Forum zu Sturm

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    Recht oder Gerechtigkeit

    Hier werden die Gräueltaten der ethnischen Säuberungen auf dem Balkan thematisiert. Man sieht nichts davon, aber allein die Schilderung und die Andeutung von physischer Gewalt genügen, um das Ausmaß zu begreifen. Die Schwierigkeit einen Massenmörder und Vergewaltiger in Den Haag zu überführen stehen im Vordergrund. Dabei geht es um juristische Spitzfindigkeiten und die Glaubwürdigkeit von Zeugen. Da drängt sich gleich die Frage auf: ist Recht gleich Gerechtigkeit? Auch das Schicksal der Aussagewilligen, die danach alleine gelassen werden, steht im Raum. Zwei Frauen stehen im Mittelpunkt der Ereignisse: Kerry Fox ist die mutige Anklägerin Hannah Maynard, die sehr überzeugend sowohl juristisch als auch emotional die Sache der misshandelten Frauen vertritt und trotz vorübergehenden Triumphierens letztlich doch scheitert. Und dann ist da Mira (Anamaria Marinca). Sie ist Opfer und wird überredet auszusagen. Ihr innerer Kampf ist nachvollziehbar, die traumatisierte Angst ihr ständiger Begleiter. Das Verhör im Gerichtssaal ist einer der Höhepunkte des Films.
    Regisseur Hans-Christian Schmid erhebt keinen Allgemeingültigkeitsanspruch, bleibt aber durchaus realistisch, wenn er zeigt, dass auf der Ziellinie ein politischer Deal zwischen Hannahs Chef (Stephen Dellane), einem Brüsseler Topdiplomaten (Rolf Lassgard), der auch noch ihr Geliebter ist, und dem Verteidiger des Unholds eine direkte Verurteilung verhindert. Das ist bitter.
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    18.10.2013
    14:04 Uhr
  • Bewertung

    Sturm

    Exklusiv für Uncut vom Sarajevo Film Festival
    Sich einer zeitgenössischen Thematik Mittels dem Medium Film anzunähern kann durchaus problematisch sein. Hans-Christian Schmid hat es jedoch mit „Storm“ geschafft. Er erzählt die Geschichte einer (fiktiven) Anwältin (wunderbar gespielt von Kerry Fox), die als Anklägerin in Den Haag am Kriegsverbrechertribunal arbeitet. Die Höhen und Tiefen eines langen Prozesses gegen einen serbischen General werden dabei ohne Angst vor politkritischer Message erzählt. Eingangs muss die exzellente Recherche gelobt werden, die sich Schmid und sein Co-Autor Bernd Lange angetan haben. Inspiriert von wahren Fällen in dem ewigen Kampf gegen die Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien haben sie einen spannenden Thriller geschaffen, der auf intelligente Weise wachrüttelt. Die triste Realität der politischen Situation der Länder am Balkan wird schonungslos dargestellt. Ehemalige Kriegsverbrecher führen nun ein pompöses Luxusleben und das ist leider alles andere als eine Erfindung von fantasiereichen Filmemachern.

    Die Schauspieler sind bis auf die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt. Allen voran Anamaria Marinca (bekannt aus „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“), eine rumänische Schauspielerin, die hier ein bosnisches Kriegsopfer spielt, beherrscht die Leinwand für sich. Wichtig ist auch herauszuheben, dass Schmid für die bosnischen und serbischen Charaktere nur Schauspieler aus eben diesen Ländern gecastet hat, die auch dort bereits einen Namen haben (z.B. der Bosnier Tarik Filipovic).

    Handkamera und eine kalte Farbkorrektur scheinen bei Politthriller in Mode zu sein, wenn man an Meirelles „The Constant Gardener“ denkt. Auch hier bedient sich der Regisseur solchen Methoden. Schmids Inszenierung ist schnell, doch verlangsamt in ruhigeren Szenen und subtilen Momenten ihr Tempo. Sie wirkt wie eine Mischung aus perfekter Komposition und perfekt eingesetzter Improvisation.

    Alles in allem ein spannender Thriller, der als viel mehr verstanden werden sollte als reine Unterhaltung.
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    15.08.2009
    23:59 Uhr
  • Bewertung

    Schmiede das Eisen, bis es wieder heiß wird ...

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2009
    Ein Sprichwort sagt, man solle ein Eisen schmieden, so lange es heiß sei. Ein wenig abgewandelt, könnte man es für diesen Film als Motto verwenden: Regisseur Hans-Christian Schmied präsentiert nach seinem fulminanten Wettbewerbsbeitrag „Requiem“ vor vier Jahren diesmal wieder einen zutiefst ernst zu nehmenden Film über eine junge Frau namens Mira, deren Erlebnisse im Balkankrieg tiefe Wunden in ihrer Seele hinterlassen haben, die erst heilen können, wenn sie sich allen Erfahrungen von damals stellt, anstatt sie zu verdrängen und den Schuldigen dafür hinter Gitter bringt. Annamaria Marinca trägt Schmieds filmisches UN-Tribunal mit ihrer dichten, entschlossenen, aber gleichzeitig so zerbrechlich wirkenen Performance über weite Strecken fast alleine und erinnert an ein Kapitel in der Vergangenheit Europas, das deutlich weniger weit zurück liegt als der schon so oft filmisch aufgearbeitete Holocaust. Nicht einmal eine Generation liegt zwischen den Gräueltaten des Balkankrieges und unserer Gegenwart und die Überlebenden von damals haben das, was ihnen einst widerfuhr zwar verdrängt, weg geschoben in den verzweifelten Versuch, zu vergessen und werden immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt. Aus einer Anklage, die beinahe zu scheitern droht, entsteht durch die Aussage von Mira wieder ein Prozess mit der Chance, wenigstens einen der Schuldigen Generäle zur Verantwortung ziehen zu können, das Eisen muss also wieder erhitzt werden, aber langsam, sehr langsam, bis die ganze schmerzhafte Erinnerung zurück kommt. Woraus eine filmische Therapiesitzung hätte werden können, formt Hans Christian Schmied zu einem nüchternen, bisweilen resignierenden Dokument der Macht, den die EU und die UN einerseits prinzipiell besitzen, wenn es darum geht, eine Aufnahme in die Wirtschafts- oder Staatengemeinschaft von der lückenlosen Kooperation abhängig zu machen, andererseits aber nicht alle Mächte, die in diesen jungen Staaten am Balkan das Sagen haben, vollständig kontrollieren können und bis zum heutigen Tage ihre Rolle als nachhaltige Friedensstifter von weltpolitischer Bedeutung verfehlt haben. Wie man es von Schmied gewohnt ist, gelingt ihm ein angenehm ausgewogener Film, der keine Seite weder positiv noch negativ überfrachtet und so eine erschütternde und nicht zuletzt durch die Leistungen des Ensembles überzeugende Momentaufnahme der politischen Aufarbeitung der Geschehnisse auf die Leinwand bringt.
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    07.02.2009
    23:37 Uhr