Müll Mates
Müll Mates - Ungewöhnliche Rollen

Müll Mates - Ungewöhnliche Rollen

Drei Stars, drei ungewohnt ernste Rollen und eine gehörige Portion Trash: Arnold Schwarzeneggers Tochter wird von einem Zombie gebissen und ist dem Tode geweiht. Will Ferrell und Kristen Wiig wollen ein Baby adoptieren, holen sich allerdings eine Psychopatin ins Haus.
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von (Müll Mates)
Lieber P,

Wenn Schauspieler, die für ein bestimmtes Genre bekannt sind, in für sie ungewohnten Rollen auftreten, ist dies zumeist ein berichtenswertes Unterfangen. Manchmal sind Komödien-Darsteller tatsächlich gute Dramatic Actors oder Action Stars gute Comedians und die Filme überraschend gelungen. Andere Male geht es komplett in die Hose und man würde am liebsten abschalten. Im – zumindest für diese Kolumne – besten Falle entsteht Trash vom Feinsten.

Unser All-Time-Favourite Arnold Schwarzenegger offenbarte in dessen Autobiographie, dass er in seiner schauspielerischen Blütezeit den Regisseuren immer angeraten hat, ihm ein paar lustige Textzeilen zu schreiben – seiner Meinung nach das Erfolgsgeheimnis seiner Filme aus den 80ern und 90er Jahren. Außerdem, dass es für ihn das wichtigste war, der (vor Sylvester Stallone) am besten bezahlteste Schauspieler zu sein. Aus diesen beiden Geschichten kann abgeleitet werden, dass Schwarzenegger weder echtes Drama- noch Independent-Kino schätzt. Aber in genau so einem Film hat er nun die Hauptrolle eingenommen: „Maggie“ ist ein ruhiger Zombie-Film um lediglich 8,6 Millionen Dollar (zum Vergleich: der zweite Arnold-Film des Jahres 2015, „Terminator Genysis“, hatte ein Budget, dass 18 Mal soviel wiegt), der ohne Schwarzenegger-typischen Humor und „Äktschn“ auskommt.

Will Ferrell und Kristen Wiig sind eine der beiden beliebtesten Komödien-Darsteller der Gegenwart. Als veröffentlicht wurde, dass sie für den Hausfrauen-Sender „Lifetime“ einen Thriller drehen, wollte dies so keiner richtig glauben. Ihr im Juni veröffentlichter „A Deadly Adoption“ kann aber durchaus mit anderen Filmen derselben Kategorie verglichen werden.

Schwarzenegger, Ferrell, Wiig: Alle nehmen sie plötzlich etwas ernst, mit was man sie nie in Verbindung gebracht hätte. Oder kann man in den genannten Filmen trotzdem etwas finden, von dem man Gegenteiliges behaupten könnte. Was sagst du, P?

I'm very important. I have many leather-bound books,
J
Howdy J,

also ich persönlich nehme Schwarzenegger und Ferrell natürlich immer ernst. Und sei es als Garantie für unterhaltsame Kinomomente! Die beiden von dir genannten Beispiele sind in ihrer Ausgangsposition grundverschieden, führen allerdings zu ähnlichen Ergebnissen: Trashvergnügen. „A Deadly Adoption“ nimmt sich todernst, alle am Projekt Beteiligten reißen sich zusammen. Aber hier liegt die Komik im Ernsten. „A Deadly Adoption“ ist eine Parodie, die das parodierte Subjekt der seichten, dramatischen Fernsehproduktionen des Senders „Lifetime“ so trocken und konsequent umsetzt, dass es schon wieder komisch ist. Denn mit anderen Schauspielern würde der Film wie ein „echter“ Lifetime-Film aussehen. Erst durch die Besetzung mit dem Anchorman-Team Kristen Wiig und Will Ferrell sowie Adam McKay als Produzent wird klar, dass es sich hierbei einfach um eine Parodie handeln muss. Erst durch das Wissen um Schauspieler und Produktionsbedingungen entsteht der Humor. Denn was man sieht kann man einfach nicht „ernst“ nehmen. Variety hat über „A Deadly Adoption“ geschrieben, dass es ein Film für niemanden ist. Also für die Müll Mates ist der Film auf alle Fälle was! Natürlich lasse ich hier die Tatsache außer Acht, dass auch wohl jeder „echte“ Lifetime-Film einen riesigen Trashfaktor besitzt. Auch „Maggie“ ist ein düsterer, pessimistischer Zombiefilm, ohne jegliche Ambitionen auch nur irgendwie komisch zu sein. Das gelingt auch meistens – bis Arnie zu sprechen beginnt! Denn plötzlich liegt auch hier der Trashfaktor im Ernsten. Oder was meinst du?

We want a shrubbery,
P
Lieber P,

von „Maggie“ kann man meiner Meinung nach wirklich nicht behaupten, dass er einen gewollten Trashfaktor besitzt. Doch man kann in jeder Zeile unseres Lieblingssteirers einen solchen finden, auch wenn es nur aufgrund des starken Akzents ist. Man könnte fast sagen, dass es einfach nicht möglich ist ihn, sobald er den Mund aufmacht, für voll zu nehmen, aber dann hätte er kaum erfolgreicher Politiker werden können. Aber selbst bei seiner quasi ersten Amtshandlung als Governor – seiner Angelobung, bei der er auf die Verfassung schwören musste – wäre ich in lautes Gelächter ausgebrochen, da seine „constitution“ klingt, als wolle Arnold einem raten, duschen zu gehen („Do kaunst di duschen“, YouTube). Aber da spricht wohl die Schwarzenegger-Obsession aus mir. „Maggie“ ist objektiv gesehen ein etwas langweiliger, repetetiver, aber künstlerisch durchaus ansprechender Film.

