Die Krone des Konsumismus und der Event-Narrative ist ohne Zweifel der Super Bowl, der auch ein Beispiel für die steigenden Zuschauerzahlen bietet. Seit 2013 (0,95 Mio. durchschnittliche Zuschauer*innen) hat sich die die Zahl der zusehenden Personen in Deutschland auf 2,11 Mio. im Jahr 2021 mehr als verdoppelt. Am 13.02.2022 müssen die Cincinnati Bengals im Super Bowl LVI nach Los Angeles ins SoFi Stadium, um gegen die Heimmannschaft, die LA Rams, anzutreten. Zum zweiten Mal in Folge kann ein Team im eigenen Stadion die Vince Lombardi Trophy gewinnen. Anlässlich dieses Ereignisses möchten wir in diesem Beitrag in die Welt der Footballfilme eintauchen, an der die US-amerikanische Filmindustrie nicht vorbeikommt. Zunächst werden Genrespezifika und -überschneidungen analysiert. Wegen der Undurchsichtigkeit des Genres „Footballfilm“ lohnt sich hier eine nähere Betrachtung. Nachfolgend fassen wir die gemeinsamen Narrative fast jedes Footballfilmes zusammen. Sobald ihr mehrere davon gesehen habt, werden euch die immer wiederkehrenden Motive und Erzählstrukturen nicht entgangen sein. Danach kommen wir ins Detail und präsentieren euch eine Übersicht an Footballfilmen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, euch aber einen Einblick gewähren soll und eine Entscheidungshilfe sein kann. Falls euer Herz auch nur ein bisschen für das ledrige Ei schlägt, werden euch die Empfehlungen bei der Wahl helfen, welche Filme ihr bis zum Super Bowl noch sehen müsst. Über die Links gelangt ihr zu den ausführlichen Kritiken der einzelnen Filme.
Wenn Filmprojekte zum Genre Sport- bzw. Footballfilm zusammengefasst werden, nutzt man lediglich das Handlungsmotiv Football als gemeinsames Element. Ähnlich wie das Western-Genre wird aber Sport nur als Setting für allmenschliche Probleme genutzt. Während im Western die Charakterstruktur häufig den klassischen Antihelden in einem dramatischen und/oder actionreichen Storytelling hervorbringt, gibt es bei Footballfilmen keine klare Zuordnung. Viele Filme gelten als Sportkomödien („Helden aus der zweiten Reihe“, „Spiel ohne Regeln“, „Home Team“, „Sie nannten ihn Mücke“ ), einige als Biopics („Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“, „Erschütternde Wahrheit“), andere als Coming-of-Age-Stories („Spiel auf Bewährung“, „Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“) und fast alle als Cinderella-Stories, wenn ein Underdog doch noch das Spiel gewinnt. Aber es werden auch ernste Töne angeschlagen: „An jedem verdammten Sonntag“, „Spiel auf Bewährung“ oder „Erschütternde Wahrheit“ sind mehr oder weniger im Drama zu verorten. So decken Footballfilme eine hohe Bandbreite diverser Genres ab und kommen für eine hohe Zahl zuschauender Personen in Frage. Scheinbar müssen Footballfilme diese Liaison mit weiteren Genres eingehen, weil sie ohne emotionalen Kern, ohne Identifikationsfigur für die Zuschauer*innen nicht bestehen würden. Leider lassen sich Filme an einer Hand abzählen, die ideologisch die klaren Nachteile der Football-Kultur ansprechen. Verletzungen, CTE oder neoliberale Strukturen. Bei letzterem muss die Umverteilung von unten nach oben durch exorbitante Gehälter genannt werden, die aus dem Geldbeutel der Massen direkt durch Pay-TV und Merchandising oder indirekt über Werbung bezahlt werden. Lediglich die genannten Drama-Filme setzen kritische Töne. Außerdem wird die toxisch-maskuline Atmosphäre gern genutzt zum exzessiven Fleischkonsum. Allein am Super Bowl-Abend werden in den USA 1,3 Milliarden Chicken Wings und 125 Millionen Pizzen verspeist.
Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen gibt es klare Gemeinsamkeiten, Elemente oder Narrative, die viele Football-Filme begleiten:
- Optimierungsproblem mit dem Ziel, ein großes Endspiel oder einige Spiele in einer Liga zu gewinnen, unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen, z.B. wenig Zeit für die Vorbereitung, Hindernisse im Training, persönliche Probleme in der Teamchemie, unsportliche/ahnungslose Spieler. Festhalten müssen wir hier, dass dieses Optimierungsprobleme bei früheren Footballfilmen der 90ern weniger als in den 2000ern die Rahmenhandlung bildete.
