20 Days in Mariupol

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Forumseintrag zu „20 Days in Mariupol“ von UR_000

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UR_000 (25.02.2024 10:31) Bewertung
Die Kraft der Bilder zur Dokumentation
Exklusiv für Uncut
Zerstörte Häuserblocks, Trümmer, Soldaten, Verletzte … – Bilder aus dem Krieg gegen die Ukraine, die um die Welt gehen. „20 Days in Mariupol“ beleuchtet die Hintergrundgeschichte vieler solcher Bilder, ihre Entstehung. Und geht viel weiter darüber hinaus.

Filmisches Tagebuch

Ein kleines Team an Journalisten entschließt sich zu Kriegsbeginn, im strategisch wichtigen Mariupol zu bleiben. Gefilmt wird, was rundherum geschieht. „20 Days in Mariupol“ dokumentiert also nicht nur die Erlebnisse der Berichterstatter, sondern auch die Geschichte einer Stadt und ihrer Bewohner*innen, die vom Kriegsgegner angegriffen werden, in einer Art Belagerung.

Wie der Titel vermuten lässt, werden die ersten 20 Tage im Kriegsgebiet Mariupol dokumentiert: das Leid, die Gefahr und die Notwendigkeit, die Bilder an die Medien zu schicken, was bald aufgrund von mangelnder Internetinfrastruktur schwieriger wird.

Wie der Kriegsbeginn erlebt wird

Schnell wird klar, dass die Beteuerungen Putins, keine zivilen Ziele zu attackieren, nicht der Wahrheit entsprechen. Die Kamera und damit das Journalistenteam folgt Menschen, die kein Zuhause haben, die sich gemeinsam verstecken, bangen oder Schlimmeres. Zuerst sind es nur die Häuser, die schwarz und ausgehöhlt sind …

Menschen in Isolation

Gleichzeitig wird die Kommunikation mit der Außenwelt bald fast unmöglich, Handys sind nur noch Taschenlampen. Licht ist wichtig und gut. In diesem Fall kann es nicht erleuchten: Informationen über die Lage des Landes oder Entwicklungen können kaum getauscht werden. Insofern ist „20 Days in Mariupol“ auch eine Dokumentation über Menschen in Isolation. Ein ebenso spannender Aspekt.

Hinschauen, filmen – zuschauen

Im Vordergrund stehen aber andere Auswirkungen des Krieges, um es euphemistisch auszudrücken. Immer wieder wird das Team aufgefordert, hinzuschauen, zu filmen. Zu zeigen, was passiert, es zu dokumentieren. Und wir als Publikum auch. Geschickt sind internationale Nachrichten eingewoben, die später genau diese Bilder verwenden, um über den Krieg zu berichten. „20 Days in Mariupol“ positioniert auch die Reaktionen russischer Medien auf solche Bilder dazwischen: Es sei ein Filmset, der Begriff Fake News fällt ebenso.

Verwackelte, nahe Bilder, aber kein fiktiver Found-Footage-Film

Ja, die Bilder aus den Krankenhäusern erinnern zu Beginn an bekannte Arztserien, zumindest am Anfang, wenn der Krieg noch etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt ist. Männer in Uniform, Kämpfer – typische Bilder aus Action-Filmen. Verlassene Häuser und leere Straßen lassen einen vielleicht an Horrorfilme denken. Aber „20 Days in Mariupol“ ist nichts davon. (Vielleicht realer Horror, das ist allerdings eine ethisch-philosophische Frage.)  Es ist eine Dokumentation über das Dokumentieren von Krieg.

Die Dokumentation zeigt schonungslos die Auswirkungen des Krieges. Nicht nur die physischen. Gedreht oft mit nervöser Handkamera, weil man schnell sein muss, um sich zu schützen.

Kein einfaches Zuschauer-Erlebnis

„20 Days in Mariupol“ ist kein Film, den man gerne anschaut. Denn die Kamera schaut nicht weg. Sie zeigt Bilder, die einen nicht loslassen, die nicht leicht zu verdauen sind. Und es ist keine künstlerisch inszenierte Gewalt, wie man sie aus Filmen kennt, rote Flecken kein Kunstblut.

Dass die Kamera sich auf die emotionalsten Momente stürzt, ist nicht ungewöhnlich, wenn auch nicht subtil. Ja, das ist Teil der Inszenierung, einer insgesamt spannenden Inszenierung.

Was die Bilder aus dem Krieg können? Den Krieg beenden? Nein, das ist wohl Wunschdenken. Und trotzdem hat das Hinschauen Kraft. Die Bilder zeigen her, erzählen bruchstückhaft die Geschichte von Menschen; vor und hinter der Kamera.
 
 

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