Mit Will Ferrell geht es mir grundsätzlich ähnlich, wie mit Arnold Schwarzenegger. Er kann noch so ernst schauen, ich werde früher oder später grinsen müssen. Trotzdem gibt es in „A Deadly Adoption“ schon einige teils subtile, teils weniger subtile Momente, die den Film als Parodie ausweisen können. Beispielsweise das abstruse Ende, als Filmvater Ferrell, Filmfrau Wiig und ihr Kind nach der überstandenen Entführung in der Küche ihres Hauses zu tanzen beginnen, ist so überzeichnet, dass es eine solche Szene nicht einmal in einem „normalen“ Lifetime-Film geben würde. Grundsätzlich ist es trotzdem möglich, dass dies regulären Lifetime-Zusehern nicht auffallen müsste. Filmtheoretiker Thomas Elsaesser schreibt, dass postmodernes Kino eine „doppelte Einbeziehung“ des Zuschauers erwirken kann. Filme können das Publikum gleichzeitig als naiven wie ironischen, als unwissenden wie eingeweihten Zuschauer ansprechen. „A Deadly Adoption“ wäre dafür ein auf die Spitze getriebener Fall.

Say my name,
J
Salve J,

diese Doppeldeutigkeit trifft natürlich auch auf „Maggie“ zu. Wobei nicht davon auszugehen ist, dass es irgendeinen Zuseher gibt, der Schwarzenegger nicht kennt und nicht die Governator-Figur hinter der Rolle sieht. Denn wie wir schon öfters geschrieben haben: In manchen Arnold-Filmen entsteht die Komik erst, wenn man die gesamte Filmografie und Biografie des schauspielernden Polit-Pensionisten miteinbezieht. Apropos gesamte Filmografie: Sowohl der Ferrell-Film als auch „Maggie“ sind Geschichten über Väter, die um ihre Töchter kämpfen. „A Deadly Adoption“ bricht hier sogar mit dem Lifetime-Konzept, da eigentlich die Mutter mehr im Fokus stehen müsste. Wie auch immer. Im Kampf um die Tochter weist „Maggie“ parallelen zu „Phantom Kommando“ auf (dieser Vergleich darf in keinem Müll-Mates-Briefwechsel fehlen!). Ein Dialog zwischen Vater und Tochter über ein Buch erinnert an das Gespräch über Boy George alias Girl George. Doch die Zeiten haben sich geändert. Denn während sich John Matrix in den 80ern noch auf eine Ein-Mann-Mission begab, um seine Tochter zu retten, ist die Situation in „Maggie“ aussichtslos. Die von einem Zombie gebissene Tochter ist dem Tode geweiht. Sie wird sterben. Der Vater ist machtlos. Oder: Die Elterngeneration hat versagt, sie kann den Tod der Kinder nicht aufhalten. Dies lässt sich so umlegen: Während man in den 80ern in den USA noch optimistisch in die Zukunft blickte und vor dem Gewinn des Kalten Krieges stand, hat man nun mit den Auswirkungen von Klimawandel und Wirtschaftskrise zu kämpfen. Das pessimistische Sujet von zukunftslosen und todgeweihten Kindern taucht immer öfters im (Welt-)Kino auf. In dieser Hinsicht ist „A Deadly Adoption“ stilistisch und narrativ noch fest in den 90ern und Nullerjahren sowie im Mainstream verankert – denn hier kann die Tochter noch auf irrwitzige Art und Weise gerettet werden. Hier darf am Ende noch wunderbar trashig getanzt werden.

Nun aber zur Frage aller Fragen an die UNCUT-Community: Welche ungewohnten Rollen und Genrefremdgänge von Schauspielerinnen oder Schauspielern führten zu (un)freiwilliger Komik?

You've been back enough,
P
Mehr dazu auf Uncut:
A Deadly Adoption - Maggie
Der Autor
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Forum

  • SPY

    Wenn ich an ungewöhnliche Rollen denke, fallen mir spontan Jude Law und Jason Statham in "SPY" ein. Obwohl beide Schauspieler als Bradley Fine und Rick Ford natürlich Agenten sind, und dies eigentlich für ihre Standard-Rollen sogar noch passen würde, wurden sie so geschrieben, dass ich nur mehr den Kopf schütteln kann. Das ist für mich so in die Richtung: So eigenartig und weltfremd, dass man nur mehr den Kopf schütteln kann. Der Film war für mich trotzdem gelungen, aber die beiden hinterlassen doch einen etwas eigenen Nachgeschmack bei mir. Ich frage mich, ob andere Schauspieler für diese Rollen besser gewesen wären. Ich bin mir sicher, dass es einfach Absicht war, und generell ein Komödien-Schauspieler nicht so gut gepasst hätte. Mag man - oder eben nicht.
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    29.10.2015, 13:24 Uhr