- Aufbau und Entwicklung eines Footballteams
- Trainingssequenzen
- Emotionaler Kern und Identifikation mit einem oder mehrerer Spieler oder einem Trainer
- Kriminelle Vergangenheit der Protagonisten, generelle Gesetzlosigkeit von Footballspielern
- Maskulinität: „dicke Eier“, „Pussy“ sind gängige Begriffe zur Manifestierung der Heteronormativität und der Abwertung von Frauen und kommen ungelogen in fast jedem Film vor
So, genug der übergreifenden Analyse, hinein in die Vielfalt diverser Footballfilme:
Home Team
Wir beginnen unsere Reise im Hier und Jetzt mit dem vor wenigen Tagen am 28.01.2022 veröffentlichten „Home Team“ (2022). Kevin James spielt in diesem schwachen Film den früheren Head Coach Sean Payton und trainiert nach üblichem Storyrezept das Schulfootballteam seines Sohnes. Weder der pubertäre Adam-Sandler-Humor noch die Inszenierung können überzeugen. Diesen Film müsst ihr nicht sehen, keine Empfehlung. Aber keine Sorge, unsere Reise wird etwas besser, selbst wenn wir im Adam-Sandler-Happy-Madison-Universum bleiben.weiter zur vollständigen Filmkritik
Spiel ohne Regeln
In „Spiel ohne Regeln“ (2005) stellt der Chef des schlechten Humors einen ehemaligen Quarterback dar, der im Gefängnis ein Team aus Insassen bilden muss, um in einem Testspiel gegen die Wärter zu bestehen. Neben der vorhersehbaren Handlung gibt es hier noch schlechteren pubertären Humor sowie eine sexistische Bildsprache, die ihresgleichen sucht. Zumindest wurde das finale Footballspiel ansehnlich inszeniert und birgt ein sportlich attraktives Highlight. Falls ihr am Super-Bowl-Abend Langeweile habt und die anderen Filme bereits gesehen habt, gibt es zumindest eine minimale Empfehlung. Das Gefängnis-Thema bleibt uns aber auch im nächsten Film erhalten.weiter zur vollständigen Filmkritik
Spiel auf Bewährung
Nach ähnlichem Konzept porträtiert Dwayne Johnson in „Spiel auf Bewährung“ (2006) den Bewährungshelfer einer Jugendhaftanstalt und zielt mit der Entwicklung eines Footballteams, das aus den Jugendlichen besteht, auf eine Steigerung des Selbstbewusstseins der Häftlinge. Ein solides Drama trifft Football, der in diesem Film eigentlich nicht nötig war und auch nicht sonderlich gut inszeniert wird. Mit einem tiefgründigen Drehbuch hätte ein gutes Psychogramm über von Armut betroffene Jugendliche entstehen können. So verzettelt sich der Film in kitschigen Nebenhandlungen und verliert die Charaktere aus den Augen. Letztlich spielt der Football eine untergeordnete Rolle, weshalb die Empfehlung generell ausgesprochen wird, aber die Zeit dafür nicht zwingend in den letzten Stunden vor dem Super Bowl aufgewendet werden muss.weiter zur vollständigen Filmkritik
Erschütternde Wahrheit
Die drei genannten Filme folgen dem gleichen Muster des Optimierungsmodells, das wir auch zu Beginn bereits analysiert haben. Erschütternde Wahrheit (2015) geht einen gänzlich anderen Weg. Auf Basis der realen Gegebenheit des Neurowissenschaftlers Dr. Bennet Omalu (Will Smith) gewährt das Drama Einblicke in die medizinischen Hintergründe der gesundheitlichen Risiken. Spannend erzählt der Film die Erkenntnis und Beschreibung der neuen Krankheit CTE; ihm fehlt in der zweiten Hälfte jedoch der Mut, um die NFL-Strukturen dezidiert anzugreifen bzw. die Taten Omalus mit einem klaren Ziel zu versehen. Das öffentliche wird so zu einem privaten Problem, was der Thematik die Brisanz nimmt. Es gibt zumindest eine kleine Empfehlung, wenn auch weniger zum Super Bowl Wochenende als an jedem anderen Tag im Jahr.weiter zur vollständigen Filmkritik
Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg
Während die Filme der 2000er vermehrt in Klamauk ausarteten, hat es 1993 mit „Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“ (Originaltitel „Rudy“)einen im deutschsprachigen Raum eher unbekannten Footballfilm gegeben, der im Stile eines Biopics die Geschichte von Daniel „Rudy“ Ruettiger erzählt. Rudy hat in den 1970er Jahren einen großen Traum: Teil des Footballteams bei der University of Notre Dame zu werden. Wir sehen hier die klassische Story über den American Dream, der soziale Mobilität verspricht, die wir in der Realität vergebens suchen. Sean Astin mimt Rudy sehr authentisch, aber das Storytelling schlittert absehbar in ein kitschiges Finale. Hier gibt es ähnlich zu „Erschütternde Wahrheit“ eine kleine Empfehlung, aber nicht zwingend vor dem Super Bowl.weiter zur vollständigen Filmkritik
An jedem verdammten Sonntag
Zum Abschluss folgt der beste Footballfilm. 1999 dreht Oliver Stone in einer furiosen Inszenierung mit vielen Schnitten, grellen Farben, treibender Musik und einem herausragender Cast (Al Pacino, Cameron Diaz, Jamie Foxx) einen Film über das NFL-Business mit all dem Ruhm, aber auch seinen Schattenseiten. Stark konzipierte Spiele wechseln sich mit Blicken hinter die Fassade ab: der alternde Trainer kämpft um seinen Job, während der alternde Quaterback, von Verletzungen geplagt, seinen Platz gegen den aufstrebenden jungen QB behaupten muss. Wir sehen alle Facetten und alle Perspektiven der Footballwelt, die NFL war erzürnt über die negativen Darstellungen. Oliver Stone hinterlässt uns ein Epos über die Verschränkung von privaten Schicksalen in einer zunehmend neoliberalen Welt, dafür gibt es eine klare Empfehlung für die Tage vor dem Super Bowl.weiter zur vollständigen Filmkritik
Jetzt seid ihr dran: seid ihr einverstanden mit den Bewertungen? Welche Kritik findet ihr zu harsch, wo wäre eine einfache Herangehensweise sinnvoll gewesen? Welche sind eure Lieblingsfilme, die sich mit Football beschäftigen? Wir wünschen euch viel Spaß beim Super Bowl!