Forum zu Ferrari

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63.3% Bewertung
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    Ein Tyrann ohne Leidenschaft ist wie ein Sportwagen in der 30er Zone

    Enzo Ferrari - eine Ikone des Motorsports, der Leidenschaft für schöne und schnelle Autos und der Geschichte Italiens, war, wenn man den Biografien glaubt, ein Tyrann, ein ständig Getriebener von seiner Faszination für Geschwindigkeit, für Sieg und Sieger. Ein in seinen Umgangsformen überraschend rüpelhafter Kerl, besessen von Sex und von Unruhe. Er war, wie jeder andere Tyrann auch, bereit, über Leichen zu gehen, um sein Ziel zu erreichen und auch wenn er sie selber nicht in Auftrag geben musste, dann nahm er sie doch weitgehend in Kauf.

    Michael Mann inszeniert seine Filmbiografie über diesen Benzin-Giganten überraschend zahnlos, leidenschafts- und teilnahmslos und mit auffallend wenig Tempo. Alles Zutaten, die man bei einem solchen Film eigentlich schon erwarten darf, weshalb er mich insgesamt eher enttäuscht hat. Adam Driver (Pardon the Pun) gibt den großen Enzo eher wie einen Enkel von Marlon Brando in "Der Pate", den stillen Mafioso, der Fäden zieht, seine Frau wie seine Geliebte mit Blumen von der Hotelrezeption erfreut. Ein Tyrann ohne Leidenschaft, ein Film wie eine Fahrt im Ferrari in der 30er Zone: kaum anders als mit einem anderen Auto, das weniger kostet, weniger auffällt, aber auch weniger erwarten lässt.
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    10.03.2024
    10:34 Uhr
  • Bewertung

    (Ford) vs. Ferrari

    war für mich ein sehr gelungener Film über die Auto- und Rennfahrerfaszination, die für mich immer begrenzt war.
    Was Michael Mann mit FERRARI erreichen wollte, ist mir nicht ganz klar.
    Adam Driver spielt den Commandante in Nöten.
    Aber irgendwie nervt es mich, wenn ein Amerikaner “Italo-Amerikanisch” in der OV spricht.
    Es klingt falsch.
    Ach ja, im Film wäre mehr Tiefe möglich gewesen…
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    18.01.2024
    17:34 Uhr
  • Bewertung

    Rasantes Rennsport-Biopic ganz nah am Melodrama

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Darf man eine italienische Ikone mit einem Nicht-Italiener, in diesem Fall einem Amerikaner, besetzen? Schon im Vorfeld zum Film „Ferrari“ wurde viel darüber diskutiert oder gar polemisiert. Es ist eine Frage, die kaum einfach und eindeutig zu beantworten ist. Denn Kino ist eingebettet in zumindest künstlerische, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Interessen. Vermutlich setzt man auf einen internationalen Star-Cast, egal ob sich die nationale Identität von Schauspieler*innen und Figuren decken oder nicht. Dazu später mehr.

    Mit „Ferrari“ meldet sich Regisseur Michael Mann („Heat“, „Ali“) nach länger Pause wieder auf der großen Leinwand zurück. Diesmal widmet er sich, wie der Titel verrät, der Geschichte des Mannes hinter der Marke Ferrari: (Ex-)Rennfahrer und Firmenchef Enzo Ferrari. Das Biopic basiert auf einem Buch des Journalisten Brock Yates mit dem Titel „Enzo Ferrari – The Man, The Cars, The Races, The Machine“. Der wäre wohl zu lang fürs Kino, verrät aber im Grunde ganz gut, welche Themen angesprochen werden. Das Biopic setzt kurz vor einer wirtschaftlichen Krise in der Firma ein, der Druck steigt. Nur das Team, das die „Mille Miglia“ gewinnt, kann mit breiter Brust auf Investorensuche geht. Die Vorbereitungen auf dieses prestigeträchtige Rennen und die Hetzjagd der Medien bilden den beruflichen Heruntergrund. Sie treiben die Handlung voran, sorgen für gewisse Spannung, da die Zukunft der Marke auf dem Spiel steht. Oder mehr. Auch Enzos Privatleben hält Konfliktpotenzial bereit. Seine Ehe ist am Ende, allerdings braucht er fürs Geschäftliche die Einwilligung seiner Ehefrau. Seine Geliebte stellt zumindest für den gemeinsamen Sohn ebenfalls Ansprüche.

