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  • Bewertung

    Solides College-Football-Biopic

    Exklusiv für Uncut
    Einige Jahre vor dem populärsten Film über American Football „An jedem verdammten Sonntag“ wurde ein im deutschsprachigen Raum eher unbekanntes (es gibt nicht mal einen deutschen Wikipedia-Eintrag) Projekt abgeschlossen, welches in der IMDb eine der höchsten Filmbewertungen im Bereich der Footballfilme hat – sowohl auf Kritiker*innen- als auch auf Publikumsseite. Sean Astin porträtiert den schmächtigen Daniel „Rudy“ Ruettiger, der in den 1970er Jahren seinen großen Traum verwirklichen und Football an der University of Notre Dame spielen möchte. Sean Astin mag nicht jeder Person sofort ein Begriff sein; beim Anblick erkennen wir aber sofort die mutigen Augen von Sam, der Frodo den Schicksalsberg hinaufträgt. An seiner Seite entdecken wir das Filmdebüt von Jon Favreau, der mittlerweile fest im MCU verankert ist und als Leibwächter von Tony Stark begonnen hat. Er verkörpert einen intelligenten Nerd und Freund Rudys liebenswürdig.

    Während die Filme der 2000er vermehrt den Fokus auf ereignisreiche Spielsequenzen legen, haben wir es hier mit einem Sport-Biopic zu tun, das Elemente einer inspirierenden Underdog- und einer Coming-of-Age-Story beinhaltet. Und wie sollte es anders sein als, dass auch diese Handlung weitestgehend vorhersehbar ist. Wir haben es weniger mit unserem Optimierungsproblem zu tun, da keine zu gewinnenden Spiele im Vordergrund stehen, dafür erleben wir einen hart arbeitenden Menschen, der seinen Traum verwirklicht. Alles schreit hier nach dem neoliberalen Narrativ, dass soziale Mobilität absolut im Bereich des Möglichen liegt. Dabei weiß eine jede Person, dass dies seit der Phase der kapitalistischen Deregulierung in den 1980er Jahren unter Regean und Thatcher fast unmöglich scheint. Aufgrund dieses Hauptaugenmerkes erleben wir einen Aspekt fast gar nicht: Football. Lediglich am Ende kommt Rudy zu seinem Debüt für Notre Dame, dem restlichen Film gibt der Football nur das Handlungsmotiv. Eine starke Szene verdeutlicht dies auch bildsprachlich, in der Rudy allein neben dem Stadion steht, während die Kamera hochfährt und gleichzeitig tausende Zuschauer*innen im Stadion zeigt. Entwicklungen off-the-field sind dem sportlichen Wettkampf on-the-field vorangestellt. Entsprechend verhält sich der Film und die Regie zur Popkultur; schnelle Schnitte und pompöser Hip-Hop müssen einer ruhigen Ästhetik in Rocky-ähnlichem Setting weichen, was dem Film aber guttut und ihn zu einer willkommenen konservativen Abwechslung macht. Trotzdem erzeugt die Story keine große Spannung und zum Ende gibt es einige Szenen, die aus reinem Kitsch geschrieben wurden und in der Realität nie passiert sind (Beispiel: Trikot-Abgabe des ganzen Teams für den Einsatz von Rudy).

    Innerhalb der Football-Welt stellen wir fest, dass auch dieser Film, ähnlich dem vier Jahre später erschienen „An jedem verdammten Sonntag“, zumindest reale Ereignisse des professionellen Sports abbildet. Filme der 2000er verlieren sich im Football von Kids, von Jugendlichen oder in einer fiktiven Gefängnismannschaft, wohingegen wir hier in den 90ern noch professionelle Strukturen betrachten. Zumindest in Ansätzen wird uns das US-amerikanische-College-System, die Aufnahmeverfahren und die Verschränkung zwischen Sport und Studium vermittelt. Zeitgeschichtlich interessant kam die Szene daher, als der Coach sich Tapes anschaut. Im Football ist es essenziell, Spielzüge aus vergangenen Spielen des kommenden Gegners zu analysieren. Heutzutage ist ein digitaler Prozess daraus geworden, aber in den 70ern, in denen der Film spielt, hat man noch aufgepimpte Videorekorder verwendet, mit denen man schnell hin- und herspulen kann.

    Fazit: Dieser Film kann getrost als grundsolide bezeichnet werden. Authentische Inszenierung und Charakterporträts sind positiv hervorzuheben, wohingegen dem Drehbuch etwas Frische und Spannung fehlt.
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    (André Masannek)
    06.02.2022
    15:26 Uhr
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