Sound of Metal

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Forumseintrag zu „Sound of Metal“ von juliap

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juliap (08.12.2020 21:01) Bewertung
The Sound of Silence
Exklusiv für Uncut
Tagein, tagaus verlassen wir uns auf die Fähigkeiten unserer Sinnesorgane. Doch was, wenn einem eines davon schlagartig genommen wird? Genau mit dieser Frage sieht sich Protagonist Ruben in Darius Marder Regiedebut „The Sound of Metal“ konfrontiert. Mit einem Filmkonzept das sich mit Leichtigkeit in Richtung belanglosen Kitsch hätte verlieren können, hat sich Regisseur Marder glücklicherweise für die exakt konträre Erzählweise entschieden, in welcher er Hauptdarsteller Riz Ahmed auf einfühlsame und überzeugende Art und Weise den Schmerz und die Wut des kürzlich taub gewordenen Ruben durchleben lässt.

Das Drama wurde bereits 2019 im Rahmen des Toronto International Film Festival uraufgeführt und ist seit Anfang Dezember weltweit über Amazon Prime zum Streamen verfügbar. Im Fokus des Films steht die Figur des Ruben Stone, der vom britischen Schauspieler und Rapper Riz Ahmed porträtiert wird, welcher in dieser Rolle zur Karrierehöchstform aufläuft.

Schlagzeuger Ruben tourt gemeinsam mit seiner Freundin Lou (Olivia Cooke) als Metal-Duo „Blackgammon“ durch die Staaten, ein einfaches, aber glückliches Leben für die beiden. Im Zuge ihrer Konzerte bemerkt Ruben, dass sein Gehör sich deutlich zu verschlechtern scheint, er weigert sich aber zunächst diese ernste Entwicklung zu akzeptieren und spielt weiter Nacht für Nacht in voller Geräuschkulisse. Als jedoch während eines Auftritts sein Gehör vollkommen streikt, drängt Lou Ruben dazu einen Arzt aufzusuchen. Nachdem Ruben von diesem erfährt, dass sein Gehörverlust von permanenter Dauer sein wird und er sich von lauten Geräuschen fernhalten soll, bricht für den Drummer eine Welt zusammen. Ruben und Lou streiten sich darüber, wie sie nun vorgehen sollen und der ehemals heroinsüchtige Ruben droht mit seinem zunehmend unberechenbaren Verhalten rückfällig zu werden. Mit Hilfe von Lou und seinem Sponsor Hector finden sie eine Gemeinschaft für taube Süchtige, in der Ruben lernen soll mit seiner Taubheit umzugehen. Währenddessen zieht sich die mit der Situation überforderte, labile Lou zu ihren Vater nach Belgien zurück, da sie in der Zeit von Rubens Therapie keinen Kontakt mit ihm haben darf. In der Gruppe angekommen, fällt es Ruben zunächst schwer sich einzufügen, vor allem durch die fehlende Kenntnis der amerikanischen Gebärdensprache. Er beginnt sich jedoch allmählich zu öffnen und realisiert, dass sein fehlendes Gehör keine Hürde darstellen muss.

Das Gehör zu verlieren gehört gewiss zu den größten Ängsten eines jeden Musikers, nimmt einen dieser Umstand zunächst nicht nur die Einkommensgrundlage, sondern vor allem das, was einen auszeichnet und definiert. Angesichts dieses massiven Verlusts nicht in Panik und Depression zu verfallen ist ein schwieriges Unterfangen, das Riz Ahmed in seiner Darstellung des Ruben derartig authentisch und eindringlich darstellt, als hätte er es tatsächlich durchlebt. In einer Welt, in der völlige Stille die absolute Ausnahme darstellt, ist es schwierig sich an die Absenz von Geräuschen zu gewöhnen, so stellt es auch für Ruben eine große Herausforderung dar fortan mit seinen eigenen schmerzlichen Gedanken, ohne jegliche Geräuschkulisse, allein zu sein. Dieser Schmerz wird dem Zuseher insbesondere auch durch das großartige Sounddesign vor Augen (und Ohren) geführt, Stück für Stück wird uns der Hörverlust Rubens von dumpfen und schrillen Tönen bis hin zur vollkommenen Stille bewusst gemacht.

Während andere Filme mit ähnlicher Thematik vor allem die Bewältigung oder gar die Bezwingung einer Beeinträchtigung in den Fokus stellen und mit schwülstigen Lovestories unterlegen, geht „Sound of Metal“ einen anderen Weg. Der Film folgt stattdessen Rubens Reise hin zur endgültigen Akzeptanz seiner Taubheit, die ihn erkennen lässt, dass es sich hierbei keineswegs um ein Handicap handelt, für das man bemitleidet werden muss. Eine Besonderheit stellt hierbei auch die intensive Zusammenarbeit mit der Taubstummen-Gemeinschaft dar, deren Angehörige nicht nur hinter den Kulissen zu Rate gezogen wurden, denn ein Großteil des Castingensembles besteht aus tatsächlich gehörlosen Menschen. Auch Hauptdarsteller Ahmed hat, neben dem Schlagzeugspielen, über Wochen die amerikanische Zeichensprache gelernt und für den Film verinnerlicht und wurde dabei unter anderem von seinem Schauspielkollegen Paul Raci unterstützt, der staatlich anerkannter ASL-Übersetzer ist und im Film als Rubens Mentor Joe zu sehen ist.

Mit seinem Regiedebüt legt Darius Marder eine beispiellos beeindruckende und empathische Einblick in die Welt der Gehörlosen dar, der durch Riz Ahmeds eindrucksvolles Schauspiel und einem der besten Sounddesigns der letzten Jahre perfekt untermalt wird. Für mich das absolute Highlight dieses Kinojahres und sicherlich ein Film, der mich noch lange Zeit beschäftigen wird!
 
 

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