Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Was guckst du?

Kobergs Klarsicht: Was guckst du?

Das Interesse digitaler Geräte für unser Leben ist gruselig. Auf der Leinwand. Real sehen wir das nicht so streng.
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von (DerKoberg)
„Wenn sie ein Bild von der Zukunft haben wollen“, ließ uns George Orwell in „1984“ wissen: „so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ihr Gesicht tritt. Unaufhörlich“. Und das Internet ist voll von Forumseinträgen, die vor Augen führen wollen, dass wir diese orwellianische Zukunft schon seit längerem erreicht haben.

Die Kinoleinwände sind ebenfalls voll von Zukunftsvisionen und diese stimmen mit Orwell vor allem darin überein, dass Zukunft Überwachung bedeutet – was dann ja nicht so weit hergeholt zu sein scheint. Von hellseherischer Überwachung á la „Minority Report“ sind wir zwar wohl noch ein gutes Stück entfernt, die Omnipräsenz von Kameras und digitalen Überwachungsnetzwerken in fast jedem Science-Fiction Universum, das es in den letzten Jahren in die Kinos geschafft hat, ist jedoch ein mit dem Holzhammer vorgebrachter Verweis auf Gegebenheiten, an die wir uns auch schon ganz gegenwärtig und real gewöhnt haben. Besonders schön macht das Spike Jonze in „Her“. Dabei will der gar nichts über Überwachung erzählen, sondern vielmehr über die Liebe. Aber seine Bilder von Straßen voller Passanten, die sich allesamt pausenlos mit ihren intelligenten Betriebssystemen unterhalten, wirken nur auf den ersten Blick futuristisch unterkühlt und sind auf den zweiten eine zeitgeistige Ohrfeige für uns Smartphone-Junkies.

Bemerkenswert ist aber auch, dass wir jede Form der Überwachung in Filmen ganz selbstverständlich einem bösen, totalitären System zuordnen, ganz so, wie wir das von George Orwell gelernt haben. Freilich regt sich auch real einiger Widerstand gegen die NSA, die Elektronische Gesundheitsakte und gegen Google. Aber auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet bleibt dieser Widerstand eher ein Nischenprogramm, während die Anhänger des Kapitols von Panem und des Großkanzlers aus „V wie Vendetta“ sich wohl eher im Promill-Bereich der Kinobesucher bewegen.

Während wir uns also diebisch auf die Google-Brille freuen, sind uns die mit ihren Betriebssystemen plaudernden Passanten aus „Her“ irgendwie unheimlich. Der Freiheitsdrang scheint im Kinosessel demnach stärker ausgeprägt, als auf offener Straße. Aber letztlich ist es wohl die Spannung zwischen Faszination und ängstlichen Vorbehalten, die den technologischen Fortschritt, der uns mit unzähligen Augen und Ohren durchs Leben begleitet, gerade auch für die Geschichtenerzähler so interessant macht.
Der Autor
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DerKoberg


Forum

  • Handy

    Das die meisten Leute nur noch ständige auf das Smartphone schauen ist keine Utopie mehr, sondern bittere Realität. Mir hat diesbezüglich eine Szene im voriges Jahr erschienenen Film „Warm Bodies“ sehr gut gefallen, in dem die Zombies abwesend durch einen Flughafen gehen. Der Hauptdarsteller erzählt wie schön es früher hier gesehen sein muss, als noch alles voller Leben war. Die Rückblende unterscheidet sich aber kaum von der Zombievariante, weil alle Menschen nur abwesend dasitzen und mit ihrem Smartphone, Computer oder Tablet herumspielen.
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    25.04.2014, 22:19 Uhr