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17 Bewertungen
80.3% Bewertung
  • Bewertung

    Gelungen & stilsicher

    War diese Fortsetzung nötig? Nein.
    Sollten wir froh sein, dass sie gemacht wurde? Auf jeden Fall!
    Danny Boyle schafft es mit Leichtigkeit zum Stil des Originals zurückzukehren, das Medium Film für einprägsame, stimmige Bilder zu nutzen und seine Darsteller zu wunderbaren Leistungen zu bringen. Diese Fortsetzung ist rundherum harmonisch, sowohl in sich als auch in Referenz zu Teil eins. Es gibt mehr Einstellungen, die Anspielungen oder gar Wiederholungen aus dem ersten Film sind, als ich dachte, aber keine davon wirkt störend aufgesetzt, sondern alle haben Berechtigung und mehr als nur nostalgischen Wert.
    Die Heftigkeit von Teil eins wird nie so ganz erreicht, aber dann befinden wir uns ja auch in einer neuen Lebensphase der Charaktere, also passt das gut. Viele Momente sind wirklich perfekt, nur im letzten Drittel lässt das Pacing etwas nach, was durchaus schade ist.
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    15.03.2017
    09:05 Uhr
  • Bewertung

    Stilistisch geniale Fortsetzung einer Geschichte, die diese nicht nötig gehabt hätte

    Auch weil ich den ersten Film aufgrund seiner fesselnden Vorkommnisse und Abgründe mehrmals schaute, blickte ich mit Vorfreude auf den Film. Doch wie bei so vielen Fortsetzungen fragte ich mich auch, ob denn ein weiterer Teil wirklich notwendig wäre. Die Geschichte des ersten Films war eindeutig abgeschlossen und hat in sich schlüssig so aufgewühlt, dass wohl viele Zuschauer des ersten Films ihn einfach mehrmals schauen mussten. Und so hatte ich auch ein wenig Angst vor einem bloßen Remake, ohne dass man der intrinsischen Schlüssigkeit oder dem Schockieren des Klassikers in der kleinsten Weise genüge würde.

    Doch wie sich herausstellte, wurde eben dies gar nicht versucht. Der Film steht für sich, und es wurde die Geschichte fortgesponnen, ohne die Absicht, den Zuschauer im Gewohnten einzulullen. Neu hinzu gekommen ist die Nostalgie. So sehr die Protagonisten auch versuchten, ein neues Leben zu beginnen oder wenigstens ihr altes auf die Reihe zu kriegen, so wurde dieser kleine Freundeskreis und letztlich dieses Inselvölkchen wieder zu einem großen Anziehungspunkt. So wie einen die Erinnerung eben nicht loslässt, lassen sich diese ehemaligen Freunde ebenfalls nicht mehr los und bleiben kleben, wie die Erinnerung an alte Zeiten.

    Während mich diese Art der Fortsetzung der Geschichte wahrscheinlich noch nicht zu einem positiven Kommentar getrieben hätte, machten die stilistischen Mittel dies wieder wett. Der Film hat so viele gute Stilmittel, die einen direkt in verschiedene Stimmungsladen ballern, dass es nur so dröhnt. Da fesselt sogar die letzte Sequenz des Films, die nahtlos in eine umgekehrte "Vom Tunnel ins Licht"-Erfahrung übergeht. Auch die Musik ist dröhnend-fetzig und alt, wie auch die Charaktere geworden sind. Die einzelnen Charaktere und Konstellationen bekamen auch ihre eigenen Kameraperspektiven und -Schwankungen spendiert, was wirklich eine super Kulisse ausmacht.

    Der Film hat mir super gefallen und würde ihn jedem Fan des ersten Teils empfehlen, doch auch nach dem erneuten Eintritt in die feinstaubige Grazer Luft blieb ein leises Gefühl, dass man diese Fortsetzung nicht gebraucht hätte. Eine lohnende Kinoerfahrung, doch merke ich immer wieder, dass ich kein Fan von Fortsetzungen werde, seien sie noch so gut gemacht.
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    12.03.2017
    14:46 Uhr
  • Bewertung

    Zuerst kommt eine Gelegenheit, dann der Verrat

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Alles was irgendwann mal cool war, muss recycelt werden. Auch Trainspotting wurde nicht verschont. Zum Glück – den „T2 Trainspotting“ ist eine Fortsetzung, die Fans nicht enttäuschen wird und ins Herz trifft, wie eine Nadel in die Vene.

