Murer - Anatomie eines Prozesses
Der Fall „Franz Murer“ ist heutzutage weitestgehend in Vergessenheit geraten. Dabei galt der spätere ÖVP-Politiker in seiner Position als SS-Führer zwischen 1941 und 1943 als einer der Hauptverantwortlichen für die Gräueltaten in Litauens Hauptstadt Vilnius. Über die Jahre hinweg wurde ihm gar der Spitzname „Schlächter von Vilnius“ auferlegt. Nichtsdestotrotz wurde der hoch angesehene Politiker und Großbauer erst 1963 für seine Kriegsverbrechen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen. Obwohl einige überlebende Juden, die unter den Taten Murers gelitten hatten, gar in Anwesenheit waren und die Beweise gegen ihn auf der Hand lagen, wurde er dennoch freigesprochen. In seinem neuen Spielfilm lässt Regisseur Christian Frosch („Von jetzt an kein Zurück“) nun diesen oft vergessenen Justizskandal in Form eines Gerichtsthrillers Revue passieren.Da das Thema in einem heute schwarz-blau regierten Österreich wohl kaum aktueller sein könnte, wurde der Streifen am Dienstagabend als Eröffnungsfilm der Diagonale 2018 uraufgeführt. In Hauptrollen sind unter anderem Karl Fischer, Karl Makovics, Gerhard Liebmann und Rainer Wöss zu sehen. Eine geschichtliches Zeitdokument, das sicherlich noch für reichlich Gespächstoff sorgen wird!
The Florida Project
US-Filmemacher Sean Baker konnte bereits für sein 2015 erschienenes Drama „Tangerine“ internationales Aufsehen erregen. Der Independentfilm rund um eine transsexuelle Prostituierte sorgte abseits der bereits brisanten Thematik besonders durch die Tatsache, dass der Streifen zur Gänze auf einem iPhone gedreht wurde, für weltweite Furore.Für sein Folgewerk „The Florida Project“ entschied sich Baker von der Smartphone-Linse auf analogen 35mm-Film umzusteigen und konnte bei der Weltpremiere bei den letztjährigen Filmfestspielen von Cannes bereits großes Lob einheimsen. Auf die Idee für sein neuestes Werk kam Baker, als er vor wenigen Jahren gemeinsam mit seinem Co-Drehbuchautoren Chris Bergoch auf eine wenig beachtete soziale Randgruppe stieß. Als die beiden auf einer dem Disney World-Resort Floridas nahgelegen Straße unterwegs waren, bemerkten sie auf einem Motel-Parkplatz zahlreiche Familien, die jedoch nicht den Anschein von Touristen erweckten. Bei genauerer Recherche fanden sie heraus, dass es sich hierbei um ärmer bemittelte Familien handelt, die in diesen Motels dauerhaft wohnen. Die Tatsache, dass sich dieses trübe Dasein ausgerechnet im Schatten einer vermeintlichen Traumwelt wie Disney World abspielen würde, legte den Grundstein für Bakers eigenen Film.
Das Drama spielt im Laufe eines Sommers und konzentriert sich in erster Linie auf die 6-jährige Moonee (Brooklynn Prince), die gemeinsam mit ihrer arbeitlosen Mutter Halley (Bria Vinaite) und anderen Langzeitbewohnern im „The Magic Castle“-Motel hausiert. Trotz ihres tristen Umfelds schreckt das mutige Mädchen nicht vor Abenteuern zurück und träumt davon eines Tages, das nahgelegene Disney World Resort besuchen zu können.
Baker hat mit „The Florida Project“ eine fulminante Milieustudie geschaffen, die einem besonders durch die Authentizität der fantastischen Kinder- und Erwachsenendarsteller sowie der farbfrohen Ästhetik langwierig im Gedächtnis bleiben wird. Obwohl der Film im Laufe der Awards-Season zahlreiche Preise abstauben konnte, wurde bei den Oscars lediglich Willem Dafoe definitiv beachtliche Schauspielleistung in der Kategorie „Bester Nebendarstller“ berücksichtigt. Hier geht es zu meiner Exklusivkritik von der letztjährigen Viennale.
Tomb Raider
Videospielverfilmungen gehen ja bekanntermaßen gern mal in die Hose. Über die Jahre hinweg wurden bereits zahlreiche hochumschwärmte Spiele wie zum Beispiel „Prince of Persia“, „Warcraft“ oder gar „Assassins Creed“ mit Leinwandadaptionen versehen. All diese Versuche haben sich jedoch als Sisyphusarbeit erwiesen, denn man hat bis heute noch nicht wirklich gebacken bekommen, auch nur eine erinnerungswürdige Videospielverfilmung zu produzieren, die der jeweiligen Vorlage gerecht werden würde.Eine der der beliebtesten Videospielserien ist zweifelsohne die „Tomb Raider“-Reihe, die von der tapferen Abenteurerin Lara Croft erzählt. Bereits einmal wagte sich Hollywood mit Angelina Jolie in der Hauptrolle an eine Leinwandadaption über die beliebte Figur und konnte trotz mieser Kritiken genügend Erfolg am Box Office verbuchen, um ein Sequel mit sich zu ziehen.
Da trotz guter Einspielergebnisse die ersten beiden Real-Verfilmungen dennoch als misslungen galten, enstand nun unter Regie des Norwegers Roar Uthaug (u. A. „Cold Prey“) ein weiterer Versuch einer Verfilmung des „Tomb Raider“-Franchises.
Kann mit diesem Streifen nun also der ewige Fluch der Videospielverfilmungen gebrochen werden? Wenn man den bisherigen Kritiken Glauben schenken darf leider nicht.
Weitere Neustarts
Weiters startet mit „Maria Magdalena“ ein biblisches Epos, das Jesus’ Leidweg aus der Sicht deren vermeintlicher Geliebter Maria Magdalena schildert. In die Hauptrolle der Maria Magdalena schlüpfte Rooney Mara und Jesus Christus wurde hierfür vom fantastischen Joaquin Phoenix verköpert.Vor wenigen Wochen noch auf der Berlinale, gestern erst auf der Diagonale und heute schon regulär in den österreichischen Kinos darf man sich auf das Coming-of-Age-Drama „L'Animale“ freuen. Regisseurin Katharina Mückstein erzählt in ihrem neuen Film von einer rebellischen Teenagerin, die vor eine komplizierte Entscheidung gestellt wird.
Auch frisch von der Diagonale ist der Dokumentarfilm „Gwendolyn“ zu sehen.
Weiters kann man sich auf den Horrorfilm „Winchester: Das Haus der Verdammten“ freuen, in dem Oscar-Gewinnerin Helen Mirren ein Anwesen erbt, das von Geistern der Vergangenheit heimgesucht wird.
Außerdem startet mit „Fünf Freunde und das Tal der Dinosaurier“ die bereits fünfte Kinoverfilmung der beliebten Kinderbuchreihe von Enid Blyton. In der Fortsetzung müssen sich George, Dick, Anne, Julian und der Hund Timmy auf die Suche nach dem Ausgrabungsort eines Dinosaurierskeletts begeben.
Ich wünsche UNCUT-Lesern eine schöne Kino-Woche und hoffentlich viele gute Projektionen auf der Diagonale 2018!