    „Ferrari“ zeigt einen Mann, der von allen Seiten unter Druck gerät. Die privaten Momente bringen Drama pur, in einigen Szenen ist das Pathos kaum zu ertragen. Unfreiwillig komisch, wenn man es böse formulieren will. Da ist man erleichtert, wenn Penélope Cruz als Enzos Frau Stärke zeigt. Sie darf wirtschaftlich klug sein, ihre Bedürfnisse klar ausdrücken und Grenzen setzen. Zugegeben, auch sie muss manchmal übertrieben melodramatisch agieren. Trotzdem macht sie die Beweggründe ihrer Figur deutlich, zieht Aufmerksamkeit auf sich. Schillernd, zielstrebig, stark, aber auch verletzlich. Penélope Cruz präsentiert alle Facetten ihrer Figur. Shailene Woodley verkörpert Enzos Geliebte und bleibt etwas blass. Allerdings bekommt sie auch wenig wirklich spannende Szenen.

    Und wer ist Enzo Ferrari? Der Film versucht, diese Frage zumindest teilweise zu beantworten. Verkörpert wird der jedenfalls von Adam Driver, dem man eine gewöhnungsbedürftige Haarfarbe und Frisur verpasst hat. Seinen italienischen Akzent kann ich nicht objektiv beurteilen, könnte einen aber an eine andere seiner Rollen erinnern: Maurizio Gucci. Ob er jetzt auf Italiener abonniert ist? Das ist eine andere Frage. Driver zeigt einen Mann, der fürs Rennfahren brennt, der nach Karriereende noch immer davon fasziniert ist. Diese Leidenschaft macht ihn zum harten Teamchef, der über Leichen geht. Die Witwe eines seiner Rennfahrer wird etwa mit Geld entschädigt, die anderen provoziert und treibt er ständig an, mehr Risiko zu gehen.

    Damit ist man mitten im Film angekommen, denn „Ferrari“ ist auch ein typischer Rennfahrerstreifen. Von Trainings, über technische und strategische Besprechungen bis zum Rennen an sich wird alles in die Handlung eingebaut. Der Chef muss sein Team zusammenstellen, die Autos möglichst schnell machen. Mit hohem Einsatz, zumindest für die Fahrer. Denn das Rennfahren unterscheidet sich doch deutlich zum heutigen Motorsport mit möglichst hochwertigen Sicherheitsvorkehrungen, Halo und Boxenstopps, die in der Formel 1 etwa zwei Sekunden dauern. Es ist ganz interessant, zu sehen, wie damals gefahren wurde. Wie die Autos ausgesehen und funktioniert haben.

    Die Rennbilder sind beeindruckend, die Geschwindigkeit spürbar. Man rast mit, bis zum dramatischen Ende; manche können sich vielleicht an die historischen Ereignisse erinnern, wissen also, wie die „Mille Miglia“ ausgeht. „Ferrari“ ist insgesamt recht konventionell und manchmal allzu pathetisch inszeniert. Der Film funktioniert, bietet genügend Spannung, ist unterhaltsam. Ein künstlerisches Meisterwerk ist er nicht.
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    06.11.2023
    19:08 Uhr
  • Der Witwenmacher mit der Sonnenbrille

    Adam Driver hat schon vieles gespielt. Vorzugsweise auch mal diverse Italiener, zuletzt gar den Unternehmer Maurizio Gucci in Ridley Scotts House of Gucci, einem wirtschaftsbiographischen Panoptikum aus schrägen Charakteren (Al Pacino, Jared Leto) und mit einer donnernden Lady Gaga in viel zu engen Stöckelschuhen. Von Mailand ist es nicht weit bis nach Modena – das Ergrauen von Adam Drivers Haar dauert zwar länger, doch wofür gibt’s Make up-Artisten? Dank dieser Fertigkeiten erhebt sich zu Beginn des Films ein in die Jahre gekommener, stocksteifer Enzo Ferrari aus seinen Laken, daneben liegt die Freundin, nicht die Ehefrau. Die beiden haben ein Kind, es heisst Piero und wird später Geschichte schreiben. Doch von ihm handelt der Film nicht in erster Linie. Viel wichtiger ist die ikonische Figur des Enzo, der, hochgewachsen, im schicken Anzug und stets mit Sonnenbrille (auch wenn nicht die Sonne scheint) als dritter, erst spät entdeckter Bruder der Blues Brothers auftreten hätte können. Selten umspielt ein Lächeln seine Lippen, denn die Lage ist ernst.

