Müll Mates
Müll Mates - United Passions

Müll Mates - United Passions

Auch die Müllmates sind wieder im Fußball-Fieber!
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von (Müll Mates)
Dass selbst der Weltfußballverband trashfilmverliebt ist, zeigt „United Passions“. Eine nähere Betrachtung des FIFA-Propagandafilm aus 2014 (diesmal zu dritt!).

Liebe P&J,

What's the name of the game? In Zeiten einer Fußball-EM klarerweise das Spiel mit dem Ball. Auf der Leinwand können wir Ende dieses Monats das österreichische Wunderteam mit Matthias Sindelar im Metro Kino bestaunen, doch wenn wir von Wunderteams sprechen: es gibt da einen Film mit einem schauspielerischen Wunderteam, angeführt von Gerard Depardieu, der interessanterweise von Sam Neill und Tim Roth und leider nicht von Nicolas Cage und Eric Roberts komplettiert wird. Ich habe jenen Film über vereinigte Leidenschaften gerade gesehen und muss eine These sofort aus der Hüfte schießen: der Propagandafilm wird in einer neuen Form wiederbelebt. Diese Gattung an Film biedert sich hier 'neuen Herrschenden' an, wobei diese keine politischen Machthaber, sondern diejenigen mit den größten Geldtaschen sind. Nicht Staaten, sondern Konzerne schaffen sich in Zeiten wie diesen ihren eigenen Mythos.

My mother had good Jeans,
Chris
Liebe Freunde des schlechten Geschmacks,

danke für deinen Leserbrief, lieber Chris. Anhand deiner Beschreibung entnehme ich, dass du den von der FIFA finanzierten Film „United Passions“ gesehen hast. Sogleich habe ich mir dieses 2014 erschienene Werk angesehen. Mit ca. 30 Millionen Dollar Budget und einem US-amerikanischen Einspielergebnis von 918 (ja genau: Neunhundertachtzehn) Dollar kann man ich glaube durchaus von einem Flop sprechen und dies in unsere Trash-Kolumne zum Thema machen. Das Erscheinungsjahr fällt in die aufkommende Aufdeckung der FIFA-Skandale rund um Sepp Blatter – und der Film nimmt das auch in inhaltlichen Weise gewissermaßen auf. Angefangen beim FIFA-Gründungsjahr 1904 zeichnet „United Passions“ den Aufstieg des Weltfußballverbands dar. Ein Fußballfilm der mehr von Funktionären als vom Sport und den Sportlern selbst handelt. Stets fehlt das Geld um die nächste WM auf die Beine zu stellen. Der Film spricht dies offenherzig an, nur um den Prozess der Geldbeschaffung schließlich komplett zu verschleiern. Sepp Blatter wird im Film 2002 mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, welche er abwiegelt. Ihn in diesem Propaganda-Werk allerdings als Saubermann hinzustellen, schlägt komplett fehl. Die FIFA wirkt von ihm wie die Mafia von ihrem Paten geführt.

You have everything you neet to run our family,
J
Howdy Ho!

„United Passions“, das ist narratives Tiki-Taka, um in der Fußballsprache zu bleiben. Schnell wird zwischen einzelnen Szenen hin und her kombiniert – ohne jedoch zu irgendeinem Höhepunkt zu kommen. Denn irgendwie vermisst man bei diesem Film ständig den Torabschluss, jede einzelne Szene wirkt unbefriedigend. Es ist auch ein Film, der sich ständig neben der eigentlichen Handlung abspielt. Ein Beispiel: Gerard Depardieu sieht sich ein WM-Finale an. Als Zuseher möchte man auch irgendwas vom Finale sehen. Doch stattdessen sieht man Gerard Depardieu, der gerade irgendwie bewegt wirkt. Worum es in der Szene geht? Keine Ahnung! Jedenfalls geht er kurz darauf einem gleißenden Licht entgegen, Menschen jubeln ohne sich zu bewegen und ein Typ mit Tuba steht am Spielfeld. Eh logisch, oder? Ähnliches gilt für den ganzen Film. Und jetzt die größte Herausforderung aller Zeiten: Kann mir jemand von euch die Handlung des Films in einem Satz erzählen?

