Heidi@Home
Heidi@Home: „Could you double-check the envelope?“

Heidi@Home: „Could you double-check the envelope?“

Bemerkenswerte Oscar-Reden der jüngeren Vergangenheit.
heidihome_9fc566c28c.jpg
von (Heidi@Home)
Die Oscar-Verleihung ist zwar keine Fernsehserie an sich, doch sie wiederholt sich jährlich und wird live im TV übertragen. Daher soll es sich heute hier um Acceptance-Speeches handeln.
Denkt man an vergangene Verleihungen zurück, fällt einem ziemlich bald der italienische Regisseur und Schauspieler Roberto Benigni ein. Benignis Film „Das Leben ist schön“ erhielt 1999 drei Oscars, u.a. für den besten fremdsprachigen Film und den besten Hauptdarsteller. Benigni schritt nicht zur Bühne als sein Name aufgerufen wurde, nein, er klettere auf den Sitzreihen herum, stieg fast auf Spielbergs Kopf, schüttelte zahllose Hände und lief im Auditorium umher, bis er endlich mit seiner äußerst konfusen, aber charmanten englisch-italienischen Rede begann, die davon handelte, dass er mit allen Anwesende Liebe machen wollte, ganz unschuldig natürlich. Ähnlich begeistert von seinem Oscar (für „Jerry Maguire“) war 1999 Cuba Gooding jr., der sich buchstäblich mit Händen und Füßen gegen die einsetzende Musik wehrte und allen möglichen Menschen (u.a. Tom Cruise) seine Zuneigung versicherte. Total aus dem Häuschen war die Band Three Six Mafia, die für ihren Song „It’s hard out here for a pimp“ 2006 ausgezeichnet wurden. Moderator Jon Stewart amüsierte sich prächtig über die Truppe und meinte das sei genau die Art und Weise, wie man einen Oscar entgegennehmen sollte, nämlich voller Enthusiasmus; und: „it just got a little easier out here for a pimp“ . Adrien Brody, der 2003 mit 29 Jahren ziemlich überraschend als bisher jüngster Mann für einen Hauptrollen-Oscar („Der Pianist“) ausgezeichnet wurde, war so überwältigt, dass er Halle Berry, die ihm den Preis überreichte, leidenschaftlich küsste.

Und wenn wir schon bei Halle Berry sind: natürlich wird bei den Oscars auch häufig geweint, was irgendwie verständlich ist. Allerdings ist es manchmal auch ziemlich peinlich, vor allem, wenn man dahinter weniger echte Rührung als vielmehr schlechtes Schauspiel vermutet, was gerade bei eben prämierten Darstellern nicht passieren sollte. Wie beispielsweise bei Berry, die 2002 einen Oscar für „Monster's Ball“ erhielt, und der man kaum dabei zusehen konnte, wie sie den Award – von (angeblichen) Heulkrämpfen geschüttelt – durch Russell Crowe entgegen nahm. Möglicherweise war das der Grund dafür, wieso dieser seiner Freundin Nicole Kidman den Rat gab, möglichst nicht zu weinen, sollte sie einmal den Oscar gewinnen. Was Kidman im darauffolgenden Jahr in ihrer Rede erwähnte und was auch fast gelang, sie war bei ihrer Auszeichnung für „The Hours - Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ zwar auch ergriffen, aber angenehm zurückhaltend. Gwyneth Paltrow, die 1999 mit dem Oscar für „Shakespeare in Love“ ausgezeichnet wurde, versteckte nach der Verleihung den Goldmann in ihrer Wohnung, um dadurch nicht dauernd an ihre (wie sie selbst sagt) weinerliche Rede erinnert zu werden, die ihr nachträglich sehr unangenehm war.

Natürlich verstören nicht nur sehr tränenreiche Auftritte bei den Oscars, auch manche Lippenbekenntnisse ließen die Zuschauer verwundert zurück. Etwa das von Angelina Jolie 2000, als sie den Award für „Durchgeknallt“ entgegennahm und dem verdutzten Publikum erklärte, sie sei gerade so sehr verliebt in ihren Bruder (den sie auf dem Red Carpet auch zahlreiche Male innig küsste). James Cameron gewann 1998 den Regiepreis für „Titanic“ und hielt zuerst eine relativ unauffällige Rede, bis er am Ende „I am the king of the world“ hervorstieß. Das war natürlich ein Zitat aus dem Film, wirkte von Cameron dargeboten eher weniger als spontaner Gefühlsausbruch, sondern vielmehr sorgfältig einstudiert, eigentlich auch ein bisschen arrogant. Michael Moore wiederum – prämiert 2003 für „Bowling for Columbine“ – wurde bei seiner Danksagung zu ungefähr gleichen Teilen von der Bühne gebuht wie vom Orchester heruntergespielt, dennoch ist die Rede heute Kult, denn Moore nahm sich damals, in Anspielung auf den Irakkrieg, wirklich kein Blatt vor den Mund, als er wieder und wieder betonte: „Shame on you, Mr. Bush, shame on you!“

Eine Oscar-Rede hat sogar die Entstehung eines anderen Films inspiriert und das war der Auftritt von Tom Hanks 1994, als er den Oscar für „Philadelphia“ entgegen nahm. Hanks verkörperte damals einen aidskranken Anwalt und dankte in seiner Rede seinem homosexuellen Lehrer an der High School, der ihm für die Rolle ein Vorbild war. Hanks hatte den Lehrer vorher zwar gefragt, ob er seinen Namen nennen dürfte, nicht aber erwähnt, dass er seine Homosexualität ansprechen würde. So wurde der Professor unfreiwillig geoutet, hatte damit aber glücklicherweise kein Problem. Einige Jahre später entstand die Komödie „In & Out“ mit Kevin Kline als Lehrer in genau dieser Situation, der mit diesem Outing allerdings gar nicht zurechtkommt.

Der dieser Kolumne titelgebende Ausspruch stammt übrigens von Martin Scorsese: erst bei seiner sechsten Regie-Oscar-Nominierung bekam er die Statue 2007 tatsächlich für „Departed - Unter Feinden“ aus den Händen seiner Freunde Steven Spielberg, Francis Ford Coppola und George Lucas. Mir persönlich gefällt Sofia Coppolas Rede von 2004 sehr, in der sie für das beste Drehbuch („Lost in Translation“) ausgezeichnet wurde und ihre Vorbilder, die grandiosen Autoren Michelangelo Antonioni und Wong Kar-Wai nennt, ebenso wie ihre Muse Bill Murray.
Welche Oscar-Reden sind für Euch unvergessen geblieben?
Die Autorin
heidihome_9fc566c28c.jpg
Heidi@Home


Forum

  • Roberto Benigni

    Also ich fand auch den Oscar für Roberto Benigni am besten.
    Wobei die Rede von Michael Moore wohl am besten in Erinnerung geblieben ist.
    treadstone71_02519ad8f6.jpg
    23.01.2013, 16:04 Uhr