    1957 war die Automarke mit dem aufbäumenden Pferd noch eine, die mühsam mit Konkurrenten wie Maserati mithalten musste. Racings unter Ferraris Teilnahme zeichneten sich zu dieser Zeit stets dadurch aus, im Anschluss ein Begräbnis auszurichten. Nicht umsonst nannte man den geschniegelten Unternehmer Witwenmacher, und auch nicht von irgendwoher ist die Leichtigkeit von Enzos Leben auch deshalb abhanden gekommen, da dieser bereits einen Sohn zu Grabe tragen musste. Eine Tragödie, die das Eheleben mit Laura Ferrari (erinnert an Sophia Loren: Penélope Cruz) auf eine Probe stellt, die nicht zu meistern ist. Die superfrustrierte Mitunternehmerin der Automobilwerke schießt gerne mal mit der Knarre an ihrem Noch-Gatten vorbei und ahnt auch bald mal etwas von finanziellen Zuwendungen einer Dame gegenüber, die sich Lina Lardi nennt. Diese Dreieckskonstellation nimmt Michael Mann schließlich als Kernstück seines Rennfahrerfilms auf, der jedoch keinerlei Pioniergeist versprüht wie James Mangolds Le Mans 66 – gegen jede Chance. Inspiration, Motivation und Feuer nicht nur im Vergaser, sondern auch im Hintern, sucht man in Ferrari vergebens. Was hier ausbrennt, ist eine Liebe. Was hier mühsam am Glimmern erhalten wird, die Beziehung mit Shailene Woodley irgendwo abseits der Stadt in einer rustikalen Villa.

    Ferrari ist wie eine Momentaufnahme, der Auszug eines angekündigten Epos. In Wahrheit ein kleiner Film mit großem Egomanen, einem gelinde gesagt recht unsympathischen und auch unnahbaren Rationalisten, der in seinen Rennfahrern Werkzeuge sieht, mehr nicht. Gerade diese Gestalt dominiert in ausladender Prominenz, manchmal auch im Close Up, Michael Manns kühlen, enorm distanzierten Film, ohne seinem Publikum in irgendeiner Weise gefällig zu sein. Was muss Enzo Ferrari für ein Mensch gewesen sein? So ein harter Hund wie Adam Driver ihn darstellt? Womöglich, denn ohne über Leichen zu gehen erreicht man wohl kaum die schillernde Spitze eines weltumspannenden Erfolges, schon gar nicht im Rennsport. Michael Mann gelingt es allerdings nur teilweise, den öffentlichen Charakter zu durchbrechen. Es gelingt ihm auch nur teilweise, seine Beziehungsgeschichte mit randnotierter Unternehmenschronik so aufzubereiten, dass sie relevant genug erscheint.

    Nach dem Weglassen von Innovation und packendem Pioniergeist bleibt nur noch der Blick auf die nicht sehr tangierenden Mechanismen einer Betriebswirtschaft. Und schließlich hochfliegende Rennwägen, nachdem diese entweder die Kurve nicht bekommen oder gegen den Meilenstein donnern. Es scheint, als würde Ferrari nur darauf warten, den Asphalt endlich zum Glühen zu bringen. Um dann den Crash des Jahrhunderts zu inszenieren – und tatsächlich fegt Alfonso de Portagos Wagen durch die wenigen Zuschauer am Straßenrand in einer unzensierten Direktheit, die verstört. Was für Energien so ein Unfall freilässt, ist sagenhaft. Ich wünschte, diese Energie hätte sich auch auf den Rest des Films übertragen.

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    31.10.2023
    12:57 Uhr