Filmkritik zu Sturm

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    Schmiede das Eisen, bis es wieder heiß wird ...

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2009
    Ein Sprichwort sagt, man solle ein Eisen schmieden, so lange es heiß sei. Ein wenig abgewandelt, könnte man es für diesen Film als Motto verwenden: Regisseur Hans-Christian Schmied präsentiert nach seinem fulminanten Wettbewerbsbeitrag „Requiem“ vor vier Jahren diesmal wieder einen zutiefst ernst zu nehmenden Film über eine junge Frau namens Mira, deren Erlebnisse im Balkankrieg tiefe Wunden in ihrer Seele hinterlassen haben, die erst heilen können, wenn sie sich allen Erfahrungen von damals stellt, anstatt sie zu verdrängen und den Schuldigen dafür hinter Gitter bringt. Annamaria Marinca trägt Schmieds filmisches UN-Tribunal mit ihrer dichten, entschlossenen, aber gleichzeitig so zerbrechlich wirkenen Performance über weite Strecken fast alleine und erinnert an ein Kapitel in der Vergangenheit Europas, das deutlich weniger weit zurück liegt als der schon so oft filmisch aufgearbeitete Holocaust. Nicht einmal eine Generation liegt zwischen den Gräueltaten des Balkankrieges und unserer Gegenwart und die Überlebenden von damals haben das, was ihnen einst widerfuhr zwar verdrängt, weg geschoben in den verzweifelten Versuch, zu vergessen und werden immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt. Aus einer Anklage, die beinahe zu scheitern droht, entsteht durch die Aussage von Mira wieder ein Prozess mit der Chance, wenigstens einen der Schuldigen Generäle zur Verantwortung ziehen zu können, das Eisen muss also wieder erhitzt werden, aber langsam, sehr langsam, bis die ganze schmerzhafte Erinnerung zurück kommt. Woraus eine filmische Therapiesitzung hätte werden können, formt Hans Christian Schmied zu einem nüchternen, bisweilen resignierenden Dokument der Macht, den die EU und die UN einerseits prinzipiell besitzen, wenn es darum geht, eine Aufnahme in die Wirtschafts- oder Staatengemeinschaft von der lückenlosen Kooperation abhängig zu machen, andererseits aber nicht alle Mächte, die in diesen jungen Staaten am Balkan das Sagen haben, vollständig kontrollieren können und bis zum heutigen Tage ihre Rolle als nachhaltige Friedensstifter von weltpolitischer Bedeutung verfehlt haben. Wie man es von Schmied gewohnt ist, gelingt ihm ein angenehm ausgewogener Film, der keine Seite weder positiv noch negativ überfrachtet und so eine erschütternde und nicht zuletzt durch die Leistungen des Ensembles überzeugende Momentaufnahme der politischen Aufarbeitung der Geschehnisse auf die Leinwand bringt.
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    (Markus Löhnert )
    07.02.2009
    23:37 Uhr
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