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  • Bewertung

    Ein episches Schach- und Schlachtfeld

    Exklusiv für Uncut
    Bei diesem ausladenden Epos über den modernen Gladiatorenkampf handelt sich um den wohl bekanntesten und besten Film über Football, der innerhalb eines Dramas alle Facetten des Sports zeigt. In „Home Team“ (2022) nahmen wir die Perspektive des Coaches, in „Rudy“ (1993) die Perspektive des Spielers, in „Gridiron Gang“ die eines ganzen Teams ein und „An jedem verdammten Sonntag“ ergänzt um die Perspektive der Owner von Football-Franchises, wobei die anderen Sichtweisen ebenso aufbereitet werden.

    Auf diesem Schach- und Schlachtfeld stehen sich Coach Tony D’Amato (sehr passend porträtiert von Overacting-Gott Al Pacino), Owner Christina Pagniacci (modern interpretiert von Cameron Diaz), der alte QB Jack Rooney (Dennis Quaid wohnt sogar im echten Haus der Dolphins-Legende Dan Marino) und der neue QB Willie Beamen (erste ernstzunehmende Filmrolle von Jamie Foxx) gegenüber. Dieses fulminante Ensemble steuert einer der kritischsten US-Regisseure: Oliver Stone. Selbst 49ers-Fan, interpretiert er die Footballwelt pessimistisch und vorwiegend real, was eben auch negative oder moralisch fragwürdige Aspekte beinhaltet. Wenn sich sogar die überaus finanzstarke und mächtige NFL einschaltet, mit einer Klage droht und Spieler von einer Mitwirkung im Film abrät, muss das Drehbuch eine kritische Schärfe bieten. Die NFL zeigte sich überhaupt nicht zufrieden mit dem zur Schau gestellten Footballkosmos, was aber nicht alle ehemaliger Spieler vom Film fernhielt. Terrell Owens, damaliger Wide Receiver der 49ers, hat unter anderem seinen Weg vor die Kamera gefunden. Und die Ablehnung der NFL ist nicht unbegründet, Stone schaut mit analytischem Blick hinter den Hochglanz-Vorhang der NFL. Verletzungen werden niedergeredet und Spieler fitgespritzt, insbesondere die kritische CTE wird angedeutet (siehe „Concussion“), die kriminellen Handlungen der Spieler kommen genauso auf den Tisch wie die privaten Opfer durch das Leben in Saus und Braus. Stones‘ Kulturpessimismus ist mit Händen zu greifen. Die komplexen Zusammenhänge der NFL spiegeln sich in der Vielfalt und Anzahl der Charaktere und Nebenhandlungen wider, aber einen kompletten Durchblick hat hier fast keine Figur mehr. Zusammen mit dem fieberhaften Schnitt kann der Film als Allegorie auf die moderne, komplexe Welt voll überfrachtender Informationsflut gesehen werden. Nebenbei finden die hervorragend dirigierten Spiele statt, denen wir gut folgen können, die Spannung und wohl durchdachte Spielzüge beinhalten und zu den Höhepunkten des Films zählen.

    Oliver Stone nannte das Projekt „ein Monster“, obwohl er es sich selbst mit der Inszenierung nicht leicht gemacht. Der rasante hektische kinetische Schnitt mit mehr als 3000 Cuts spricht für sich. Im synchronen Rhythmus werden stakkatoartiger Hip-Hop oder Rock-Musik eingespielt. Hier wird der Einfluss dieses Filmes deutlich, wenn wir uns den Soundtrack von „Spiel ohne Regeln“ und „Spiel auf Bewährung“ in Erinnerung rufen. Außerdem wütete die Hitze von Miami über den Dreharbeiten, bei denen sich sogar zwischen LL Cool J und Jamie Fox eine Prügelei entwickelte. Ein Ensemble dieser Art bedarf viel Aufmerksamkeit.

    Vor dem Fazit muss jedoch der schwache Handlungsfaden benannt werden: an unserem Optimierungsmodell kommt auch dieser Film nicht vorbei. Probleme sind hier die finanziellen Bedingungen des Owners sowie die Situation mit dem neuen QB. Nicht selten gleitet Stone ins Satirische, ins Karikatureske, ab, wenn vor Schluss sogar ein Augapfel auf dem Footballfeld zu finden ist. Hier geht dem Film substanziell etwas die Puste aus, er verliert sich ein wenig in Überzeichnung und die grelle filmische Ausstattung schlägt authentisches Storytelling.

    Fazit: Trotz ein paar Schwierigkeiten und keiner originellen Story sprechen wir vom besten Footballfilm. Attraktive Spielszenen werden mit einer Gesellschaftskritik und einem umfassenden Panoramablick auf das Footballbusiness verbunden. Neben dem starken Cast besticht insbesondere die Feuerwerk-Inszenierung, die womöglich Cineasten abschreckt, dennoch eine einzigartige Reise in die amerikanische (Sport-)Kultur bietet.
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    (André Masannek)
    06.02.2022
    19:55 Uhr
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