Special, Filme
American Football im Film

American Football im Film

Passend zum bevorstehenden Super Bowl haben wir ein Special mit Filmen von, mit und über American Football für euch.
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von (Andretoteles)
American Football – in den USA eine Religion, eine Lebenseinstellung, eine Lebensbedingung, die alle Bereiche durchdringt. An Feiertagen wie Weihnachten, Thanksgiving oder Halloween trifft sich die ganze Familie und beobachtet das eventgetriebene Schachspiel aus roher Gewalt und raffinierter Taktik. Doch auch in Europa und insbesondere im deutschsprachigen Raum erfährt der Sport einen massiven Hype und der Marktanteil wächst sukzessive. Die Quoten der Pro7Mediagruppe für die NFL-Spiele am Sonntagabend steigen kontinuierlich und vor wenigen Tagen hat die NFL erklärt, dass es bereits 2022 und vertraglich garantiert bis 2025 jeweils ein NFL-Spiel pro Jahr abwechselnd in München und Frankfurt geben wird. Das heißt: bereits in diesem Herbst kommt die größte Sportliga der Welt nach Deutschland.

Die Krone des Konsumismus und der Event-Narrative ist ohne Zweifel der Super Bowl, der auch ein Beispiel für die steigenden Zuschauerzahlen bietet. Seit 2013 (0,95 Mio. durchschnittliche Zuschauer*innen) hat sich die die Zahl der zusehenden Personen in Deutschland auf 2,11 Mio. im Jahr 2021 mehr als verdoppelt. Am 13.02.2022 müssen die Cincinnati Bengals im Super Bowl LVI nach Los Angeles ins SoFi Stadium, um gegen die Heimmannschaft, die LA Rams, anzutreten. Zum zweiten Mal in Folge kann ein Team im eigenen Stadion die Vince Lombardi Trophy gewinnen. Anlässlich dieses Ereignisses möchten wir in diesem Beitrag in die Welt der Footballfilme eintauchen, an der die US-amerikanische Filmindustrie nicht vorbeikommt. Zunächst werden Genrespezifika und -überschneidungen analysiert. Wegen der Undurchsichtigkeit des Genres „Footballfilm“ lohnt sich hier eine nähere Betrachtung. Nachfolgend fassen wir die gemeinsamen Narrative fast jedes Footballfilmes zusammen. Sobald ihr mehrere davon gesehen habt, werden euch die immer wiederkehrenden Motive und Erzählstrukturen nicht entgangen sein. Danach kommen wir ins Detail und präsentieren euch eine Übersicht an Footballfilmen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, euch aber einen Einblick gewähren soll und eine Entscheidungshilfe sein kann. Falls euer Herz auch nur ein bisschen für das ledrige Ei schlägt, werden euch die Empfehlungen bei der Wahl helfen, welche Filme ihr bis zum Super Bowl noch sehen müsst. Über die Links gelangt ihr zu den ausführlichen Kritiken der einzelnen Filme.

Wenn Filmprojekte zum Genre Sport- bzw. Footballfilm zusammengefasst werden, nutzt man lediglich das Handlungsmotiv Football als gemeinsames Element. Ähnlich wie das Western-Genre wird aber Sport nur als Setting für allmenschliche Probleme genutzt. Während im Western die Charakterstruktur häufig den klassischen Antihelden in einem dramatischen und/oder actionreichen Storytelling hervorbringt, gibt es bei Footballfilmen keine klare Zuordnung. Viele Filme gelten als Sportkomödien („Helden aus der zweiten Reihe“, „Spiel ohne Regeln“, „Home Team“, „Sie nannten ihn Mücke“ ), einige als Biopics („Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“, „Erschütternde Wahrheit“), andere als Coming-of-Age-Stories („Spiel auf Bewährung“, „Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“) und fast alle als Cinderella-Stories, wenn ein Underdog doch noch das Spiel gewinnt. Aber es werden auch ernste Töne angeschlagen: „An jedem verdammten Sonntag“, „Spiel auf Bewährung“ oder „Erschütternde Wahrheit“ sind mehr oder weniger im Drama zu verorten. So decken Footballfilme eine hohe Bandbreite diverser Genres ab und kommen für eine hohe Zahl zuschauender Personen in Frage. Scheinbar müssen Footballfilme diese Liaison mit weiteren Genres eingehen, weil sie ohne emotionalen Kern, ohne Identifikationsfigur für die Zuschauer*innen nicht bestehen würden. Leider lassen sich Filme an einer Hand abzählen, die ideologisch die klaren Nachteile der Football-Kultur ansprechen. Verletzungen, CTE oder neoliberale Strukturen. Bei letzterem muss die Umverteilung von unten nach oben durch exorbitante Gehälter genannt werden, die aus dem Geldbeutel der Massen direkt durch Pay-TV und Merchandising oder indirekt über Werbung bezahlt werden. Lediglich die genannten Drama-Filme setzen kritische Töne. Außerdem wird die toxisch-maskuline Atmosphäre gern genutzt zum exzessiven Fleischkonsum. Allein am Super Bowl-Abend werden in den USA 1,3 Milliarden Chicken Wings und 125 Millionen Pizzen verspeist.

