Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Das Ende der großen Geschichten

Kobergs Klarsicht: Das Ende der großen Geschichten

Ein Reiz der großen Sagas unserer Zeit besteht darin, sie zu wichtig zu nehmen.
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von (DerKoberg)
Zum Ende der 1970er-Jahre verkündete der französische Philosoph Jean-François Lyotard das Ende der großen Geschichten und läutete damit die Postmoderne ein. Die Legitimationserzählungen der Moderne hatten in seinen Augen versagt. Die Menschheit sei am Versuch, der Wahrheit näher zu kommen gescheitert.
2019 gehen drei der ganz großen Geschichten der Popkultur zu Ende: Der Krieg der Sterne endet mit der dritten Trilogie, „Game of Thrones“ wird als Serie noch in diesem Monat zu Ende erzählt und im Marvel Cinematic Universe findet mit „Avengers: Endgame“ eine über 22 Filme erzählte Saga ihren Schlusspunkt – dass es das nicht gewesen sein wird, scheint natürlich in allen drei Fällen klar.

Diese beiden Ereignisse miteinander in Verbindung zu bringen, kann mir als Sarkasmus ausgelegt werden, aber ganz so unsinnig scheint es dann doch nicht. Nicht, weil die Endzeitstimmung im Nerd-Kosmos daran rütteln würde, wie wir die Welt wahrnehmen. Aber weil ein großer Teil des Reizes dieser modernen – oder eben postmodernen – Sagas wohl darin liegt, sich leidenschaftlich in ein Universum zu vertiefen, von dem noch verlangt werden darf, dass es Sinn macht, während das die Realität oft nicht mehr tut.

Die Freude, mit der sich die Fans über Unstimmigkeiten empören, auf Traditionen pochen und über kleinste Details diskutieren, wird gerne einmal mit einem überheblichen Lächeln abgetan. Wer das tut, hat aber nicht begriffen, wie befreiend es sein kann, ein Unterhaltungsuniversum mit Vorsatz weit wichtiger zu nehmen als es ist. Da kann auf Wahrheit und Logik gepocht und über Interpretationen gestritten werden. Man kann die Fans anderer Universen für dumm erklären und Petitionen initiieren, um Einfluss auf den Verlauf der Geschichte zu nehmen; und all das – von einigen traurigen Ausnahmen abgesehen – mit dem Wissen, das es in Wahrheit um nichts Wichtiges geht.

Die Postmoderne steht für eine Krise der Idee von Objektivität. Da ist es doch nur verständlich, dass es Spaß macht, sich fiktive Welten zu finden, über die sich noch faktenbasiert streiten lässt, ohne das diffizile Geflecht von subjektiv und objektiv, universeller Wahrheit und kultureller Konstruktion berücksichtigen zu müssen.