Filmkritik zu Lucky

Bilder: Polyfilm Fotos: Polyfilm
  • Bewertung

    „Always alone, never lonely“

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    In „Lucky“ setzt sich der gleichnamige Protagonist, welcher von Harry Dean Stanton verkörpert wird, mit den großen Fragen des Lebens auseinander. Der hochkarätig besetzte Film ist zugleich das Regiedebüt von John Carroll Lynch, welcher bei der Filmsichtung im Gartenbaukino in Wien selbst anwesend war und bislang hauptsächlich als Schauspieler Erfolge feierte, als auch der Abschied von einem wahren Urgestein Hollywoods: Harry Dean Stanton. Denn erst vor Kurzem starb der Schauspieler, der seit über 60 Jahren in zahlreichen Neben-, seltener Hauptrollen, im TV und in Kinofilmen zu sehen war im Alter von 91 Jahren und somit als Stammgast durch die Lichtspielhäuser und Wohnungen der Welt zog. Stanton arbeitete für und mit den Größten der Großen im Filmbusiness, wie Alfred Hitchcock, Ridley Scott, Martin Scorsese und David Lynch, um nur einige wenige zu nennen, und wurde so selbst zu einem elementaren Bestandteil der Filmgeschichte. Häufig traf man auf Harry Dean Stanton als Antagonist in Western-Movies. Mit „Lucky“ kehrt er zurück in die Wüstenlandschaften des Wilden Westen, jedoch lernt man ihn dieses Mal von einer ganz anderen Seite kennen. Der hochbejahrte Mann, der von allen Lucky genannt wird, lebt in einer kleinen Wüstenstadt im Südwesten der USA und bestreitet scheinbar sorglos seinen immer gleichen, fast schon eintönig wirkenden Alltag. Eine ausgiebige Katzenwäsche, gefolgt von Kaffee und Yogaübungen sind seine morgendlichen Rituale. Danach geht es zum Rundgang in die Kleinstadt, wo er seine Einkäufe erledigt, im Diner Kreuzworträtsel löst und abends in der immer gleichen Bar einen Bloody Mary trinkt und mit denselben Menschen Tag ein Tag aus über die wichtigen und unwichtigen Themen des Lebens philosophiert. Doch ein kleiner Sturz in den eigenen vier Wänden führt Lucky seine Sterblichkeit vor Augen, weshalb er in einem Selbstfindungsprozess nach Möglichkeiten ersucht dieser Vergänglichkeit des Lebens angemessen entgegenzutreten.

    Genau wie seine Rolle Lucky war auch Hauptdarsteller Harry Dean Stanton im zweiten Weltkrieg bei der US-Navy und auch sonst weist er viele Gemeinsamkeiten mit seiner Filmrolle auf, weshalb Stanton sich nicht nur als die perfekte Besetzung herauskristallisiert, sondern eine Umsetzung des Films in dieser Weise ohne ihn unmöglich gewesen wäre. Sein Schauspiel ist extrem authentisch und mit einer Mühelosigkeit umgesetzt, wie es wohl kein anderer an dieser Stelle hätte besser machen können. Der Regisseur John Carroll Lynch beweist sein Können, obwohl es für den Schauspieler Neuland ist, indem er Stanton perfekt in Szene setzt und seine hervorragende Schauspielleistung durch diverse Close-Ups unterstreicht und intensiviert. John Carroll Lynch schafft es das Thema der Sterblichkeit mit einer gehörigen Portion Humor und Witz zu schmücken und dabei trotzdem nicht über das Ziel hinauszuschießen. Er selbst beschreibt seinen Film im Publikumsgespräch als einen „odd mix“, wie es ihn so noch nicht gegeben hat. Das Durchbrechen der vierten Wand am Ende des Films, also der letzte Blick in die Kamera von Lucky, bzw. Harry Dean Stanton – die Grenzen sind hier fließend – bescherte den zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern im Gartenbaukino einen Gänsehautmoment, wie er schöner nicht hätte sein können. Mit dem Wissen, dass Stanton inzwischen verstorben ist, fällt dieser an die Zuschauerinnen und Zuschauer adressierte Blick noch eindringlicher aus und bringt eine nachhallende Wirkung mit sich.
    littlesusanshine_c51e293590.jpg
    (Susan Häußermann)
    20.10.2017
    12:08 Uhr