Trotz der unterschiedlichen Herangehensweisen gibt es klare Gemeinsamkeiten, Elemente oder Narrative, die viele Football-Filme begleiten:

  • Optimierungsproblem mit dem Ziel, ein großes Endspiel oder einige Spiele in einer Liga zu gewinnen, unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen, z.B. wenig Zeit für die Vorbereitung, Hindernisse im Training, persönliche Probleme in der Teamchemie, unsportliche/ahnungslose Spieler. Festhalten müssen wir hier, dass dieses Optimierungsprobleme bei früheren Footballfilmen der 90ern weniger als in den 2000ern die Rahmenhandlung bildete.
  • Aufbau und Entwicklung eines Footballteams
  • Trainingssequenzen
  • Emotionaler Kern und Identifikation mit einem oder mehrerer Spieler oder einem Trainer
  • Kriminelle Vergangenheit der Protagonisten, generelle Gesetzlosigkeit von Footballspielern
  • Maskulinität: „dicke Eier“, „Pussy“ sind gängige Begriffe zur Manifestierung der Heteronormativität und der Abwertung von Frauen und kommen ungelogen in fast jedem Film vor


So, genug der übergreifenden Analyse, hinein in die Vielfalt diverser Footballfilme:


Home Team

Home Team Bild aus dem Film „Home Team“ (Netflix)
Wir beginnen unsere Reise im Hier und Jetzt mit dem vor wenigen Tagen am 28.01.2022 veröffentlichten „Home Team“ (2022). Kevin James spielt in diesem schwachen Film den früheren Head Coach Sean Payton und trainiert nach üblichem Storyrezept das Schulfootballteam seines Sohnes. Weder der pubertäre Adam-Sandler-Humor noch die Inszenierung können überzeugen. Diesen Film müsst ihr nicht sehen, keine Empfehlung. Aber keine Sorge, unsere Reise wird etwas besser, selbst wenn wir im Adam-Sandler-Happy-Madison-Universum bleiben.
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Spiel ohne Regeln

Spiel ohne Regeln Bild aus dem Film „Spiel ohne Regeln“ (Sony Pictures)
In „Spiel ohne Regeln“ (2005) stellt der Chef des schlechten Humors einen ehemaligen Quarterback dar, der im Gefängnis ein Team aus Insassen bilden muss, um in einem Testspiel gegen die Wärter zu bestehen. Neben der vorhersehbaren Handlung gibt es hier noch schlechteren pubertären Humor sowie eine sexistische Bildsprache, die ihresgleichen sucht. Zumindest wurde das finale Footballspiel ansehnlich inszeniert und birgt ein sportlich attraktives Highlight. Falls ihr am Super-Bowl-Abend Langeweile habt und die anderen Filme bereits gesehen habt, gibt es zumindest eine minimale Empfehlung. Das Gefängnis-Thema bleibt uns aber auch im nächsten Film erhalten.
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Spiel auf Bewährung

Spiel auf Bewährung Bild aus dem Film „Spiel auf Bewährung“ (Sony Pictures)
Nach ähnlichem Konzept porträtiert Dwayne Johnson in „Spiel auf Bewährung“ (2006) den Bewährungshelfer einer Jugendhaftanstalt und zielt mit der Entwicklung eines Footballteams, das aus den Jugendlichen besteht, auf eine Steigerung des Selbstbewusstseins der Häftlinge. Ein solides Drama trifft Football, der in diesem Film eigentlich nicht nötig war und auch nicht sonderlich gut inszeniert wird. Mit einem tiefgründigen Drehbuch hätte ein gutes Psychogramm über von Armut betroffene Jugendliche entstehen können. So verzettelt sich der Film in kitschigen Nebenhandlungen und verliert die Charaktere aus den Augen. Letztlich spielt der Football eine untergeordnete Rolle, weshalb die Empfehlung generell ausgesprochen wird, aber die Zeit dafür nicht zwingend in den letzten Stunden vor dem Super Bowl aufgewendet werden muss.
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Erschütternde Wahrheit

