Berlinale 2011
Berlinale Tag 9

Berlinale Tag 9

Dieter Kosslick spricht „englisch“, Korea brilliert und dem Hotel Adlon wird böse eingeheizt.
Wenn man nach zu wenig Schlaf und viel zu wenig Kaffee um 9:30 Uhr in den Kinosessel sinkt, einen sachten, leisen Film sieht und trotzdem bis zum Ende kein Auge zutut, dann ist dies wohl nichts anderes als ein fettes Qualitätsmerkmal. So geschehen heute im Friedrichstadtpalast, als sich mit dem Korea-Export „Kommt Regen, kommt Sonnenschein (Come Rain, Come Shine)“ ein weiterer Wettbewerbsfilm zu meinen (wenigen) Favoriten gesellt. Aber lang dauert sie nicht, die Verzückung, denn keine Stunde später startet im Checkpoint Berlinale-Palast ein Film, der sich die (außertürliche) Berlinale-Aufführung allein durch den Drehort Berlin erschlichen haben muss und das größte Taxisterben seit Jahren beinhaltet. Ausnahmsweise gibt's während des Screenings von „Unknown Identity“ sogar Szenenapplaus und Pfiffe, zum Beispiel bei - nein, ich werde jetzt nicht spoilen. Um 18 Uhr werden dann in künstlerisch-familiärer Atmosphäre die FIPRESCI-Preise verliehen, zu denen Oberboss Dieter Kosslick im Eilschritt erscheint, eine sehr eigentümliche Version der englischen Sprache in den Raum schmettert und ist wenige Minuten später auch schon wieder dahin. A propos Preise - morgen Abend ist es bekanntlich beim Wettbewerb soweit. Und während die Festival-Jury wahrscheinlich gerade in wilden Diskussionen versucht, diverse Edelmetall-Bären gerecht zu verteilen, gibt's hier nun ein (auf empirischen Daten beruhendes) Ranking der ganz anderen Art: Die Top 5 der schlimmsten Saal-Nervensägen:

5. Der Wichtigtuer. Spricht laut, vornehmlich ins iPhone oder mit dem befreundeten Sitznachbarn und dies auf alle Fälle bis mindestens fünf Minuten nach Filmbeginn. Belegt sofort die komplette Armlehne mit Beschlag und Ellenbogen und kommt gern ganz knapp vorm Finsterwerden drauf, dass er noch wohin, was zu trinken holen oder schnell woanders wichtig sein muss.

4. Die Raschlerin. Trägt mit Vorliebe Daunenparka und viel Klimperschmuck und führt Snacks und Getränke prinzipiell in Behältnissen mit Lärmfaktor 5 mit, die bei der ersten ruhigen Szene geräuschvoll geöffnet und bei jeder weiteren ebenso durchwühlt werden.

3. Der Lehnenkicker. Ist offensichtlich privat nicht im Besitz eines Couchtisches und daher absolute Beinfreiheit gewöhnt, die er während des Films auch ausleben will, ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass er sich nicht im heimischen Wohnzimmer befindet, sondern mit der Fußspitze tief im Kreuz der Person vor ihm.

2. Der mit dem ADS-Syndrom. Verfügt über den enervierendsten Lacher der Welt, den er im Minutentakt und oft ohne ersichtlichen dramaturgischen Grund lautstark zum Erklingen bringt und dazwischen rhythmisch mit den Fingern auf die Armlehne klopft. Und wenn gerade etwas beim besten Willen nicht als witzig durchgehen kann, kommentiert er das Geschehen mit einem mitleidigen "Ooooh" einem hämischen "Ha!" oder einem universell einsetzbaren, inbrünstigen "Aaaaaach".

...und der goldene Nervenraubär geht an:

1. Den/die/das ZuspätkommerIn. Bis zu 20 Minuten ab Filmstart kann die Phase ihres Erscheinens dauern. Und sie schleichen nicht etwa verschämt herein mit vorsorglich schon draußen ausgezogenem Mantel über dem Arm und huschen auf Zehenspitzen zum nächsten freien Platz, um sich dann gaaaanz unauffällig zu verhalten. Nein. Da wird getrampelt, geredet, überlegt, welcher der verbliebenen Sitze auch ganz sicher am schwierigsten zu erreichen ist (den muss man dann nehmen, sonst macht ja die ganze Zuspätkommerei nur den halben Spaß), auf Füße getreten, die Tasche im Vorbeiquetschen an fremden Köpfen gestreift und - das ist die Königsdisziplin - den ganze Zirkus zehn Minuten vor Filmende wieder retour veranstaltet, denn man hat ja schließlich Riesenstress und KANN einfach nicht die paar letzten Momente abwarten.

Die Autorin

Forum

  • Unknown Identity

    ... hätte ich mir am liebsten angeschaut ;-) Bin mir sicher, dass ich bei diesem Film mich mit Senad perfekt verstehen würde!

    Apropos: Die Ingmar-Bergman-Filme "Das siebente Siegel", "Licht im Winter" und "Wilde Erdbeeren" sind schon bestellt!

    Schmunzeln musste ich natürlich über die Top-5-Ärgernisse im Kino :D
    leandercaine_0fc45209c9.jpg
    19.02.2011, 10:18 Uhr
    • Yeah

      Gib bescheid wie es dir mit den Bergman-Filmen ging. Bin gespannt.

      Liam Neeson ist der neue Steven Seagal. Nur halt Kino statt VHS. Und einfach besser. :-)
      themovieslave_d00814b111.jpg
      19.02.2011, 10:32 Uhr