Vintage Views
Vintage Views: Bob Fosse

Vintage Views: Bob Fosse

„Live like you'll die tomorrow, work like you don't need the money, and dance like nobody's watching.“ Vintage Views widmet sich Regisseur und Tänzer Bob Fosse.
In den 60er Jahren war die Ära der klassischen Musicals und Revuefilme Hollywoods (siehe Vintage Views: Die wahren Dancing Stars) unaufhaltsam zu Ende gegangen. Die Produktionen waren von Jahr zu Jahr weniger geworden und wer sich mit Tanz und Musik noch im Kino behaupten wollte, musste sich verändern.

Alle großen Hits dieser Zeit von „West Side Story“ (1961) bis „Saturday Night Fever“ (1977) steuerten jeweils Innovationen bei. Wir sprechen von einer Zeit, in der sich im Spannungsfeld von Bühne, Kino und TV die Grenzen dessen änderten, was für Themen man behandelte und wie man inszenierte, um die Bedürfnisse eines neuen Publikums zu befriedigen, bevor mit dem Einzug von MTV und dem Aufstieg des Videoclips in den 80ern die nächste Revolution den Umgang mit Musik für immer verändern sollte.

Bob Fosse stellt dabei als Person vielleicht so etwas wie ein Bindeglied dar, zwischen der alten Welt von Fred Astaire und Gene Kelly mit den neuen Entwicklungen der 70er Jahre. Ein Mann von bemerkenswertem Talent und großer Produktivität: Fosse war erfolgreich als Tänzer, Choreograph, Regisseur, Autor, und vieles mehr…! Er ist der Einzige, der je alle drei großen amerikanischen Preise (Academy-, Tony- und Emmy-Award) im selben Jahr für unterschiedliche Arbeiten gewonnen hat.

Sein berühmtester Film ist wahrscheinlich „Cabaret“ (1972). Die stark veränderte Adaption einer Broadway-Produktion folgt der Beziehung der amerikanischen Sängerin Sally (Liza Minelli) und des englischen Akademikers Brian (Michael York) im Berlin der frühen 30er Jahre. Der Film jongliert sehr charmant unterschiedlichste Figuren und deren komische wie tragische Erfahrungen. Der Aufstieg der Nazis vollzieht sich im Hintergrund und kontrastiert die Handlung, während die exzentrische Nummernrevue des Kit Kat Clubs, in dem Sally auftritt, immer wieder mit Musikszenen unterbricht, die das Geschehen im Stile eines griechischen Chors kommentieren.

Cabaret Bild aus dem Film „Cabaret“ (20th Century Fox, EuroVideo)

Fosse kreiert diese Struktur, indem er fast alle Nummern des Musicals entfernt, die nicht auf der Bühne des Nachtclubs stattfinden und den Rest des Films als Spielfilm inszeniert. Damit steht Cabaret für einen Trend der Musikfilme der 70er: die Abkehr von plötzlich in Gesang und Tanz ausbrechenden Menschen zugunsten von Nummern, die in der Realität der Erzählung einen glaubwürdigen Platz haben.
Den großen Erfolg von „Cabaret“ kann man an seinen Preisen festmachen. Im Duell mit „The Godfather“ von Francis Ford Copolla schnitt er bei den Academy Awards sehr gut ab, gewann die Beste Regie sowie sieben weitere Oscars.

All That Jazz - Hinter dem Rampenlicht“ (1979) erhielt vier Oscars und die goldene Palme in Cannes. Es ist das mitreißend gestaltete Porträt des Broadway-Choreographen und Filmregisseurs Joe Gideon (Roy Scheider), der Bob Fosse selbst nachempfunden ist. Ein schonungsloser Womanizer und Workaholic, dessen Körper schließlich verfrüht unter der Last nachgibt. Im Delirium inszeniert er noch seinen eigenen Tod als große Show.

All That Jazz - Hinter dem Rampenlicht Bild aus dem Film „All That Jazz - Hinter dem Rampenlicht“ (20th Century Fox)


Ein Film der von Anfang an zupackt und einen nicht mehr loslässt, voll eindrucksvollen Einfällen Fosses. Der Schnitt zieht oft unterschiedliche Elemente wie ein Mosaik zu einem Eindruck zusammen. Manche Bilder sind nicht länger als ein paar Sekunden zu sehen und vermitteln doch viel für die Geschichte. Auch die Tonebene kommt nicht zu kurz – wie in jener Szene, als während einer lauten Probe alle Geräusche außer jenen, die Gideon selbst macht, völlig verstummen.

An dem stark autobiographischen „All that Jazz“ lässt sich Fosses Leben ablesen. Der Sohn eines Varieté-Tänzers wird 1927 geboren und steht schon mit 13 auf der Bühne. Als Teenager tritt er in Nachtclubs auf, später kommt er als Tänzer zum Film, Fred Astaire ist sein Idol.

Schon früh schreibt Fosse eigene Choreographien und entwickelt dabei einen unverkennbaren Stil, dessen Einfluss bis heute noch zu sehen ist. Am Broadway wurde Fosse Teil einer neuen Generation von Regisseuren/Choreographen. Viele seiner Hits der 50er und 60er wurden auch im Film adaptiert.



1969 führte er erstmals selbst Regie bei der Verfilmung seiner Show „Sweet Charity“, die floppte. Nach „Cabaret“ drehte er mit „Lenny“ (1974) auch einen reinen Spielfilm. In der Biopic eines kontroversen Komikers spielte Dustin Hoffman die Hauptrolle. Etwa zur gleichen Zeit erlitt Bob Fosse seine erste Herzattacke. Er starb schließlich 1987.
Senad Halilbasic & Sebastian Rieger


Update 13.5.2022:
Das Gartenbaukino in Wien zeigt ab 13. Mai 2022 unter dem Motto „Hinter dem Rampenlicht“ fünf Filme von Bob Fosse (Sweet Charity, Cabaret, Lenny, All That Jazz und Star 80). Die genauen Beginnzeiten findet ihr im Kinoprogramm Wien.