natürlich, das auch 2024 wieder Leander Caine auf einen Kurzbesuch in der deutschen Bundeshauptstadt war und auch wenn die beiden gemeinsamen Filme nicht seinen Erwartungen entsprachen, waren es doch vor allem „besondere“ Filmvorführungen ;)

Meine Top 3 der Berlinale 2024
1.) Andrea lässt sich scheiden
2.) L'Empire
3.) Sasquatch Sunset

Weiters freuen wir uns auch über zwei Gastkritiken von Felix Geiser und einige Kommentare von Leander Caine und sagen Danke an alle Mitwirkenden und alle Leser.

Und zum Abschluss gibt es hier noch einen kleinen Spaziergang durch das Zentrum der Berlinale, entlang der wartenden Leute in der Alten Potsdamer Straße bis hin zum Roten Teppich vor dem Berlinale Palast:

Der Autor
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Uncut Berlinale Team 2024

Forum

  • Es ist jedes Mal was Besonderes

    Ich kann den Eindruck auch nur bestätigen, dass es bei jedem Festival (ich durfte ja 8 Mal dabei sein) viele Höhepunkte gab, immer viel mehr als Durststrecken. Nach wie vor ist die Berlinale sicherlich ein Erlebnis für das Publikum, die Filmschaffenden und auch für die Presseleute, bei aller Arbeit, die es mit sich bringt.
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    29.02.2024, 22:22 Uhr