2 Einträge
6 Bewertungen
85.8% Bewertung
  • Bewertung

    H.D.S. geht

    Schön, dass es noch solche Filme Off Mainstream gibt!
    Bevor der Hauptdarsteller Harry Dean Stanton verstarb, hat ihm Regisseur John Carroll Lynch ein Denkmal gesetzt. Beachtlich für ein Regiedebüt. Ein stimmungsvolles, leises Feel-Good Movie. Lucky ist alt, aber nicht einsam. Trotzdem hat er die Altersangst im Hinterkopf und setzt sich mit ihr auseinander. All das passt zu Lucky wie der Cowboy Hut zu den Stiefeln und sein Feinripp total zu seinem Outfit. Das verschlafene Nest in der Wüstenlandschaft voller Kakteen bildet den Rahmen. Hier ist der Diner das zweite Zuhause. Jeder kennt jeden und sagt ihm offen ins Gesicht, was ihm am anderen missfällt.(‘Du bist ein Nichts.‘) Die Wirtin führt ein strenges Regiment mit Herz. Ihr Mann Paulie (James Darren) sitzt am Tresen: ‘Das ist nicht mein Mann. Ich bin seine Frau!‘
    Lucky findet Gelegenheit mit den Stammgästen über Gott und die Welt zu philosophieren. Ein prominenter Gast ist David Lynch als Howard. Ihm ist seine Landschildkröte Roosevelt weggelaufen. Auch über deren Motive lässt sich herrlich parlieren. Die Regie hat Roosevelt am Anfang und am Ende durch die Kakteenlandschaft gemächlich kriechen lassen. Als der Anwalt Bobby Lawrence (Ron Livingston), Howard das Geld aus der Tasche ziehen will, sieht er sich mit Luckys Forderung konfrontiert, ihn doch nach draußen zu begleiten. Paulie kann Lucky überreden, Bobby in Frieden ziehen zu lassen. Ein weiterer Promi ist Tom Skerritt, der mit Lucky Kriegserinnerungen austauscht.
    Die Gleichförmigkeit der Handlung ist ein Merkmal des Films. Die menschliche Wärme wirkt wie die ständig scheinende Sonne in der Gegend. Und der an sich durch seine Wortkargheit bekannt gewordene Harry Dean Stanton redet hier für seine Verhältnisse recht viel. Er trägt das Ganze und bekommt einen würdevollen Abgang. ‘So Long‘ H.D.S.
    8martin_ea7f49f0f3.jpg
    08.02.2019
    21:34 Uhr
  • Bewertung

    „Always alone, never lonely“

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    In „Lucky“ setzt sich der gleichnamige Protagonist, welcher von Harry Dean Stanton verkörpert wird, mit den großen Fragen des Lebens auseinander. Der hochkarätig besetzte Film ist zugleich das Regiedebüt von John Carroll Lynch, welcher bei der Filmsichtung im Gartenbaukino in Wien selbst anwesend war und bislang hauptsächlich als Schauspieler Erfolge feierte, als auch der Abschied von einem wahren Urgestein Hollywoods: Harry Dean Stanton. Denn erst vor Kurzem starb der Schauspieler, der seit über 60 Jahren in zahlreichen Neben-, seltener Hauptrollen, im TV und in Kinofilmen zu sehen war im Alter von 91 Jahren und somit als Stammgast durch die Lichtspielhäuser und Wohnungen der Welt zog. Stanton arbeitete für und mit den Größten der Großen im Filmbusiness, wie Alfred Hitchcock, Ridley Scott, Martin Scorsese und David Lynch, um nur einige wenige zu nennen, und wurde so selbst zu einem elementaren Bestandteil der Filmgeschichte. Häufig traf man auf Harry Dean Stanton als Antagonist in Western-Movies. Mit „Lucky“ kehrt er zurück in die Wüstenlandschaften des Wilden Westen, jedoch lernt man ihn dieses Mal von einer ganz anderen Seite kennen. Der hochbejahrte Mann, der von allen Lucky genannt wird, lebt in einer kleinen Wüstenstadt im Südwesten der USA und bestreitet scheinbar sorglos seinen immer gleichen, fast schon eintönig wirkenden Alltag. Eine ausgiebige Katzenwäsche, gefolgt von Kaffee und Yogaübungen sind seine morgendlichen Rituale. Danach geht es zum Rundgang in die Kleinstadt, wo er seine Einkäufe erledigt, im Diner Kreuzworträtsel löst und abends in der immer gleichen Bar einen Bloody Mary trinkt und mit denselben Menschen Tag ein Tag aus über die wichtigen und unwichtigen Themen des Lebens philosophiert. Doch ein kleiner Sturz in den eigenen vier Wänden führt Lucky seine Sterblichkeit vor Augen, weshalb er in einem Selbstfindungsprozess nach Möglichkeiten ersucht dieser Vergänglichkeit des Lebens angemessen entgegenzutreten.

    Genau wie seine Rolle Lucky war auch Hauptdarsteller Harry Dean Stanton im zweiten Weltkrieg bei der US-Navy und auch sonst weist er viele Gemeinsamkeiten mit seiner Filmrolle auf, weshalb Stanton sich nicht nur als die perfekte Besetzung herauskristallisiert, sondern eine Umsetzung des Films in dieser Weise ohne ihn unmöglich gewesen wäre. Sein Schauspiel ist extrem authentisch und mit einer Mühelosigkeit umgesetzt, wie es wohl kein anderer an dieser Stelle hätte besser machen können. Der Regisseur John Carroll Lynch beweist sein Können, obwohl es für den Schauspieler Neuland ist, indem er Stanton perfekt in Szene setzt und seine hervorragende Schauspielleistung durch diverse Close-Ups unterstreicht und intensiviert. John Carroll Lynch schafft es das Thema der Sterblichkeit mit einer gehörigen Portion Humor und Witz zu schmücken und dabei trotzdem nicht über das Ziel hinauszuschießen. Er selbst beschreibt seinen Film im Publikumsgespräch als einen „odd mix“, wie es ihn so noch nicht gegeben hat. Das Durchbrechen der vierten Wand am Ende des Films, also der letzte Blick in die Kamera von Lucky, bzw. Harry Dean Stanton – die Grenzen sind hier fließend – bescherte den zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauern im Gartenbaukino einen Gänsehautmoment, wie er schöner nicht hätte sein können. Mit dem Wissen, dass Stanton inzwischen verstorben ist, fällt dieser an die Zuschauerinnen und Zuschauer adressierte Blick noch eindringlicher aus und bringt eine nachhallende Wirkung mit sich.
    littlesusanshine_c51e293590.jpg
    20.10.2017
    12:08 Uhr