Filmkritik zu Fair Play

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Viel Lärm um nichts

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    „Fair Play“ ist eine Finanzthriller-Beziehungsgroteske von Chloe Domont und ihr erster Langfilm. Sie erzählt die Geschichte von Emily und Luke, zwei Karrieristen bei einem erfolgreichen Hedgefond-Unternehmen, die eine geheime Affäre miteinander haben und was passiert, als ein hochrangiger Mitarbeiter der Firma gefeuert wird und Emily dessen Job bekommt….

    Zunächst mal: Es gibt Filme, die haben ganz wunderbare Anfangsszenen. Diese Szenen sind so gut, dass man sich mit einem ungeheuer wohlwollenden Gefühl im Kinosessel zurücklehnt und sich auf alles weitere freut. Ein Beispiel wäre das grandiose Intro von „The Royal Tenenbaums“, in denen drei Jahrzehnte Familiengeschichte, unterlegt mit „Hey Jude“ von den Beatles, dem Publikum in ein paar bezaubernden Minuten nahegebracht werden. Oder Marcello Mastroianni in Fellinis „8 ½“, der einem Verkehrstau transzendiert. Genial auch der erste Dialog in „Reservoir Dogs“, wo richtig hartgesottene Profikiller, über die Lyrics von Madonnas „Like a Virgin“ philosophieren: singt sie über Liebe oder Sex? Es ist so gut.

    Damit kann „Fair Play“ nicht nur nicht mithalten, was verzeihlich wäre, die Eröffnungsszene ist aber leider nicht nur durchschnittlich, sondern richtig verunglückt. Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) sind nämlich auf einer Hochzeit eingeladen und widmen sich einander ausführlich in der Gästetoilette, als genau in diesem Moment Emilys Menstruation beginnt und sie Luke und ihr Kleid vollblutet. Ich habe mich schon bei Jeffrey Eugenides Roman „Die Korrekturen“ geärgert, dass er das Einsetzen der Menstruation einer Frau quasi als Massaker schildert, aber gut, er ist ein Mann; er hätte sich erkundigen können, hat er halt nicht. Aber bei „Fair Play“ führt eine Frau Regie. Wie kann sie das so inszenieren? Und warum muss Emily dann noch ein beiges Kleid tragen? Und wie kann man als Frau mit etwas Körpergefühl von durchaus regelmäßigen physiologischen Vorgängen so überrascht werden?

    Es bleiben leider nicht die einzigen Ungereimtheiten. Emily und Luke haben also als Arbeitskollegen eine Beziehung, wohnen sogar zusammen, aber in der Firma nimmt keiner Notiz davon; es ist schon etwas merkwürdig, dass die Kolleg*innen nie etwas von der Spannung spüren, die zwischen ihnen herrscht – schließlich ist es ein Büro, in dem 60 Stunden und mehr gearbeitet wird, aber soll sein. Dass aber niemandem aus der HR-Abteilung auffällt, dass die beiden rein zufällig die gleiche Wohnadresse haben, ist doch sehr sonderbar. Noch bemerkenswerter ist allerdings das Gerede über Luke, als der Vorgesetzte gefeuert wird: Luke, so munkeln die Kollegen, wird der Nachfolger werden. Wie kann so ein Gerücht zustande kommen, wenn Emily, die schließlich befördert wird, direkt im Anschluss von ihren Chefs erfährt, wie unzufrieden alle mit Lukes Arbeit sind und, dass sie hoffen, dass er von selbst die Firma verlässt und das lieber heute als morgen.

    Alles weitere, das in diesem Film noch passiert, ist ähnlich unplausibel, gewollt und auch wenig authentisch. Niemals spürt man, was Emily und Luke verbindet, ihre Beziehung erschließt sich dem Zuseher nicht und auch Lukes Eifersucht auf ihren Erfolg, der seinen Misserfolg bedeutet, ist so generisch, dass kein Erkenntnisgewinn aus feministischer Perspektive geortet werden kann. Die Welt des Hedgefonds-Managements wurde ebenfalls aus eher beliebigen Versatzstücken der Investmentbranche gezimmert: Mächtige weiße Männer, viel Alkohol, Sexismus, cholerische Anfälle bei Kurseinbruch und so weiter. Phoebe Dynevor kämpft zumindest vorbildlich mit den Stereotypen ihrer Rolle und den sperrigen Dialogen, während man Alden Ehrenreich den Luke nicht einmal im Ansatz abkauft.

    Je länger der Film dauert, umso anstrengender wird er. Und alles mündet schließlich in einem an verstörender Skurrilität kaum zu überbietendem Finale. Allerdings sind dem Zuseher zu diesem Zeitpunkt die Protagonist*innen und ihr Schicksal schon längst egal geworden. Ein Hochglanz-Fiasko.
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    (Heidi Siller)
    04.02.2023
    20:30 Uhr
    Autorin der monatlichen Kolumne „Heidi@Home“ rund ums Thema „Fernsehserien“.