Neu im Kino
Neu im Kino (Woche 51/2023)

Neu im Kino (Woche 51/2023)

Weihnachten steht vor der Türe. Nicht nur unterm Christbaum tummeln sich die Geschenke, auch im Kino wartet so manches Präsent nur darauf, Augen zum Leuchten zu bringen. Simon Verhoeven rekapituliert den größten Skandal der Musikgeschichte, Wim Wenders sucht im Minimalismus eines Toilettenreinigers wahrhaftige Momente.
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von (chrosTV )

Girl You Know It's True

Vom Vorbild einer ganzen Generation zur Lachnummer der Musikwelt – und das quasi über Nacht. Ende der Achtziger verwandelte Erfolgsproduzent Frank Farian (auf dessen Kappe u.a. auch die Musik von „Boney M“ geht) zwei junge, attraktive Tänzer zu Goldeseln der turbokapitalistischen Popindustrie. Unter dem wenig geistreichen Bandnamen „Milli Vanilli“ verkauften Fab Morvan und Rob Pilatus mehr als 10 Millionen Platten weltweit – die Hitsingle „Girl You Know It’s True“ erreichte in 23 Ländern die Sperrspitze der Hitparade. So hastig der Traum aber auch gelebt wurde, so rasch nahm er auch ein vorzeitiges Ende.
Girl You Know It's True Bild aus dem Film „Girl You Know It's True“ (Constantin Film)

Als 1990 bekannt wird, dass kein einziger ihrer Songs selbstgesungen wurde, bei Auftritten stets ein Playback zum Einsatz gekommen war, werden die visuellen Repräsentanten des Erfolgsduos medial zu Buhmännern erklärt. Eine tragische Hetzkampagne, die einem der zwei das Leben kostete. Heute weiß man, dass Fab und Rob viel Unrecht getan wurde – die Aktion sei ja auf den Mist von Produzent Farian gewachsen. Wie es aber damals wirklich zuging, das versucht nun Regisseur Simon Verhoeben in Form eines Biopics zu ergründen. „Girl You Know It’s True“ erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall der Band dramaturgisch aufgemotzt nach. Jede Perspektive soll zu Wort kommen – Studiomenschen, Musiker*innen, die hauptbetroffenen Konfliktparteien. Die Newcomer Elan Ben Ali und Tijan Njie verkörpern Fab und Rob, Matthias Schweighöfer gibt den Frank Farian – samt krausigem Blondschopf und selbstüberzeugtem Auftreten. Ein musikalisch aufgeladener Blick in die Vergangenheit, der im Fall „Milli Vanilli“ geläufige Täter- und Opfernarrative zurechtzurücken versucht.



Perfect Days

Wim Wenders hat immer schon gerne den Fokus auf gesellschaftliche Außenseiter gerichtet - wortkarge Protagonisten, in deren Inneren sich tiefe Trauer angestaut hat. Für seinen neuesten Spielfilm hat es den deutschen Autorenfilmer, vor allem bekannt für die prägenden Arthouse-Meilensteine „Paris, Texas“ und „Der Himmel über Berlin“, erstmals nach Japan verschlagen.
Perfect Days Bild aus dem Film „Perfect Days“ (Polyfilm)

Mitten im Großstadtgemenge von Tokio arbeitet Hirayama (Koji Yakusho) als Toilettenreiniger. In der beruflichen Alltagsmonotonie fühlt sich der alternde Kloputzer seltsam heimelig, genießt sein einfaches Leben in stillen Zügen – ganz wahrhaftig. Neben Abflüssen und Rohrkrepieren regiert die Kunst seinen Alltag, allen voran alte, amerikanische Musikkassetten und Bücher haben es ihm angetan. Als jedoch Personen aus der Vergangenheit in sein Leben wiederkehren, bekommt sein wohlstrukturierter Alltag leichte Risse. Dem wunderbar bebilderten und gespielten Film bringt das aber keineswegs aus der Ruhe. Der womöglich beste Wenders-Film seit Jahrzehnten – nicht umsonst mit zahlreichen Vorschusslorbeeren bedacht. Ein cineastischer Hochgenuss, der aus Kleinem Großes schöpft.


Weitere Neustarts:

Raus aus dem Teich

Im neuen Animationsfilm der Minions-Schöpfer Illumination hat eine Entenfamilie die Schnauze voll vom drögen Teichalltag. Sie wollen die große, weite Welt erkunden. Am Weg dorthin werden den gefiederten Viechern jedoch einige Hürden in den Weg gestellt. Eine kindgerechte Fluchtparabel.
Raus aus dem Teich Bild aus dem Film „Raus aus dem Teich“ (Universal Pictures International)



Monsieur Blake zu Diensten

In der neuen Tragikomödie von Gilles Legardinier gibt kein Geringerer als Hollywood-Haudegen John Malkovich den titelgebenden Andrew Blake. Als dieser das Anwesen besichtigt, in dem vor kurzem seine Frau ums Leben gekommen war, wird er fälschlicherweise für einen Butler gehalten. Naja, warum nicht mal was Neues probieren, denkt sich der Londoner Businessmann.
Monsieur Blake zu Diensten Bild aus dem Film „Monsieur Blake zu Diensten“ (Filmladen, Lunafilm)



La chimera

Nach dem preisgekrönten „Glücklich wie Lazzaro“ meldet sich Alice Rohrwacher mit einem weiteren Wunderwerk italienischer Kinokunst zurück. Josh O’Connor brilliert als Witwer, der die Gabe besitzt, verschollen geglaubte Gräber wiederzuentdecken. Seine große Hoffnung: ein Tor in die Unterwelt ausfindig machen und wieder in den Armen seiner Frau zu liegen.
La chimera Bild aus dem Film „La chimera“ (Stadtkino)



Auf der Adamant

Auf der Seine da schwimmt so manche Kuriosität. Dass im Herzen des Flusses, der sich durch die Pariser Innenstadt erstreckt, aber sogar eine psychiatrische Klinik ruht, wissen nur wenige. Regisseur Nicolas Philibert wirf in seiner Doku einen Blick auf die Anstalt, in der unorthodoxe Methoden den Ton angeben.
Auf der Adamant Bild aus dem Film „Auf der Adamant“ (Pandafilm)



Living Bach

Johann Sebastian Bach darf sich zu den einflussreichsten Komponisten der Klassik zählen, das steht außer Frage. Doch selbst 300 Jahre nach dem Tod des Klaviervirtuosen werfen Geheimnisse aus dessen Leben Fragen auf. In der Hoffnung diese zu lüften, hat Dokumentarfilmemacherin Anna Schmidt sechs Kontinente bereist. Leidenschaftliche Fans sollen Auskunft geben.
Living Bach Bild aus dem Film „Living Bach“ (Filmladen, Weltkino)
Der Autor
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