Erschütternde Wahrheit Bild aus dem Film „Erschütternde Wahrheit“ (Sony Pictures)
Die drei genannten Filme folgen dem gleichen Muster des Optimierungsmodells, das wir auch zu Beginn bereits analysiert haben. Erschütternde Wahrheit (2015) geht einen gänzlich anderen Weg. Auf Basis der realen Gegebenheit des Neurowissenschaftlers Dr. Bennet Omalu (Will Smith) gewährt das Drama Einblicke in die medizinischen Hintergründe der gesundheitlichen Risiken. Spannend erzählt der Film die Erkenntnis und Beschreibung der neuen Krankheit CTE; ihm fehlt in der zweiten Hälfte jedoch der Mut, um die NFL-Strukturen dezidiert anzugreifen bzw. die Taten Omalus mit einem klaren Ziel zu versehen. Das öffentliche wird so zu einem privaten Problem, was der Thematik die Brisanz nimmt. Es gibt zumindest eine kleine Empfehlung, wenn auch weniger zum Super Bowl Wochenende als an jedem anderen Tag im Jahr.
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Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg

Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg Bild aus dem Film „Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“ (TriStar Pictures)
Während die Filme der 2000er vermehrt in Klamauk ausarteten, hat es 1993 mit „Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg“ (Originaltitel „Rudy“)einen im deutschsprachigen Raum eher unbekannten Footballfilm gegeben, der im Stile eines Biopics die Geschichte von Daniel „Rudy“ Ruettiger erzählt. Rudy hat in den 1970er Jahren einen großen Traum: Teil des Footballteams bei der University of Notre Dame zu werden. Wir sehen hier die klassische Story über den American Dream, der soziale Mobilität verspricht, die wir in der Realität vergebens suchen. Sean Astin mimt Rudy sehr authentisch, aber das Storytelling schlittert absehbar in ein kitschiges Finale. Hier gibt es ähnlich zu „Erschütternde Wahrheit“ eine kleine Empfehlung, aber nicht zwingend vor dem Super Bowl.
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An jedem verdammten Sonntag

An jedem verdammten Sonntag Bild aus dem Film „An jedem verdammten Sonntag“ (Warner Bros)
Zum Abschluss folgt der beste Footballfilm. 1999 dreht Oliver Stone in einer furiosen Inszenierung mit vielen Schnitten, grellen Farben, treibender Musik und einem herausragender Cast (Al Pacino, Cameron Diaz, Jamie Foxx) einen Film über das NFL-Business mit all dem Ruhm, aber auch seinen Schattenseiten. Stark konzipierte Spiele wechseln sich mit Blicken hinter die Fassade ab: der alternde Trainer kämpft um seinen Job, während der alternde Quaterback, von Verletzungen geplagt, seinen Platz gegen den aufstrebenden jungen QB behaupten muss. Wir sehen alle Facetten und alle Perspektiven der Footballwelt, die NFL war erzürnt über die negativen Darstellungen. Oliver Stone hinterlässt uns ein Epos über die Verschränkung von privaten Schicksalen in einer zunehmend neoliberalen Welt, dafür gibt es eine klare Empfehlung für die Tage vor dem Super Bowl.
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Jetzt seid ihr dran: seid ihr einverstanden mit den Bewertungen? Welche Kritik findet ihr zu harsch, wo wäre eine einfache Herangehensweise sinnvoll gewesen? Welche sind eure Lieblingsfilme, die sich mit Football beschäftigen? Wir wünschen euch viel Spaß beim Super Bowl!
Der Autor
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Andretoteles

Forum

  • erschütternde wahrheiten

    blind side ist - in der rechten stimmung - ganz nett anzusehen, concussion greift das problem "gehirntrauma" wacker auf, verliert sich aber im nichts, denn die show muss ja weitergehen... und vielleicht sollte ich doch noch oliver stones any given sunday nachholen...

    mein top-film mit football-bezug ist aber ang lees billy lynn's long half-time walk: angesiedelt in der halbzeit des dallas cowboys thanksgiving home game im november 2004 werden reminiszenzen aus dem irak-krieg mit heuchlerisch-schwärmerischer heldenverehrung, propagandistischen showeinlagen und zynischen politiker-statements konterkariert. erschütternde wahrheiten, die hollywood so gar nicht gefallen haben.
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    14.02.2022, 01:38 Uhr
  • Kleine Giganten

    14.02.2022, 00:10 Uhr
  • Erschütternde Wahrheit fand ich nicht so schlecht

    Beste Football-Szene: im Film Forrest Gump, wo dieser mitsamt Football vom Feld läuft 😂
    13.02.2022, 23:13 Uhr
  • Blind Side – Die große Chance

    Zwar mit vielen Klischees, aber auch mit viel Gefühl - kann man mögen oder auch nicht (-:
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    13.02.2022, 22:37 Uhr
  • Gegen jede Regel

    Ein super Film, der auch Rassismus zum Thema macht.
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    13.02.2022, 21:47 Uhr