LaRoy

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Forumseintrag zu „LaRoy“ von UR_000


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UR_000 (24.10.2023 22:07) Bewertung
Sich (nur einmal) wie eine Schönheitskönigin fühlen oder Der kleine Mann will hoch hinaus
Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Shane Atkinson führt das Publikum in seinem Langfilmdebüt „LaRoy“ in ein Kaff in Texas, das etwas in der Vergangenheit stecken geblieben zu sein scheint. Ähnlich geht es einigen der Protagonisten, die in dieser blutigen Krimikomödie aufeinandertreffen. Typische Loser, die auf der Stelle treten, nicht ernst genommen werden. Es sind Figuren, die nicht einmal in ihrem winzigen Kleinstadtleben wirklich erfolgreich, geschweige denn glücklich sind. Genau für diese Typen beginnt ein gefährliches Abenteuer, als einer davon, Ray, mit einem Killer verwechselt wird.

Das Geld des Auftraggebers lockt den braven Mann. Von der Ehefrau betrogen, und immer im Schatten des Bruders, ist er gerade dabei, seinem Leben ein Ende zu setzen. Da kommt der unerwartete Auftragsmord zur rechten Zeit. Es ist für Ray die Chance, seine schöne Stacy-Lynn zurückzuerobern. Diese Hoffnung treibt ihn an. Der kleine, unbedeutende Ray möchte endlich akzeptiert, respektiert, bejubelt und vielleicht sogar bewundert werden – wie seine Frau, die ehemalige Schönheitskönigin, und vor allem von seiner Frau. Es ist eher ein Stolpern als eine eigenmächtige Aktion, aber bald gibt es eine Leiche, die er entsorgen muss. (Und dabei bleibt es nicht.)

Doch Ray ist nicht der Einzige, dem nicht der notwendige Respekt von den Mitmenschen entgegengebracht wird. Möchtegern-Cowboy Skip verdingt sich als Privatdetektiv, der von der echten Polizei schikaniert wird, wo es nur geht. Einen Fall lösen, wie ein richtiger Detektiv, das ist sein Traum. Skip ergreift die Chance ebenso, denn hinter dem Auftragsmord wartet ein kriminalistisches Rätsel. Die beiden Loser müssen fortan zusammenarbeiten, mit hohem Einsatz. Und der echte Auftragskiller mischt bald ebenso mit.

Atkinsons Film wartet mit tiefschwarzem Humor, schrägen Figuren, dem Spiel mit amerikanischen Klischees und irren Wendungen auf. Es ist ein genauer Blick in die Seele von Menschen, die sich nach Bedeutung sehnen, zumindest nach etwas Anerkennung. Dafür nehmen sie großes Risiko auf sich. Der Film ist auch ein Porträt der Grausamkeiten einer Kleinstadt, mit kleinen Menschen, die besonders auf ihren Ruf achten (müssen). Hier bleibt nichts verborgen, wenn es nicht sorgsam geheim gehalten wird. Das Skript funktioniert auf allen Ebenen, erzählt seine Geschichte(n) mit viel Liebe zum Detail. Auch die Nebenfiguren dürfen zum Leben erwachen, bleiben nicht eigenschaftslos.

Bestechend agieren die beiden Hauptdarsteller. John Magaro („First Cow“, „Past Lives“) zeigt als Ray, wie es ist, an unterster Stelle zu stehen. Er sieht nicht besonders gut aus, hat keinen herausragenden Job, ist nicht reich und wird von seiner Frau betrogen. Dem gegenüber steht sein Bruder, der sozusagen das genaue Gegenteil von ihm ist. Immer wieder wird auf diese geschwisterliche Rivalität angespielt, bei der Ray deutlich im Nachteil ist. Bis ihn die Verwechslung aus seiner Komfortzone holt. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er versucht, sein Leben in die Hand zu nehmen. Zum Akteur zu werden, der nicht mehr alles einfach hinnimmt. Skip, sein unfreiwilliger Partner in Crime, ist ebenfalls eine Figur, die für Unterhaltung sorgt. Wenig glücklich in seinen Aktionen und mit fragwürdigem Modegeschmack geht er durch die Welt und sucht seinen Platz. Dieser fast traurig-schrägen Figur verleiht Steve Zahn („Happy,Texas“, „Joyride“, „The White Lotus“) die notwendige Würde. Skip ist zutiefst menschlich, weit mehr als ein Mittel für billige Parodie.
 
Das gesamte Ensemble harmoniert, auch viele der Nebenfiguren bekommen ihren Moment im Scheinwerferlicht. Genauso wie die Schauplätze: die enge Kleinstadt und das weite Land. Sie sind in die Geschichte(n) verwoben, bringen sie in Gang. Besonders eindrucksvoll zeigt das schon die Eingangsszene. Nachts bleibt ein Auto hängen, erst nach einiger Zeit kommt ein weiteres Fahrzeug vorbei. Aber einen Autostopper mitnehmen ist ein gefährliches Unterfangen. Allerdings könnte es genauso gefährlich werden, zu jemandem ins Auto zu steigen, den man nicht kennt. Der tiefschwarze Witz, mit dem der Dialog übers Autostoppen im Auto durchtränkt ist, unterhält köstlich. Eine grenzgeniale Szene, die viel verspricht.

„LaRoy“ hält das Tempo vom Beginn. Wendungen und hoher Einsatz von den Figuren sorgen für ein gutes Maß an Spannung. Vor allem besticht der Film durch die aberwitzigen Figuren, bissige Dialoge und manchmal fast irre Szenen. Das Kriminalrätsel ist dafür eher Hintergrund, der Weg zur Lösung viel wichtiger. Atkinsons Film macht von Anfang bis Ende Spaß, wenn man schwarzem Humor und ein wenig Gewalt nicht allzu negativ gegenübersteht. Diese wird zwar nicht glorifiziert, allerdings gibt es doch so einige Leichen bis zum Abspann.
 
 

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