Bilder: Sony Pictures Fotos: Sony Pictures
  • Bewertung

    Zuerst kommt eine Gelegenheit, dann der Verrat

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Alles was irgendwann mal cool war, muss recycelt werden. Auch Trainspotting wurde nicht verschont. Zum Glück – den „T2 Trainspotting“ ist eine Fortsetzung, die Fans nicht enttäuschen wird und ins Herz trifft, wie eine Nadel in die Vene.

    Niemand von uns hat erwartet, dass aus den Jungs in Trainspotting irgendwann mal etwas wird. Eigentlich sind wir überrascht, dass sie alle noch am Leben sind. Spud hängt zwanzig Jahre später immer noch an der Nadel, Sick Boy nennt sich jetzt Simon und hat Heroin gegen Koks und Nutten getauscht und Bagbie ist selbst im Gefängnis noch eine Gefahr für andere und für sich selbst. Einzig Renton hat es geschafft. Er lebt das kleinbürgerliche, spießige Leben, über das er sich vor zwanzig Jahren noch lustig gemacht hat. Er hat Ja zum Leben gesagt. Trotzdem holt ihn die Midlife-Crisis als erstes ein. Oder vielleicht auch deswegen - gehört sie doch zum guten, bürgerlichen Leben eines weißen Mannes. Von seiner persönlichen Krise getrieben, beschließt er, das erste Mal seit zwei Jahrzehnten wieder seinen Fuß auf schottischen Boden zu setzten und kehrt zurück nach Edinburgh. Und damit setzt die zweite „Trainspotting“-Erzählung nahtlos da fort, wo der erste Teil aufgehört hat. Zwanzig Jahre sind vorübergegangen und dennoch hat niemand der Jungs das Ende das ersten Films (wir erinnern uns, Renton hat seine Freunde verraten und ist mit 16.000 Pfund abgehauen) verarbeitet. Alle drei, Sickboy, Renton und Begbie sehen Rentons Verrat als den Grund (oder Ausrede), wieso sie so viele Jahre später immer noch ein miserables Leben führen. Dementsprechend freut sich niemand über Rentons Rückkehr und schnell wird klar, T2 Trainspotting will sich als Rachefilm präsentieren, denn Rentons Verrat aus dem ersten Teil kann nicht ohne Folgen bleiben.

    Doch die Flamme der Rache wird bald unter einem Mantel der Nostalgie erstickt. Danny Boyle selbst sagte in der Pressekonferenz „Nostalgia is either your source or your enemy.“ Und er hat es tatsächlich geschafft, Nostalgie zu seiner schöpferischen Quelle zu machen, die aber nicht so sehr dem ersten Teil, sondern der Jungend der Charaktere des ersten Teils hinterhertraut. In einer Szene bezeichnet Simon Renton als Tourist in seiner eigenen Jugend und genau so dürfte sich auch das Publikum beim Schauen fühlen. Boyle macht einige Collagen aus dem jungen und dem gegenwärtigen Renton, etwa wie sie beide im seinem alten Zimmer stehen. Die Collagen machen sich stilistisch richtig gut und berühren mehr, als es klassische Rückblenden tun würden (obwohl es auch diese gibt, allerdings führen die uns ganz ins Kindesalter von Renton zurück). Der Stil des Films ist aber dennoch größtenteils am ersten angelehnt: viele, schnelle Schnitte, Aufnahmen, die einen schwindelig machen und gekonnt einen Rausch imitieren. Und dennoch war es Boyle scheinbar wichtig, dem Film einen neuen, frischen Touch zu verleihen, in dem er Stilmittel (wie eben Collagen) einzubaut, die wir so vom ersten Teil noch nicht kannten.

    Dasselbe Prinzip schlägt sich auch im Soundtrack nieder. Trainspotting ohne Iggy Pops Lust for Life oder ohne Underworlds Born Slippy wären undenkbar, war der Soundtrack des ersten Teils mindestens genauso populär wie der Film selbst. Auch in T2 fehlen diese Lieder nicht, jedoch hat Underworld ihren Song für den Film neu interpretiert und The Prodigy Lust for Life remixed. Damit wird auch die Musik im Film dazu instrumentalisiert, Nostalgie in uns auszulösen und es funktioniert ganz wunderbar.

    Besonders schön inszeniert sind auch die jeweils ersten Begegnungen zwischen Renton und seinen alten Freunden: emotional und spannend zugleich. Die aufgestaute Wut der Charaktere bricht hervor, trotzdem kann niemand das Gefühl der gemeinsamen Vergangenheit abschütteln. Man bleibt wohl doch für immer Blutsbrüder, wenn man sich einmal eine Nadel geteilt hat.

    Heroin hat diesmal nur eine kleine Nebenrolle. Es ist zwar nicht wegzudenken von Trainspotting, spielt aber inzwischen keine große Rolle mehr im Leben der Protagonisten, mit Ausnahme von Spud und selbst der ist fast den ganzen Film über auf Entzug. Leider auch nur kleine Nebenrollen spielen alle weiblichen Charaktere, die zur Großartigkeit des ersten Films beigetragen haben. Sherley Henderson und Kelly McDonald kommen zwar beide vor, aber nur sehr kurz. Stattdessen bekommen die Jungs eine neue Frau, gespielt von der bulgarischen Newcommerin Anjela Nadyalkova, die ihr Testosteron aktiviert und ihr Leben aufmischt.

    Es ist schön, das gesamte Team um Ewan McGregor wieder gemeinsam auf der Leinwand zu sehen in einer nostalgisch gefühlten, aber dennoch originellen Story (übrigens eine abgeänderte Version von Irvine Welshs Roman „Porno“). Danny Boyle kann uns stolz ein weiteres Kapitel von Trainspotting liefern, das zumindest Fans nicht enttäuschen wird. Den ersten Film gesehen zu haben, ist nicht zwingend nötig, da die Handlung sehr eigenständig ist, dennoch wäre es sehr ratsam, denn ansonsten prallt die ganze schöne Nostalgie an einem ab und gerade diese bereitet uns dieses warme, glückliche Gefühl, das sich ein bisschen wie Heroin anfühlen muss.
    stadtneurotikerin_948f8a00d1.jpg
    (Marina Ortner)
    13.02.2017
    12:21 Uhr
    Meine Top-Filme: