Bilder: The Walt Disney Company Fotos: The Walt Disney Company
  • Bewertung

    Not as strange as the title suggests

    Exklusiv für Uncut
    Ein Mann, der sich auf Ameisen-Größe schrumpfen lassen kann, eine Gruppe außerirdischer Outlaws, denen unter anderem ein sprechender Waschbär und ein Baum angehören, oder vielleicht sogar ein nordischer Gott? Wer daran interessiert ist, eine Vielzahl an Superhelden mit skurrilen Kräften gemeinsam kooperieren zu sehen, ist beim sogenannten „Marvel Cinematic Universe“ gut aufgehoben. Mit der Filmadaption der hierzulande eher wenig bekannten Comicreihe „Doctor Strange“, dem mittlerweile bereits 14. Werk in Disneys filmischen Marvel-Zyklus, wird dem großen Sammelsurium an bisher etablierten Helden eine bis dato im MCU unerforschte Superkraft hinzugefügt: die Magie.

    Erzählt wird die Geschichte von Stephen Strange (Benedict Cumberbatch), einem talentierten Neurochirurgen, der sich nicht davor scheut sein großes Ego raushängen zu lassen. Nachdem er in Folge eines schweren Verkehrsunfalls Verletzungen am Nervengewebe seiner Hände erlitt, ist er zunächst nicht mehr dazu im Stande seiner Tätigkeit nachzugehen. Als er von einem Mann hört, der es auf mysteriöse Art und Weise geschafft hat, sich vollkommen von seiner Querschnittslähmung zu genesen, will er der Sache auf den Grund gehen und begibt sich in die nepalesische Hauptstadt Katmandu. Dort angekommen, wird er von einem Mann namens Mordo (Chiwetel Ejiofor) zur Leiterin dessen Ordens, welche schlichtweg als „The Ancient One“ (Tilda Swinton) bezeichnet wird, geführt. Sie eröffnet Strange die magische Natur ihres Ordens und willigt ein, ihn die nötigen Geheimnisse zu verraten, um auch solch zauberhafte Kräfte zu erhalten. Nach geraumer Zeit gelingt es ihr gar, ihn zum Obersten Zauberer auszubilden. Jedoch bekommt Stephen schon bald mit dunklen Mächten zu tun, die große Konsequenzen mit sich ziehen könnten.

    Inszeniert wurde das Ganze vom normalerweise im Horror-Genre tätigen Filmemacher Scott Derrickson, der mich zuvor mit klischeeüberladenen paranormalen Horrofilmen, wie „Erlöse uns von dem Bösen“ (2014) eher abschrecken, als überzeugen konnte. Obwohl der Film von vielen Kritikern sehr positive Wertungen erhielt, ging ich aufgrund meiner Abneigung dem bisherigen Werks Derricksons gegenüber skeptisch ins Kino. Nun muss ich jedoch gestehen, dass ihm mit „Doctor Strange“ ein durchaus sehenswerter Superheldenfilm gelang, auch wenn ich den enormen Hype rund um den Film nicht zu 100% nachvollziehen kann. Was den Film auf alle Fälle von einigen anderen Filmen im MCU abhebt, ist die Ästhetik. Kaum ein anderer Marvel-Film konnte mit so toll gerenderten und im Kontext des Films auch kreativ verpackten CGI-Effekten überzeugen, die zudem in keiner Minute artifiziell und unrealistisch aussahen. Zugegebenermaßen, ein paar der Einstellungen erinnerten stark an bestimmte Shots aus Christopher Nolans „Inception“, was der Qualität jener Szenen jedoch nicht schadete. Die Ästhetik diente in meinen Augen als treibende Kraft des Films und konnte eine mystische Atmosphäre erzeugen.

    Der Großteil der Besetzung überzeugte, wobei vor allem „Sherlock“-Star Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle des Stephen Strange hervorzuheben wäre. In typischer „Sherlock“-Manier gelang es ihm seinen Charakter sowohl eine intelligente & charmante Seite als auch eine arrogante und unausstehliche Art zu verleihen. An seinem Spiel ist obendrein positiv anzumerken, dass es ihm trotz seiner britischen Herkunft bravourös gelang einen authentischen US-amerikanischen Dialekt darzubieten. Auch Tilda Swinton schaffte es, trotz vielerlei Vorwürfe gegen White-Washing des in den Comics ursprünglich orientalischen Charakters, ihrer Figur Charme und Tiefe zu verleihen. Chiwetel Ejiofor, vielen als Hauptdarsteller des mit vielen Oscars gekrönten Sklavendramas „12 Years A Slave“ (2013) bekannt, wusste als rätselhafter Magier Mordo auch zu überzeugen. Die Darstellung des dunklen Magiers Kaecilius, verkörpert vom oft so fantastischen Mads Mikkelsen, blieb leider hinter den Erwartungen zurück. Mikkelsen, der bereits mit Bösewicht-Rollen, wie als Antagonist „Le Chiffre“ im James Bond-Film „Casino Royale“ (2006) oder als der kannibalistische Dr. Hannibal Lecter in der populären Fernsehserie „Hannibal“ glänzen konnte, schaffte es einfach nicht seiner Figur Tiefe zu geben. Dies lässt sich vor allem auf die unterentwickelte Charakterschreibe zurückführen, die wie die Schablone eines beinahe jeden Marvel-Bösewicht wirkte. Hatte man im Beginn diesen Jahres erschienen „Civil War“ mit dem von Daniel Brühl gespielten Captain Zemo noch einen zur Abwechslung mal bodenständigen und verletzlichen Antagonisten ins Marvel-Universum, wurde hier wieder die alte Leier abgezogen und ein Larger-than-Life-Bösewicht geschrieben, dem es an sämtlichen Motiven fehlte, die den Charakter interessant gemacht hätten.

    Apropos schablonenhaft, auch wenn der Film öfters vorzugeben scheint so außergewöhnlich zu sein, bleibt er auf narrativer Ebene jedoch in gleichen Gefilden, wie sämtliche andere Marvel-Filme: Wir bekommen einen Protagonisten etabliert, dem wir dabei zusehen, wie er lernt mit seinen Kräften umzugehen und es mit einer bösen Macht oder Person zu tun bekommt, welcher er sich stellen muss. Zudem dürfen die zwei obligatorischen After-Credits-Szenen, die den Film mit den anderen Werken des „Marvel Cinematic Universe“ verbinden sollen, auch nicht fehlen.

    Mein größtes Problem war jedoch das häufig unpassend eingesetzte Timing des Humors im Film. Zwar gab es ein paar Momente, in denen ein amüsanter Gag fiel, jedoch wirkten viele Witze direkt im Anschluss von recht düsteren Momenten stark fehlplatziert und forciert. Besonders nervtötend war in meinen Augen dabei der von Benedict Wong verkörperte Magie-Meister Wong, der wie ein fehlgeschlagener Versuch wirkte, dem Film einen lustigen Sidekick zu geben.

    Abseits einiger der vorhin genannten Konventionen, die der Film leider nicht brechen konnte, ist „Doctor Strange“ ein vor allem auf visueller und atmosphärischer Ebene überzeugendes Marvel-Spektakel mit einer sehr charismatischen Performance von Benedict Cumberbatch.
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    (Christian Pogatetz)
    14.11.2016
    11:42 Uhr