Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Unter dem Radar

Kobergs Klarsicht: Unter dem Radar

Stell dir vor es ist Krieg und keiner will’s wissen.
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von (DerKoberg)
Abseits besonderer medialer Aufmerksamkeit geistert momentan Doug Limans „Fair Game“ durch unsere Kinos. Der Regisseur von „Die Bourne Identität“ erzählt hier die wahre Geschichte der CIA-Agentin Valerie Plames, die kurz nach Beginn des Irakkriegs in einer Zeitungskolumne enttarnt wurde. Die Nachricht hielt sich damals nur kurz in den Medien obwohl schnell klar war, dass die Enttarnung aus politischem Kalkül geschehen war: Planes' Mann, ein ehemaliger Botschafter, hinterfragte öffentlich die Existenz eines irakischen Atomprogramms.

Seit 2003 haben Irakkrieg-kritische Filme immer wieder ihren Weg in die europäischen Kinos gefunden. Doch fast alle blieben weitgehend unter dem Radar der großen öffentlichen Wahrnehmung. Nicht nur in Europa, sondern vor allem auch in den USA. Einziger Versuch einer – wohl bewusst inszenierten – löblichen Ausnahme war die Oscar-Verleihung an Kathryn Bigelows ebenso langweilige wie unkritische und unrealistische Bombenendschärfer-Inszenierung „The Hurt Locker“, die in ihrer deutschen Fassung bezeichnender Weise mit einem Titel versehen wurde, der eines B-Movies würdig wäre: „Tödliches Kommando - The Hurt Locker“.

Bigelow steigt mit beiden Füßen in die Pathos-Falle und inszeniert die US-Einheiten als verzweifelte Helden in menschenfeindlicher Umgebung. Und gerade darauf schienen die Juroren der Academy gewartet zu haben: Ein oberflächlich kritischer Kriegsfilm mit goldumrahmtem „We support our troups“-Sticker neben dem Nummernschild. Nach der peinlichen Begegnung der Oscars mit dem etwas zu liberalen Dokumentarfilmer Michael Moore schien man sich politisch nicht mehr aus dem Fenster lehnen zu wollen.

Ein paar Wochen nach der Oscar-Übergabe brachte der andere Bourne-Regisseur, Paul Greengrass (Bourne Ultimatum und Verschwörung) seine Abhandlung zu Saddams Massenvernichtungswaffen in die Kinos: In „Green Zone“ darf sich Matt Damon persönlich auf die Suche nach dem eigentlichen Kriegsgrund machen. Doch er stößt lediglich auf einen Machtkampf zwischen CIA und der Army und auf einen Krieg, der mit seinem offiziellen Ende erst wirklich beginnt. Besondere Aufmerksamkeit gab es dafür keine und die Werbemaschinerie konzentrierte sich darauf, einen Action-Film mit Matt Damon zu verkaufen.

Der bislang beste Film zu dieser Thematik – und Sieger in der Kategorie „Oft nominiert und nichts gewonnen“ – stammt von Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis. Dieser Mann hatte schon bei „L.A. Crash“ und „Flags of Our Fathers“ die Finger mit im Spiel und lieferte mit „Im Tal von Elah“ einen weniger politischen als psychologischen Thriller über die Auswirkungen des Krieges.
Drehbuch, Regie und Darsteller übertreffen sich hier gegenseitig und die US-Öffentlichkeit gab sich redlich Mühe, sich dazu nicht äußern zu müssen. Hauptdarsteller Tommy Lee Jones wurde zwar für den Oscar nominiert, die Gewinner des Jahrgangs waren jedoch die Coen-Brüder und „No Country for Old Men“. Und drei Oscars gingen an „Das Bourne Ultimatum“.

Obwohl sich große und massentaugliche Regisseure an der Aufarbeitung amerikanischer Zeitgeschichte beteiligen, scheint man ihnen in ihrer Heimat dafür keinen Respekt zollen zu wollen. Und hierzulande interessiert sich schlicht und einfach kaum jemand dafür. Traurig, aber wahr.
Der Autor
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DerKoberg


Forum

  • Naja...

    Ich hab mir schon gedacht, dass die Kritik an "The Hurt Locker" auf Widerstand stoßen könnte.
    Mir war vor allem das Bild des hartgesottenen Soldaten, der beim Endschärfen von Bomben das Funkgerät ausschaltet und den Schutzanzug auszieht zuwider. Das ist nicht nur Rambo-heroisch, es ist wohl auch sehr unrealistisch: Kein Soldat darf sich aus purer Gleichgültigkeit selbst gefährden.
    Und an der Sinnhaftigkeit dieses Krieges hat der Film keinen Moment lang gezweifelt. Genausowenig hat er sich mit der Ursache der Gewalt auseinandergesetzt...

    Und ich denke schon, dass "L.A. Crash" ein guter Film war. "Im Tal von Elah" ist aber auf jeden Fall sehenswerter. Und Haggis hat nur in Zweiterem auch Regie geführt.
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    07.12.2010, 16:01 Uhr
    • Paul Haggis

      Eigentlich hat er bei beiden Filmen („L.A. Crash“ und „Im Tal von Elah“) Regie geführt.
      Demnächst kommt übrigens sein neuer Film: „72 Stunden - The Next Three Days“
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      07.12.2010, 17:15 Uhr
  • Hm...

    Das Thema der Kolumne und die grundsätzliche Kritik kann ich ja ganz gut nachvollziehen kann, leider nichts Neues aber sehr wohl bedenklich.
    Aber was du gegen "The Hurt Locker" hast..? Pathos? Langweilig? Waren wir im selben Film?
    Da scheint eine ganz eigene Idee von "gutem" Film hinter deinen Worten zu stehen - "Im Tal von Elah" kenn ich leider nicht, aber Paul Haggis hat bei "L.A. Crash" recht tief in die Pathos-Fall gegriffen, also ob er ein Qualitätssiegel ist, bezweifle ich...
    Just my 2 cents.
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    07.12.2010, 15:14 Uhr