    Niemand von uns hat erwartet, dass aus den Jungs in Trainspotting irgendwann mal etwas wird. Eigentlich sind wir überrascht, dass sie alle noch am Leben sind. Spud hängt zwanzig Jahre später immer noch an der Nadel, Sick Boy nennt sich jetzt Simon und hat Heroin gegen Koks und Nutten getauscht und Bagbie ist selbst im Gefängnis noch eine Gefahr für andere und für sich selbst. Einzig Renton hat es geschafft. Er lebt das kleinbürgerliche, spießige Leben, über das er sich vor zwanzig Jahren noch lustig gemacht hat. Er hat Ja zum Leben gesagt. Trotzdem holt ihn die Midlife-Crisis als erstes ein. Oder vielleicht auch deswegen - gehört sie doch zum guten, bürgerlichen Leben eines weißen Mannes. Von seiner persönlichen Krise getrieben, beschließt er, das erste Mal seit zwei Jahrzehnten wieder seinen Fuß auf schottischen Boden zu setzten und kehrt zurück nach Edinburgh. Und damit setzt die zweite „Trainspotting“-Erzählung nahtlos da fort, wo der erste Teil aufgehört hat. Zwanzig Jahre sind vorübergegangen und dennoch hat niemand der Jungs das Ende das ersten Films (wir erinnern uns, Renton hat seine Freunde verraten und ist mit 16.000 Pfund abgehauen) verarbeitet. Alle drei, Sickboy, Renton und Begbie sehen Rentons Verrat als den Grund (oder Ausrede), wieso sie so viele Jahre später immer noch ein miserables Leben führen. Dementsprechend freut sich niemand über Rentons Rückkehr und schnell wird klar, T2 Trainspotting will sich als Rachefilm präsentieren, denn Rentons Verrat aus dem ersten Teil kann nicht ohne Folgen bleiben.

    Doch die Flamme der Rache wird bald unter einem Mantel der Nostalgie erstickt. Danny Boyle selbst sagte in der Pressekonferenz „Nostalgia is either your source or your enemy.“ Und er hat es tatsächlich geschafft, Nostalgie zu seiner schöpferischen Quelle zu machen, die aber nicht so sehr dem ersten Teil, sondern der Jungend der Charaktere des ersten Teils hinterhertraut. In einer Szene bezeichnet Simon Renton als Tourist in seiner eigenen Jugend und genau so dürfte sich auch das Publikum beim Schauen fühlen. Boyle macht einige Collagen aus dem jungen und dem gegenwärtigen Renton, etwa wie sie beide im seinem alten Zimmer stehen. Die Collagen machen sich stilistisch richtig gut und berühren mehr, als es klassische Rückblenden tun würden (obwohl es auch diese gibt, allerdings führen die uns ganz ins Kindesalter von Renton zurück). Der Stil des Films ist aber dennoch größtenteils am ersten angelehnt: viele, schnelle Schnitte, Aufnahmen, die einen schwindelig machen und gekonnt einen Rausch imitieren. Und dennoch war es Boyle scheinbar wichtig, dem Film einen neuen, frischen Touch zu verleihen, in dem er Stilmittel (wie eben Collagen) einzubaut, die wir so vom ersten Teil noch nicht kannten.

    Dasselbe Prinzip schlägt sich auch im Soundtrack nieder. Trainspotting ohne Iggy Pops Lust for Life oder ohne Underworlds Born Slippy wären undenkbar, war der Soundtrack des ersten Teils mindestens genauso populär wie der Film selbst. Auch in T2 fehlen diese Lieder nicht, jedoch hat Underworld ihren Song für den Film neu interpretiert und The Prodigy Lust for Life remixed. Damit wird auch die Musik im Film dazu instrumentalisiert, Nostalgie in uns auszulösen und es funktioniert ganz wunderbar.

    Besonders schön inszeniert sind auch die jeweils ersten Begegnungen zwischen Renton und seinen alten Freunden: emotional und spannend zugleich. Die aufgestaute Wut der Charaktere bricht hervor, trotzdem kann niemand das Gefühl der gemeinsamen Vergangenheit abschütteln. Man bleibt wohl doch für immer Blutsbrüder, wenn man sich einmal eine Nadel geteilt hat.

    Heroin hat diesmal nur eine kleine Nebenrolle. Es ist zwar nicht wegzudenken von Trainspotting, spielt aber inzwischen keine große Rolle mehr im Leben der Protagonisten, mit Ausnahme von Spud und selbst der ist fast den ganzen Film über auf Entzug. Leider auch nur kleine Nebenrollen spielen alle weiblichen Charaktere, die zur Großartigkeit des ersten Films beigetragen haben. Sherley Henderson und Kelly McDonald kommen zwar beide vor, aber nur sehr kurz. Stattdessen bekommen die Jungs eine neue Frau, gespielt von der bulgarischen Newcommerin Anjela Nadyalkova, die ihr Testosteron aktiviert und ihr Leben aufmischt.

    Es ist schön, das gesamte Team um Ewan McGregor wieder gemeinsam auf der Leinwand zu sehen in einer nostalgisch gefühlten, aber dennoch originellen Story (übrigens eine abgeänderte Version von Irvine Welshs Roman „Porno“). Danny Boyle kann uns stolz ein weiteres Kapitel von Trainspotting liefern, das zumindest Fans nicht enttäuschen wird. Den ersten Film gesehen zu haben, ist nicht zwingend nötig, da die Handlung sehr eigenständig ist, dennoch wäre es sehr ratsam, denn ansonsten prallt die ganze schöne Nostalgie an einem ab und gerade diese bereitet uns dieses warme, glückliche Gefühl, das sich ein bisschen wie Heroin anfühlen muss.
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    13.02.2017
    12:21 Uhr