Filmkritik zu Ferrari

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Rasantes Rennsport-Biopic ganz nah am Melodrama

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Darf man eine italienische Ikone mit einem Nicht-Italiener, in diesem Fall einem Amerikaner, besetzen? Schon im Vorfeld zum Film „Ferrari“ wurde viel darüber diskutiert oder gar polemisiert. Es ist eine Frage, die kaum einfach und eindeutig zu beantworten ist. Denn Kino ist eingebettet in zumindest künstlerische, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Interessen. Vermutlich setzt man auf einen internationalen Star-Cast, egal ob sich die nationale Identität von Schauspieler*innen und Figuren decken oder nicht. Dazu später mehr.

    Mit „Ferrari“ meldet sich Regisseur Michael Mann („Heat“, „Ali“) nach länger Pause wieder auf der großen Leinwand zurück. Diesmal widmet er sich, wie der Titel verrät, der Geschichte des Mannes hinter der Marke Ferrari: (Ex-)Rennfahrer und Firmenchef Enzo Ferrari. Das Biopic basiert auf einem Buch des Journalisten Brock Yates mit dem Titel „Enzo Ferrari – The Man, The Cars, The Races, The Machine“. Der wäre wohl zu lang fürs Kino, verrät aber im Grunde ganz gut, welche Themen angesprochen werden. Das Biopic setzt kurz vor einer wirtschaftlichen Krise in der Firma ein, der Druck steigt. Nur das Team, das die „Mille Miglia“ gewinnt, kann mit breiter Brust auf Investorensuche geht. Die Vorbereitungen auf dieses prestigeträchtige Rennen und die Hetzjagd der Medien bilden den beruflichen Heruntergrund. Sie treiben die Handlung voran, sorgen für gewisse Spannung, da die Zukunft der Marke auf dem Spiel steht. Oder mehr. Auch Enzos Privatleben hält Konfliktpotenzial bereit. Seine Ehe ist am Ende, allerdings braucht er fürs Geschäftliche die Einwilligung seiner Ehefrau. Seine Geliebte stellt zumindest für den gemeinsamen Sohn ebenfalls Ansprüche.

    „Ferrari“ zeigt einen Mann, der von allen Seiten unter Druck gerät. Die privaten Momente bringen Drama pur, in einigen Szenen ist das Pathos kaum zu ertragen. Unfreiwillig komisch, wenn man es böse formulieren will. Da ist man erleichtert, wenn Penélope Cruz als Enzos Frau Stärke zeigt. Sie darf wirtschaftlich klug sein, ihre Bedürfnisse klar ausdrücken und Grenzen setzen. Zugegeben, auch sie muss manchmal übertrieben melodramatisch agieren. Trotzdem macht sie die Beweggründe ihrer Figur deutlich, zieht Aufmerksamkeit auf sich. Schillernd, zielstrebig, stark, aber auch verletzlich. Penélope Cruz präsentiert alle Facetten ihrer Figur. Shailene Woodley verkörpert Enzos Geliebte und bleibt etwas blass. Allerdings bekommt sie auch wenig wirklich spannende Szenen.

    Und wer ist Enzo Ferrari? Der Film versucht, diese Frage zumindest teilweise zu beantworten. Verkörpert wird der jedenfalls von Adam Driver, dem man eine gewöhnungsbedürftige Haarfarbe und Frisur verpasst hat. Seinen italienischen Akzent kann ich nicht objektiv beurteilen, könnte einen aber an eine andere seiner Rollen erinnern: Maurizio Gucci. Ob er jetzt auf Italiener abonniert ist? Das ist eine andere Frage. Driver zeigt einen Mann, der fürs Rennfahren brennt, der nach Karriereende noch immer davon fasziniert ist. Diese Leidenschaft macht ihn zum harten Teamchef, der über Leichen geht. Die Witwe eines seiner Rennfahrer wird etwa mit Geld entschädigt, die anderen provoziert und treibt er ständig an, mehr Risiko zu gehen.

    Damit ist man mitten im Film angekommen, denn „Ferrari“ ist auch ein typischer Rennfahrerstreifen. Von Trainings, über technische und strategische Besprechungen bis zum Rennen an sich wird alles in die Handlung eingebaut. Der Chef muss sein Team zusammenstellen, die Autos möglichst schnell machen. Mit hohem Einsatz, zumindest für die Fahrer. Denn das Rennfahren unterscheidet sich doch deutlich zum heutigen Motorsport mit möglichst hochwertigen Sicherheitsvorkehrungen, Halo und Boxenstopps, die in der Formel 1 etwa zwei Sekunden dauern. Es ist ganz interessant, zu sehen, wie damals gefahren wurde. Wie die Autos ausgesehen und funktioniert haben.

    Die Rennbilder sind beeindruckend, die Geschwindigkeit spürbar. Man rast mit, bis zum dramatischen Ende; manche können sich vielleicht an die historischen Ereignisse erinnern, wissen also, wie die „Mille Miglia“ ausgeht. „Ferrari“ ist insgesamt recht konventionell und manchmal allzu pathetisch inszeniert. Der Film funktioniert, bietet genügend Spannung, ist unterhaltsam. Ein künstlerisches Meisterwerk ist er nicht.
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    (Ursula Rathensteiner)
    06.11.2023
    19:08 Uhr
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