Berlinale 2013
Berlinale Tag 10

Berlinale Tag 10

Nach 31 Filmen geht meine „Berlinale der positiven Überraschungen“ zu Ende.
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von (Harry.Potter)
Zum Ausklang der Berlinale habe ich mir überlegt, wie viele Filme ich in den vergangenen Tagen auf der Berlinale angesehen habe. Vergleicht man das mit dem durchschnittlichen Kinobesuch pro Jahr in Österreich, der bei rund 2.5 Filmen liegt, dann habe ich mit meinen 31 Spielfilmen aus den Sektionen „Wettbewerb“, „Panorama“, „Berlinale Special“ und „Berlinale Retrospektive“ nicht nur meinen neuen Berlinale-Rekord in Bezug auf die Anzahl der Filme insgesamt und im Hinblick auf die Zahl der Sektionen, aus denen sie stammen, aufgestellt, sondern ich habe den durchschnittlichen ÖsterreicherInnen jetzt quasi die nächsten rund 12 Jahre im Kino voraus.

Aber ganz im Ernst: viele der Spielfilme, die ich im Wettbewerb der vergangenen Tage gesehen habe, werden in Österreich vielleicht nie anlaufen und viele davon hätte ich mir womöglich unter normalen Umständen auch gar nicht angeschaut. Das besonders Erfreuliche daran ist aber, dass selbst unter diesen speziellen Kandidaten in diesem Jahr deutlich mehr dabei waren, die mich positiv überrascht und sehr bewegt haben. Dazu gehören eindeutig die Filme „Im Namen des ...“ aus Polen sowie der kasachische Film „Harmony Lessons“, der mit dem Bären für die beste Kamera ausgezeichnet wurde. Ebenso hätte ich den großartigen chilenischen Film „Gloria“ ohne die Berlinale nie gesehen, dessen Hauptdarstellerin Paulina Garcia sich den Bären für die beste Darstellerin redlich verdient hat, denn bei keinem anderen Film gab es nach der Pressevorführung in Anwesenheit der gesamten Jury tosenden Applaus und einige „Standing Ovations“ am Ende. Ulrich Seidl hat mit „Paradies: Hoffnung“ Österreich würdig im Wettbewerb vertreten, auch wenn er leer ausgegangen ist. Eine sehr positive Überraschung sind die beiden Auszeichnungen für den bosnischen Film „An Episode in the Life of an Iron Picker“, dessen Qualität ja schon außer Zweifel stand, jedoch eher als Außenseiter gehandelt wurde. Ähnlich ging es mir mit dem Preis für den besten Film. „Mutter und Sohn“ aus Rumänien hatte mich schon im Kinosaal erstaunt und hat sich den Hauptpreis natürlich redlich verdient. Die Auszeichnung erstaunt aber umso mehr als dass sich der Film erfolgreich gegen starke Konkurrenten wie „Harmony Lessons“ durchgesetzt hat. Statt des Preises für die beste Kamera, die ich ihm eigentlich zugetraut hätte, die aber an „Harmony Lessions“ verliehen wurde, bekam der erstaunlich gelungene „Prince Avalanche“ den silbernen Bären verliehen.

Mein persönlicher Liebling unter allen Wettbewerbsfilmen, der mir nicht nur künstlerisch, sondern insgesamt am besten gefallen hat, war „Lang lebe Charlie Countryman“, obwohl er keinen Preis bekommen hat. Abgesehen davon, dass mich die Figuren im Film und ihre Erlebnisse zum Lachen und zum Weinen gebracht haben, fühlte ich mich in diesem Film seit langem wieder als Filmfreund durch und durch glücklich und verspürte dabei einen todsicheren Indikator, der mich noch nie in die Irre geführt hat: jene Gänsehaut nämlich, die mir wohlig über den Rücken lief und mich am ganzen Leib spüren ließ, warum ich mich vor vielen Jahren in die Dunkelheit des Kinosaales verliebt und der Faszination der Bilder auf der Leinwand und dem satten Sound von Dolby Digital, DTS oder SDDS hoffnungslos verfallen bin.

Somit blicke ich nun schon wieder auf die sechste Berlinale zurück, von der ich für UNCUT berichtet habe. Und wie jedes Jahr gab eine ganze Reihe von Filmen zu sehen und Stars zu bewundern und das im Rahmen des größten Publikumsfilmfestivals auf der Welt – was will man mehr? Es mag zutreffen, das in diesem Jahr weniger oder weniger große Stars auf dem roten Teppich anzutreffen waren, dafür aber hatte ich auch deutlich seltener den Eindruck, meine Zeit mit belanglosen oder langweiligen Filmen vergeudet zu haben als in anderen Jahren. Und aus dieser Perspektive betrachtet, die ja eigentlich die zentrale Perspektive sein sollte, kann man der Berlinale 2013 eindeutig ein gutes Zeugnis ausstellen. Die Triskaidekaphobie war also unbegründet – wie überhaupt, aber das wird ja vielleicht einmal ein Thema für einen Film, den wir vielleicht hier sehen werden. Wer weiß?

Der Autor
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Harry.Potter

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    Noch eine Anmerkung, niemand braucht sich vor dem sperrigen Wort "Triskaidekaphobie" zu fürchten - nicht nur jene, denen die Zahl 13 Unbehagen beschert ... ;-)
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    17.02.2013, 12:00 Uhr