Indie Inside
Indie Inside: Joe Swanberg

Indie Inside: Joe Swanberg

Joe Swanberg macht schon seit zehn Jahren Independent-Filme. Und trotzdem kennt ihn niemand. Oder vielleicht gerade deswegen.
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von (Stadtneurotikerin)
Indie-Filme sind zwar noch nicht ganz mainstream geworden, erfreuen sich aber mittlerweile einem größeren Publikum. Wes Anderson ist längst kein Geheimtipp mehr, Woody Allen ist ohnehin seit Jahren schon intellektueller mainstream und Richard Linkalters „Boyhood“ scheint alle Bestenlisten des Filmjahres 2014 anzuführen.

Joe Swanberg macht aber nicht diese Art von massentauglichem Indie. Er macht nichtmal wirklich indie-tauglichen Indie. Während selbst schwer verdauliche Exzentriker wie Lars von Trier und Jim Jarmusch längst ihr Publikum gefunden haben, ist Swanberg immer noch auf der Suche und muss dabei scheinbar jedes Herz einzeln erobern.

Am Anfang seiner Karriere hatten Swanbergs Filme noch ein mehr als bescheidenes Budget von etwa 5000 Dollar. Microbudget nennt sich das und geht Hand in Hand mit Mumblecore, einem Subgenre des Independent-Film, bei dem Bild- und Tonqualität durch das geringe Budget in Mitleidenschaft gezogen werden, Amateur-Schauspieler ihr Improvisationstalent unter Beweis stellen und das ganze trotzdem eine anerkannte Kunstform ist, weil man dem Mumblecore einen erfrischenden Naturalismus unterstellen kann, der auch Joe Swanbergs Filme auszeichnet.

Eine dieser Amateur-Schauspielerinnen, die quasi Swanbergs erste Muse war und auch seine erste Schaffensperiode kennzeichnet, war Greta Gerwig, die bereits in seinem zweiten Film die Hauptrolle spielte und mit der er 2007 auch „Hannah Takes the Stairs“ drehte. Das war noch lang bevor Noah Baumbach sie entdeckte und sie zu „Frances Ha“ wurde. „Hannah Takes the Stairs“ ist ein Paradebeispiel eines Mumblecore-Films, in dem Greta Gerwig eine Praktikantin mimt, der es Spaß macht mit ihren zwei Kollegen im Büro zu flirten. Der Film ist nett, aber unbedeutend und verhalf Swanberg nicht gerade zu seinem Durchbruch.



Swanbergs bisher erfolgreichster Film „Drinking Buddies“ erschien 2013, hatte ein stolzes Budget von immerhin 500.000 Dollar und konnte auch mit ein paar bekannten Gesichtern, und zwar mit denen von Olivia Wilde, Jake Johnson und Anna Kendrick, punkten. Technisch liegen zwischen „Hannah takes the stairs“ und „Drinking Buddies“ Welten, aber auch inhaltlich beweist Swanberg inzwischen mehr Feingefühl. In „Drinking Buddies“ geht es um Kate und Luke, zwei Kollegen in einer Bierbrauerei, deren Freundschaft auf dem gemeinsamen Konsum von Alkohol beruht, und je betrunkener sie werden, desto attraktiver finden sie sich. Das Problem dabei ist, sie sind beide vergeben und dass sich Kate und Luke auch noch mögen, wenn sie wieder nüchtern sind, führt allmählich zu Gefühlsverwirrungen in ihren Beziehungen. Was klingt wie ein gezwungenes Liebesviereck, ist aber in der Tat ein lustig und fragil gespieltes, ehrliches Filmvergnügen.

