Vintage Views
Vintage Views: Ingmar Bergman

Vintage Views: Ingmar Bergman

Vintage Views widmet sich anlässlich der diesjährigen Retrospektive der Berlinale dem großen Filmemacher Ingmar Bergman.
Woody Allen im Gespräch über sein großes Idol: „I think his films have eternal relevance, because they deal with the difficulty of personal relationships and lack of communication between people and religious aspirations and mortality, existential themes that will be relevant a thousand years from now.“

Die Rede ist von Ingmar Bergman, dem schwedischen Autorenfilmer, der sich eigentlich stets als Theaterregisseur sah und seine Filme mit seinem Ensemble, das er von der Bühne hatte, in den kurzen Sommerpausen und fast nebenbei drehte.
Bereits in Kindheitsjahren entdeckte und vereinte er zwei seiner Leidenschaften und zukünftigen Berufe: Mit einer Laterna Magica, einem Bildprojektor, verfilmte er die Stücke des schwedischen Autors August Strindberg. Im Studentenalter fand er endgültig zum Theater, nebenbei folgten erste Filmprojekte.

Kaum ein Filmemacher hat sich der Psyche von Figuren so intensiv gewidmet wie Bergman. Die Suche nach dem Sinn des Lebens, nach Gott und Reflexionen über den Tod sind Motive, die sich in nahezu jedem Film von ihm finden. Das Innenleben auf der Leinwand zu sehen ist das Ziel seiner Filme. Formell erreichte er dies sehr stark durch seine simplen, wenn auch genialen, Kadrierungskonzepte: Meistens handelt es sich bei den Kameraeinstellungen um Weite und Nahaufnahmen, der Sprung von weiter Landschaft und kleiner Figur zum Closeup des Gesichts folgt immer unerwartet. Halbnahe Einstellungen verwendete er selten, denn „das mächtigste Mittel, das dem Regisseur zur Verfügung steht ist die Nahaufnahme“, so Bergman. Dabei ist zu erkennen, dass er Film als eigene Sprache eingesetzt hat, als ein Mittel, mit dem er anders kommunizieren kann als am Theater.

Sich Bergmans Filmen anzunähern scheint zunächst einwenig schwierig. Zu psychologisierend wirken frühe Klassiker wie „Wilde Erdbeeren“, in dem er einen sterbenden Mann in langen, ruhigen Bildern begleitet. Zu experimentell Ansätze wie „Persona“, der gleich mit einer assoziativen Montage eröffnet, in der Bergman drei mal einen erigierten Penis reingeschnitten hat (übrigens nicht aus tiefgehend psychologischer Bedeutung, sondern weil er einfach nur die schwedische Filmzensur, mit der er Probleme bekommen hatte, provozieren wollte). Ein möglicher und spannender Ansatz sich Bergmans Gesamtwerk erkenntnisreich zu nähern ist ein biographischer. Der neunfach Oscar-nominierte Regie- und Drehbuchmeister verarbeitet in seinen Werken stets Themen, die ihn privat beschäftigen. Sein Leben selbst ist in Verbindung mit seinem Werk gut erforscht, vor allem dank seiner Autobiographie „Laterna Magica“, die nun anlässlich der Retrospektive auf der Berlinale eine Neuauflage erlebt. Bereits zu Beginn des Buches scheint man Einblick in diesen nur scheinbar schwer lesbaren Regisseur zu finden: Als Kind war er schwerkrank und „konnte sich nie zwischen Leben und Tod entscheiden“. Die strenge Erziehung seines Vaters, einen lutherischen Pastor, sollte ihn sein Leben lang prägen. Mehrmals wurde er körperlich für kleine, kindliche Fauxpas von seinem Vater bestraft und erniedrigt. Auch an Beerdigungen von ihm Unbekannten musste der kleine Ingmar Bergman teilnehmen. Ausgewirkt hat sich dies auf seine Meisterwerke „Das siebente Siegel“, „Licht im Winter“ oder „Wilde Erdbeeren“. Glaube und Gott sowie der Zweifel an diesem stehen im Mittelpunkt solcher Filme, stets werden diese Themen hinterfragt, nie wird eine eindeutige Antwort gegeben. Bergman war ein ewig Suchender und sich und seinen Glauben hinterfragender Filmemacher.

Bei einer biographischen Annäherung ist zu sehen, dass sich Bergman eher in seinem Frühwerk mit Gott, Glaube und dem Tod auseinandersetzt. Sein mittleres und spätes Schaffen gilt unterschiedlichen Themen, ganz stark jedoch der Ehe. „Szenen einer Ehe“ gehört zum unanfechtbaren Klassiker des Ehedramas, ein besonderer Tipp des Autors dieser Zeilen ist jedoch „Aus dem Leben der Marionetten“, eine TV-Produktion aus 1980. Stoff um sich mit familiären Themen auseinanderzusetzten hatte Bergman wohl genug: Fünf Mal war er verheiratet, neun Kinder gingen aus diesen Ehen hervor.

Glaube und Ehe(leben) sind zwei Themen, die hier exemplarisch angeschnitten wurden und nur als Beispiele dafür dienen, wie man sich Ingmar Bergman sinnvoll annähern könnte. Was sich einem dabei eröffnen wird, ist einer der spannendsten europäischen Autorenfilmer – und, bei näherem Hinsehen, trotz aller Finsternis und Depression in vielen von Bergmans Werken, auch viele ungewöhnliche Parallelen zu Woody Allen, den er wie eingangs erwähnt sehr inspiriert hat.
Senad Halilbasic & Sebastian Rieger


Forum

  • Ingmar Bergman und Vintage Views

    Nach diesem tollen Artikel habe ich den Wunsch mich mit den Werken von Ingmar Bergman zu beschäftigen!
    leandercaine_0fc45209c9.jpg
    16.02.2011, 09:28 Uhr
    • Super!

      Das ist auch Wunsch und Ziel der Autoren :-)
      themovieslave_d00814b111.jpg
      16.02.2011, 17:00 Uhr