Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Inszenierte Vergangenheit

Kobergs Klarsicht: Inszenierte Vergangenheit

Wie die Medien der Gegenwart mit Geschichten aus der Vergangenheit umgehen, prägt unser Bild der Welt.
derkoberg_e0b93f0909.jpg
von (DerKoberg)
Es ist was dran, an den immer wieder vernehmbaren Beschwerden, dass das Kinoprogramm sich vor allem aus Fortsetzungen und „wahren Begebenheiten“ zusammensetzt. Vor allem abseits der locker flockigen Unterhaltung dominieren seit Jahren die Biopics und Historienfilme das Geschehen und fassen auch im Serien-Format immer fester Fuß. Dieser Tage bringt Rami Malek als Freddy Mercury die Massen ins Kino und Ryan Gosling entzückt als Neil Armstrong die kritische Presse. Der Erfolg der Netflix-Serie „Narcos“ belebt weiterhin das Interesse an den großen Drogenbaronen und für Fans gepflegterer Umgangstöne springen Serien wie „The Crown“ in die Bresche.

Das Interesse an historischen Inhalten scheint noch lange nicht befriedigt. Tatsächlich bewegen sich viele dieser Produktionen überraschend nahe an anerkanntem Geschichtswissen – und Fakten-Checker auf YouTube boomen als Sekundär-Unterhaltung. Trotzdem bleibt jedes Bild der Vergangenheit – ganz besonders auf Leinwänden und Bildschirmen – eine Inszenierung. Da werden dann die Zeitstränge ein Stück weit angepasst. Etwa wenn Freddy der Band kurz vor dem großen Live-Aid-Auftritt von seiner AIDS-Erkrankung erzählt, obwohl er von dieser laut Biographien erst danach erfahren hat. Das Konzert ist der krönende Abschluss des Films. Also muss ein so wichtiges Thema vorher untergebracht werden.

Pikante Details werden gerne einmal einfach weggelassen und private Konversationen basieren wohl auch im datentreuen Biopic mehr auf Fiktion als auf Faktenwissen. Oft werden historisch fragwürdige Klischees in den Unterhaltungsmedien reproduziert und ab und zu passiert sogar das Gegenteil. So sind in der Erfolgsserie „Vikings“ keine gehörnten Helme zu sehen und im Videospiel „Assassin’s Creed: Odyssey“ sind im antiken Athen allerhand bunte Statuen zu sehen. Was wir heute als strahlend weiße griechische Antike kennen, war damals nämlich bunt bemalt – um realistischer zu wirken.

Kleine Abweichungen von anerkannten Fakten sind selbstverständlicher Teil historisch inspirierter Unterhaltung und machen für manche sogar ein Stück weit den Reiz aus. So kann detektivisch recherchiert und leidenschaftlich diskutiert werden. Da und dort ist es aber freilich auch wichtig, kritisch zu hinterfragen: Wie haben Menschen in afrikanischen Kolonien tatsächlich auf die Besucher „ihrer“ Königin reagiert? Wie überraschend waren die antisemitischen Ausschreitungen nach dem Anschluss? Und wie ehrenhaft war der Krieg im Mittelalter?

Auch Dokumentationen und wissenschaftliche Veröffentlichungen zeigen immer nur eine Version der Geschichte. Vielleicht ist es ein großes Potenzial von Spielfilmen und Serien, dass sie gar nicht den Anspruch haben, die objektive Wahrheit wiederzugeben. Das regt zum Nachdenken an und zum reflektieren unserer Bilder der Vergangenheit.