Swanberg ist inzwischen erwachsen geworden, seine Charaktere aber immer noch nicht. Sie sind alle Twentysomethings, die sich lieber betrinken als sich den Komplikationen des Erwachsenwerdens zu stellen, lieber spontan und lustig sind, als permamente Entscheidungen zu treffen. Luke in „Drinking Buddies“ macht etwa lieber mit der abenteuerlichen Kate Bars unsicher, als nach Hause zu gehen, wo seine langjährige Freundin wartet und bereit ist, mit ihm den Rest ihres gemeinsamen Lebens zu planen. Kate kommt Jakes Flucht vor dem Ernst des Lebens gelegen, denn auch ihr graut es davor, sich nüchtern über ihre Zukunft Gedanken machen zu müssen und so wird getrunken, bis selbst dem Zuschauer schlecht ist.

Sein neuester Film „Happy Christmas“, der gerade erst auf der Viennale lief, ist zumindest technisch wieder ein Rückschritt. Swanberg setzt wieder auf das, was er zu Beginn seiner Karriere zu seiner Signatur gemacht hat: low budget, improvisierte Dialoge, verwackelte Kamera, Hintergrundgeräusche. All das was eben als „indie“ verschrien ist, sich heutzutage aber kaum jemand mehr traut, seinem Publikum zuzumuten.



Trotz des irreführenden Titels, hat der Film kaum etwas mit Weihnachten zu tun. Es geht um Jenny (gespielt von Anna Kendrick), die gerade unter Herzschmerz leidet und diesen mit Hochprozentigem zu betäuben versucht. Da aber der passendere Filmtitel „Drinking Buddies“ schon vergriffen war, wurde der Film nach der Jahreszeit benannt, in der er spielt.

Was wieder klingt, als hätte sich Swanberg an inhaltlichen Klischees bedient, ist ein durchaus gelungener Film über das was Swanberg scheinbar sehr beschäftigt, das Erwachsenwerden. Dazu stellt er die verantwortungslose Jenny ihrem großen Bruder Jeff gegenüber, der als Familienvater mit beiden Beinen fest im Leben steht. Während dieser versucht, ihr unter die Arme zu greifen, macht Jenny lieber Party mit alten Freunden oder raucht Gras mit Jeffs Babysitter. Dabei entsteht aber nichts Neues, nichts was in „Drinking Buddies“ noch nicht da war. Swanberg versagt etwas dabei, sich selbst zu überraschen und eben auch dabei seine Zuschauer zu überraschen.

Seit er Anna Kendrick für sich entdeckt hat, genießt er zwar ein größeres Publikum, aber keines, das seine Filme zu schätzen weiß. Kendrick, die mit Filmen wie „Pitch Perfect“ und „Twilight“ bekannt und zu Everybody’s Darling geworden ist, hat mittlerweile eine breite, mainstream-geschulte Fanbase, aber eben nicht unbedingt eine, die Swanberg für sich verwerten kann. Also geht die Suche nach dem richtigen Publikum hoffnungsvoll weiter. So schwer kann es wohl nicht sein, ein paar Leute zu finden, die Angst vor dem Erwachsenwerden haben.
Die Autorin
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Stadtneurotikerin


Forum

  • vom swanberglosen Gehirnacrobaten

    Der jetzt zum Leseneurotiker mutiert ist und dessen Neugier nun auf den swanbergschen Streifen fixiert ist.Ausgezeichneter stadtneurotischer Streifzu durch das Werden von Swanberg.
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    06.01.2015, 20:47 Uhr
  • Silver Bullets

    Ich habe bisher erst einen Film von Joe Swanberg gesehen, nämlich „Silver Bullets“ auf der Viennale. Joe Swanberg war damals selbst in Wien im Kino und hat beim Publikumsgespräch auch das zugegeben, was sehr passend in deinem Artikel steht und was ich nur bestätigen kann: Das seine Filme nicht jedermanns Sache sind selbst unter Indie-Fans.

    Mir hat der Film damals ehrlich gesagt nicht sonderlich gefallen, nachdem es aber mein vierter Film des Tages und noch dazu die Spätvorstellung war, kann das natürlich auch teilweise am Zuseher (als mir) liegen. Das Plakat zum Film war aber zumindest sehr gelungen.
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    02.01.2015, 12:07 Uhr