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  • Bewertung

    Inside the Killer’s Mind

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Einer meiner persönlichen Programmhöhepunkte des diesjährigen Slashfilmfestivals war die Ankündigung eines Screenings des von mir mit freudiger Spannung erwarteten Films „My Friend Dahmer“, als Regisseur und Drehbuchautor fungierte hierbei Marc Meyers. Der Film behandelt die Jugendjahre des berüchtigten Serienmörders Jeffrey Dahmer, auch bekannt als Milwaukee Cannibal, und porträtiert ihn als zurückgezogenen, einsamen Heranwachsenden mit einer merkwürdigen Faszination für die Körper toter Tiere, sowie einer Unfähigkeit seine allmählich stärker werdenden sexuellen Fantasien unter Kontrolle zu bringen. Das Werk basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von Derf Backderf, der tatsächlich Mitschüler von Jeffrey Dahmer gewesen ist, und verarbeitet deren dubiose Freundschaft.

    An seiner High-School von Mitschülern gemieden und verspottet und von seinen Eltern mehr oder weniger im Stich gelassen, fühlt sich Jeff Dahmer (gespielt von Disney-Star Ross Lynch) nur in seinen selbst gebauten Labor im Wald wohl, in welchen er von der Straße aufgelesenes Aas untersucht, seziert und in Säure auflöst. Als er in der Schule eines Tages einen epileptischen Anfall und Zerebralparese vortäuscht, um die Aufmerksamkeit zu bekommen, nach der er sich so sehnt, wird er erstmals von einigen seiner Klassenkollegen, unter anderem auch vom künstlerisch begabten Derf, bemerkt. Fasziniert von seinem Schauspiel, beschließen sie seine „Performancekunst“ zu nutzen, um sich gegen Mitschüler und Erwachsene aufzulehnen, wodurch sie sich schließlich mit Jeff anfreunden und sogar eine Art „Dahmer Fanclub“ gründen. Ob diese Freundschaft völlig ernstgemeint ist, bleibt jedoch angesichts der Tatsache, dass sie Jeffs besorgniserregende Schreie nach Aufmerksamkeit derart zur Schau stellen, fraglich. Erst spät merken sie wie bizarr und merkwürdig Jeffreys Verhalten oft zu sein scheint, des Weiteren scheint Dahmer bereits in seinem jungen Alter unter einem gravierenden Alkoholproblem zu leiden. Die andauernden Streitigkeiten der Eltern belasten Jeff zusätzlich, nachdem sich die Eltern endgültig trennen, wird er zunächst vom Vater (Dallas Roberts) und später auch von der labilen Mutter (Anne Heche) verlassen, er bleibt allein im elterlichen Haus zurück. Aufgestaute Wut und unterdrückte sexuelle Begierden bestimmen die Gefühlswelt des adoleszenten Jeffrey, bis er seine Emotionen eines Tages nicht mehr zurückhalten kann.

    Der bereits vierte Film von Regisseur Marc Meyers feierte seine Premiere am diesjährigen Tribeca Film Festival, Anfang November soll der US-Start folgen. Als besonders aufsehenerregend gilt der Cast des Films, werden doch sowohl Jeffrey selbst, als auch Derf von ehemaligen Kinder-Stars gespielt (Alex Wolff ist vor allem durch die Serie „The Naked Brothers Band“ bekannt und Ross Lynch durch die Teenie-Serie „Austin & Ally“), die man gemeinhin eher weniger mit kannibalistischen Serienmördern assoziieren würde.

    Der Film verbindet mehrere Genres miteinander, unter anderem Coming-of -Age und das psychologische Drama, wobei dem gesamten Film ein sehr düsterer Unterton obliegt. Besonders hervorzuheben ist die schauspielerische Leistung von Ross Lynch, seine Interpretation von Jeffrey Dahmer wirkt in keinem Moment übertrieben oder fehl am Platz, es gelingt ihm die gesamten 90 Minuten über ein authentisches Portrait eines soziopathischen Jugendlichen zu vermitteln. Problemtisch sind im Gegensatz dazu die Darstellungen von Dahmers Eltern, Joyce Dahmer wird von Anne Heche gespielt und Lionel Dahmer von Dallas Roberts, die durchgehend überspitzt und deplatziert wirken. Zudem vermittelt der Film das zugegeben unzulängliche elterliche Verhalten als eine Art Rechtfertigung von Jeffreys grausamen Taten, und das obwohl Dahmer immer wieder seine alleinige Schuld an dem Geschehen beteuerte und die Medien sogar darum bat, seine Eltern aus der Sache rauszuhalten.

    Der Film skizziert den allmählichen Abstieg Dahmers in die Kriminalität und seinen damit einhergehenden psychischen Verfall auf faszinierende Art und Weise, bis hin zu seinem ersten Mord am Tramper Steven Hicks, kurz nach dem Jeffrey die High-School beendet hatte. Durch einen äußerst überzeugenden Hauptdarsteller und einem toll umgesetzten 70er-Jahre- Setting gelingt es dem Film zudem sein Publikum trotz einiger kleiner Schwächen in den Bann zu ziehen und ist dadurch meiner Meinung nach durchaus einer Empfehlung wert.
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    (Julia Pogatetz)
    18.10.2017
    07:28 Uhr