We need money. We need a great deal of money,
P
Allez a trois (oder so),

Einen essenziellen Teil des Films, den ich hier allerdings sträflich vermisse, ist die Rahmenhandlung, in der wir Kindern in Aserbaidschan (oder wo auch immer – ich muss gestehen ich nehme an, dass es sich bei diesem Dreh- und Spielort um Aserbaidschan handelt, weil ich im Vorspann Aserbaidschan gelesen habe, genauer gesagt eine FIFA Dependance dort, die besagten Film finanziert hat) beim Fußballspielen beobachten und dabei einem kleinen Mädchen zusehen, dass allen Mut zusammen nimmt und against all odds die vielen vielen Jungen schwindlig spielt. Dabei handelt es sich meiner Meinung auch um die glaubhafteste Character Arc in diesem Film. Aber um deine Frage zu beantworten, lieber Patrick, ich halte diesen Film für ein narratives Fragmentarium, auf das die österreichischen Avantgardisten der 60er oder Surrealisten jeder Schule stolz wären. Die Handlung ist ähnlich strukturiert wie diese Konversation, mit willkürlichen und völlig unmotivierten Tempowechseln, die Charaktere sind ähnlich glaubhaft und dreidimensional gezeichnet wie bei Michael Bay und die Inszenierung wirkt in weiten Teilen wie eine Uwe-Boll-Hommage. Aber vor allem drängt sich mir ein Godard-Zitat auf: Film ist Lüge, 24 mal in der Sekunde.

You are some funny guys,
Chris
Liebe Freunde des schlechten Geschmacks,

aus Chris seiner Antwort kann man herauslesen, dass es den von P geforderten einen die gesamte Handlung erklärenden Satz wohl nicht gibt. Die Frage, die ich mir allerdings stelle, betrifft den Darsteller von Sepp Blatter: Wie ist es möglich, dass sich Tim Roth, der in seiner frühen Karriere durch Filme von Quentin Tarantino (nämlich „Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“, später auch „Hateful Eight“) bekannt wurde und sich in den letzten Jahren durchwegs in zumeist künstlerisch hochwertigen Independent-Filmen einen Namen machte – 2015 konnte ich z.B. drei Filme mit ihm auf der Berlinale sehen – für dieses Machwerk hergegeben hat? Seine Motivation passt wiederum zu Blatter, FIFA und der Handlung von „United Passions“: er machte den Film um Geld für seine Familie zu lukrieren. Seine Aussage: „Ich machte das Falsche, aber für die richtigen Gründe.“ Genauso würden vielleicht auch viele FIFA-Funktionäre persönlich argumentieren. Sepp Blatter bilde ich mir aber lieber so ein, wie einen weiteren Schauspieler des Filmes, nämlich den französisch-russischen Steuerflüchtling Gérard Depardieu. Weiterer Kommentar wohl überflüssig.

I'll make him an offer he can't refuse,
J
Zoltan!

Nicht nur Tim Roth hat sich bereits vor Kinostart von dem Film distanziert, sondern auch der nicht wirklich bekannte Regisseur Frédéric Auburtin, dessen bisher größter Erfolg eine Episode in „Paris je t'aime“ ist. Das sagt eh schon alles über dieses Meisterwerk aus. Um mit einer kleinen Zusammenfassung zu enden: „United Passions“ ist ein teuer produzierter Propagandafilm der FIFA, der auf ganzer Linie misslungen ist. Der Film ist zwar unglaublich schlecht, aber man muss schon extrem trashverliebt sein, um diesen Humbug durchstehen zu können. Denn wirklich lustig ist der Film eigentlich nicht – nicht einmal lustig-schlecht. Wobei: Amüsiert habe ich mich ja schon ziemlich! Eigentlich unverständlich. Zur Überbrückung von zwei EM-Spielen taugt das Machwerk dann also doch.

Deis is mei Aunwesen, do treib i mei Unwesen,
P


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United Passions
Der Autor
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Müll Mates


Forum

  • Cannes

    Interessant finde ich bei diesem Film ja auch, dass auf dem Filmplakat und der DVD groß draufsteht: „Official Selection - Festival de Cannes“.
    Ich habe extra noch einmal nachgeschaut. Bei den Filmfestspielen von Cannes 2014 scheint der Film weder im offiziellen Wettbewerb, noch in einer Nebenschiene auf. Würde mich auch wundern.
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    16.06.2016, 10:16 Uhr