Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Logische Lücken

Kobergs Klarsicht: Logische Lücken

Realismus und Glaubwürdigkeit haben in unterschiedlichen Filmen einen höchst unterschiedlichen Stellenwert.
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von (DerKoberg)
Es ist auf jeden Fall schon ein paar Jahre her, da war ich mit einem Freund im Kino. „Der Morgen stirbt nie“ war das damals; ein Bond-Film, so misslungen, dass er sogar uns zwei Teenager diskussionslos enttäuschte. Und auch im Saal war damals viel Murren und peinlich berührtes Gelächter zu hören. In bleibender Erinnerung ist mir aber ein lautes und herzhaftes „Ja sicher!“ geblieben. Irgendjemandem war wohl während einer der vielen Action-Passagen die Glaubwürdigkeit zu sehr abhanden gekommen.



Damals war ich amüsiert, dass der mangelnde Realismus von James-Bond-Action tatsächlich noch Emotion hervorrufen kann – und konnte natürlich noch nicht ahnen, dass sich die Serie gerade in diesen Belangen schon bald neu erfinden würde. Überhaupt sind Realismus und Glaubwürdigkeit seither wieder mehr in Mode gekommen. Mit Ausnahmen natürlich, wie etwa „Mad Max: Fury Road“.

Im vierten Teil der Apokalypse-Saga wird nämlich nicht nur die klassische Geschlechterlogik höchst erbaulich außer Kraft gesetzt, auch Grundprinzipien der Schulphysik und das Konzept kontinuierlich ablaufender Zeit finden im Drehbuch wenig Wertschätzung. Vielleicht hätte uns Christopher Nolan das alles mit Hilfe der Raumzeitkrümmung schmackhaft gemacht, aber Mad-Max-Regisseur George Miller stellt in den ersten Filmminuten unmissverständlich klar, dass ihm derlei Logik-Pedanterie gestohlen bleiben kann. Und dieses Bekenntnis macht einen Gutteil des Charmes dieses Filmes aus.

Es ist also ganz offensichtlich eine Frage der Kommunikation, was sich Filme in Sachen Logik-Lücken leisten dürfen. Über „The Sixth Sense - Der sechste Sinn“ bin ich bis heute erbost, weil das ach so überraschende Ende ganz einfach im Widerspruch zu einigen Szenen des Films steht. Wenn man mir den Darauf-wärst-du-nie-gekommen-Effekt verkaufen will, dann muss das alles – wie etwa in „Fight Club“ – auch beim zweiten Mal Ansehen noch Sinn machen.

Wer Logik verspricht, muss das Versprechen auch halten; wie etwa der oben erwähnte Christopher Nolan in „Interstellar“. Es ist durchaus mutig, sich in einem Film so viel Zeit zu nehmen, dem Publikum die Ausgangsthese verständlich zu machen. Aber wenn ich gängige Theorien zu Schwarzen Löchern in einen Weltraum-Epos verpacken will, dann muss ich dieses Risiko eben eingehen. Ein weiteres Negativbespiel wäre in diesem Zusammenhang Luc Bessons „Lucy“. Sowohl ein konsequentes Gedankenexperiment zu den freien Kapazitäten des menschlichen Gehirns als auch ein durchgeknalltes Road-Action-Movie hätten gut funktionieren können, aber das veröffentlichte Mittelding war eine Enttäuschung.

Mad Max: Fury Road“ macht schon durch seine Bildsprache klar, dass es hier nicht um logische Nachvollziehbarkeit geht. So macht die feministisch untermalte Verfolgungsjagd auch jede Menge Spaß. Und wenn hier wieder jemand „Ja sicher!“ schreit, ist das auch wieder zum Schmunzeln.
Der Autor
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DerKoberg


Forum

  • Realismus

    Für mich stellt sich bei Filmen immer die Frage, ab wann ist etwas unrealistisch. Kann man hierzu schon den Schusswechsel zählen, in dem tausende Patronen verschossen werden, aber niemand getroffen wird, oder Szenen wie bei Stirb langsam 4, wo ein Tunnelbrand ohne Rauch dargestellt wird.
    Meist beantworte ich mir die frage mit dem gesamten Film Setting oder den Schauspielern. Bei einem Stalone Film z. B. ist mir sehr schnell klar, dass ich nicht lange nach Realismus Suchen muss. Mein persönlicher Tiefpunkt in letzter Zeit war aber auch Lucy. Der Film hätte so viel mehr Potential gehabt.
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    13.06.2015, 21:50 Uhr
  • Glaubwürdigkeit

    Ich kann auch ein Lied von diesen Thesen singen... ich habe es mittlerweile oft schon aufgegeben, mir Gedanken über einige Dinge zu machen, weil ich weiß, dass mir dann die Freude am Film vergeht. Bei James Bond - Der Morgen stirbt nie, kann ich das leider nicht beurteilen. Ich habe den Film zwar auch im Kino gesehen, jedoch ist das schon so lange her... und ich habe ihn mir seit dem nicht mehr angesehen. Bei Lucy sehe ich das Ganze ähnlich wie du. Der Film hätte für mich wahnsinnig gut funktionieren können, wäre er auf der richtigen Ebene geblieben und wäre er mir dann nicht zu utopisch gewesen. Interstellar hatte ein gutes Gesamtkonzept, aber ich möchte nicht genauer darüber nachdenken.
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    10.06.2015, 21:46 Uhr