Dune: Part Two

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Forumseintrag zu „Dune: Part Two“ von Andretoteles


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Andretoteles (28.02.2024 13:34) Bewertung
Ein meisterhaftes Monument über Macht und Messias
Exklusiv für Uncut
Seltenheit. Ein Ereignis, das lange nach dem Ende noch Herzklopfen verursacht, das klare Gedanken vernebelt, ist selten. Begleitet davon ein unterschätztes Phänomen: das Aufgewühlt-Sein, das unkoordinierte Grübeln, körperliche Reaktionen auf eindringliche Erfahrungen. Insbesondere das Kino ist in der Lage, Erlebnisse dieser Art und quasi-existenzielle Gefühle hervorzurufen. Neben Christopher Nolan kreiert zumeist Denis Villeneuve solch erhabene Momente im Blockbuster-Metier. Dreimal nach hinten und einmal nach vorne verschoben, hätte die atemberaubende Fortsetzung seiner Dune-Saga ursprünglich schon im Oktober 23 erscheinen sollen. Das Warten hat sich gelohnt: jetzt werden wir Zeuge einer dieser seltenen Kinomomente. „Dune Part Two“ geht unter die Haut und lässt das Publikum mit offenem Mund zurück.

Direkt an den ersten Teil setzt das Magnus Opus an. Wir begleiten den jungen Paul Atreides auf seinem Weg bei den Fremen, sehen seine zunehmende Reife in der fremden Welt und seinen inneren Kampf gegen seine Bestimmung als Messias. Im Hintergrund spannt sich ein Netz aus Handlungsfäden mit politischem Einfluss. Erstmalige Auftritte des Imperators Shaddam IV (neu dabei: Christopher Walken) und seiner Tochter Prinzessin Irulan (auch neu an Bord: Florence Pugh). Die asymmetrisch-rebellischen Aktionen der Fremen bedrängen die Harkonnen. Mit Feyd-Rautha (Austin Butler) wacht ein neuer Gouvenor über Arrakis. Im Hintergrund steuern die Bene Gesserit das Weltgeschehen und Lady Jessica wird spirituelle Matriarchin bei den Fremen.

Unglaublich komplex ist die Buchvorlage. Frank Herberts Sci-Fi-Klassiker von 1965 gilt als stilprägender Meilenstein, besticht durch politische Komplexität, mitreißende Charakterstudien und philosophische Denkaufgaben. Der kanadische Regisseur Denis Villeneuve verfilmt die zweite Hälfte der Literaturvorlage „Der Wüstenplanet“ und behält Übersicht. Nicht nur über alle inhaltlichen Verzahnungen, sondern auch über seinen stargespickten Ensemble-Cast. Mit Chalamet, Zendaya, Ferguson, Skarsgård, Bardem, Bautista und Brolin geben sich Weltstars die Klinke und auf Arrakis die Klinge in die Hand. In erster Linie aber überträgt er das literarische Momentum auf seine Filme. Selbst als Co-Autor schreibend, verdichtet und lockert er die komplexen Knoten nach Belieben und hält die Linse stets auf dem Wesentlichen. Villeneuve hat außerdem einen Kritikpunkt des ersten Teils berücksichtigt: den fehlenden Humor kompensiert er jetzt durch punktuell muntere Einfälle.
Wo der erste Teil erklärte und vorbereitete, dringt Part Two deutlich tiefer in die Materie, beschreibt die politischen Intrigen und Machtspiele. Bemerkenswert ist das Fehlen von Klischees, das Ende ist genauso wenig konventionell wie die Entwicklung der Figuren. Pauls und Jessicas Transformationen stehen diametral zu den moralischen Dilemmata, in denen sie stecken. Ihre Verschmelzung mit der Natur des Wüstenplaneten und mit der Fremen-Kultur geschieht auf elegante Weise. ‚Game of Thrones im Weltraum‘ kommt dem Ganzen nahe, vergisst aber zwei Umstände: Villeneuves Werk hätte ein Mehr an Dialog und Politik vertragen, dafür überzeugt Dune mit riesigem Abstand auf visueller Ebene.

Zusammen mit Kameramann Greig Fraser gelingen beeindruckende Aufnahmen. Das Wechselspiel aus Close-Up-Details und weiten Gegenlicht-Panoramashots ist eine Augenweide. Drehorte in Abu Dhabi und Jordanien werden ergänzt durch wahrlich fantastische CGI-Effekte, die der Handlung dienen und nicht sich selbst bezwecken. Herausragend zudem: Kostüme und Szenenbild. Sowohl die höhlenhaften Fremen-Behausungen als auch das futuristische Harkonnen-Kolosseum sind designtechnische Attraktionen, die sich auch in der Farbgebung widerspiegeln, beim Tausch der rot-braune Farbpallette der Wüste gegen tristes Schwarz-Weiß. Mystische Masken und exotische Outfits sowie die durch Detailaufnahmen fokussierten Objekte wie Messer, Klingen, Tücher, Symbole und Ketten sind reizvoll – und wiederholen den Kontrast zur verstörenden, hygienischen Harkonnen-Welt. Dune Teil Zwei sieht noch besser aus als Teil Eins, Action-Sequenzen sind brachialer, brutaler, brillanter. Ton, Soundeffekte und der basslastige Score hämmern in den Ohren, es ist ein monumentales Getöse. Hans Zimmer übertrifft auch hier den Vorgänger, findet er doch in all dem Getrommel wunderschöne, romantische Themen für die erblühende Liebe zwischen Chani und Paul.
Nicht nur in Sachen Liebe ist Paul zerrissen, die Machtfrage umweht ihn wie Dünensand. Die Frage nach der Herrschaft über Arrakis umklammert alle Akteure. Es geht um die bekannten Topoi, das wird dem Film sicherlich negativ angekreidet. Um Politik, um Kontrolle und um Machterhalt. Und um Wirtschaft: „Power over spice ist power over all“. Wer die rar gewordene Ressource beherrscht, gewinnt mit finanzieller Überlegenheit. Was wiegt schwerer? Macht durch Abstammung, durch Blutlinien, durch Geld? Oder Macht durch religiöse Prophezeiung oder durch nackte Gewalt mittels starken Militärs? Letztlich steht die universelle Stabilität der Eliten im Dune-Kosmos auf dem Spiel. Bene Gesserit, Imperator, Harkonnen – alle fürchten den vorhergesagten Messias. Gleichzeitig fühlen sich die Privilegierten herausgefordert, auch durch die diverse, auf Gleichheit und archaische Traditionen beruhende Gesellschaftsform der Fremen.

Fazit: Kino in Reinform! So wie der Sand pulsiert, erzeugt Villeneuves ausschweifendes Schaulaufen intensives Herzklopfen, die 167 Minuten vergehen wie im Flug. Imposantes Worldbuilding, eine epische Geschichte, visuell atemberaubend, handwerklich herausragend – Superlative überbieten sich bei diesem filmischen Spektakel. Ein großartiger, visionärer Kinofilm. Eine unglaubliche Meisterleistung von Denis Villeneuve, aus diesem Dickicht die zentrifugalen Machtkämpfe zu destillieren, wobei die Interessenskonflikte noch klarer hätten verhandelt werden können. An alle, die ein befriedigend-klassisches Ende erwartet haben: Villeneuve hat von Beginn an eine Trilogie geplant und das Skript zu „Dune Messiah“ schon begonnen. Bis dahin dürfen wir noch mehrfach diesen erhabenen seltenen Moment genießen: ein Meisterwerk mit Seltenheitswert. Danke für diese Erfahrung.
 
 

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