Filmkritik zu Eureka

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  • Bewertung

    Ein filmisches Triptychon über Raum und Zeit

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    In „Eureka“ von Regisseur Lisandro Alonso entfalten sich unterschiedliche Repräsentationsformen auf der Leinwand, die uns auf eine Reise durch vielfältige Welten mitnehmen. Die Geschichte beginnt im rauen Wilden Westen, wo ein Revolverheld Rachepläne schmiedet und seine vermeintlich entführte Tochter sucht. Der Film präsentiert sich zunächst als klassischer Western mit Cowboys, Saloon-Verweilabende und Schießereien, jedoch mit einer Prise Extravaganz und übertriebenen Elementen, die ihn eher zu einer Hommage an das Genre machen.

    Doch „Eureka“ geht über das Genre hinaus. Mit einem gekonnten Genre-Spiel wechselt Alonso die Erzählweise und die filmische Sprache. Nach dem Western-Auftakt tauchen wir ein in ein hypnotisches Sozialdrama und einen Cop-Film, der im Pine-Ridge-Reservat der Gegenwart spielt. Hier erleben wir die stille Verzweiflung einer Polizistin, die mit den Alltagskatastrophen im Reservat konfrontiert wird, gezeichnet von Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie Gewalt.

    Das Herzstück von „Eureka“ liegt im mittleren Teil, wo die Zerstörungen durch gewaltsame Landnahme, Rassismus und Entwurzelung eindrucksvoll dargestellt werden. Dort begleiten wir die Polizistin Alaina durch einen Tag im ärmsten Landstrich der USA, dem Reservat der Lakota-Oglala. Inmitten von Schnee, Kälte und leeren Straßen, die ins Nirgendwo zu führen scheinen, wird sie mit den Schwierigkeiten und Tragödien konfrontiert, die das Reservat prägen.

    Im letzten Akt führt uns der Film in den brasilianischen Urwald der 1970er-Jahre, wo eine mythische Erzählung Raum greift. Hier verschwimmen Realität und Legende, während sich die Figuren und Motive verweben. Die Worte des Ältesten am Ende des Films erinnern uns daran, dass Raum wichtiger ist als Zeit, und dass die Zeit letztendlich eine Erfindung der Menschen ist.

    Der Film erstreckt sich über 146 Minuten, zweifellos eine langwierige Erfahrung für das Publikum. Alonso nutzt dabei drei verschiedene Seitenverhältnisse für jeden Akt und verlängert die Einstellungen und Szenen über ungewöhnlich lange Zeiträume. Die Kamera hält oft bei den Figuren inne, und Schnitte sind eine Rarität. Dies führt zu einem eigenwilligen Rhythmus, der den Eindruck erweckt, dass sich das Publikum an die verschiedenen Tempi der drei Geschichten anpassen muss, was vom Zuschauer eine intensive geistige Beteiligung erfordert und zuweilen eine Herausforderung sein kann.

    Der Film beleuchtet die Lebensrealität indigener Völker und zeigt sowohl die Schönheit ihrer kulturellen Einzigartigkeit als auch die düsteren Schattenseiten. Wir begegnen Menschen, die sich für das Wohl ihrer Gemeinschaft einsetzen, aber auch gesellschaftlichen Außenseitern, die den Fortschritt soziokultureller Errungenschaften behindern. Dabei werden Themen wie Drogen und Alkoholismus als Fluchtmöglichkeiten vor den realen Herausforderungen des Lebens nicht beschönigt, sondern schonungslos dargestellt.

    Alonso präsentiert uns mit „Eureka“ ein künstlerisches Werk, das den Zuschauer herausfordert und eine tiefgreifende intellektuelle und emotionale Auseinandersetzung erfordert. Der Film stellt keine leichte Kost dar, verlangt nach aktiver Beteiligung und ist weniger für passives Entertainment geeignet. Insgesamt hinterlässt „Eureka“ einen nachhaltigen Eindruck, da er den Zuschauer nicht nur herausfordert, sondern auch dazu einlädt, in einen tiefgreifenden Dialog mit den dargestellten Themen und der radikalen Formgebung einzutauchen.
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    26.10.2023
    09:28 Uhr
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