Filmkritik zu 99 Homes

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    "You’re trespassing"

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der alleinerziehende Vater Dennis Nash (Andrew Garfield), der mit seinem Sohn und seiner Mutter zusammenlebt, steht vor den Trümmern seiner Existenz. Das Haus – das seine Eltern gebaut haben und in dem, wie bereits er selbst, sein Sohn geboren ist – wurde gepfändet und die Familie musste just ausziehen. In einem billigen Motel lebend sucht Dennis weiter verzweifelt nach einem weiteren handwerklichen Aushilfsjob, um das Haus zurückzubekommen. Wie es die Ironie des Lebens so will, findet er einen solchen bei jenem Immobilienmakler Rick Carver (Michael Shannon), der auf Hauspfändungen spezialisiert ist und ihn gerade noch vor die Haustür gesetzt hat.

    „99 Homes“ handelt von den Schwierigkeiten als „kleiner“ Arbeiter einen Lebensunterhalt zu verdienen, während große Geldhaie immer reicher und reicher werden und nicht genug davon kriegen. Einerseits stellt Andrew Garfield entgegengesetzt seines üblichen Rollenprofils die abmühende Arbeiterklasse dar und kann sich dabei durchaus auszeichnen. Andererseits spielt Michael Shannon einen moralisch abgestumpfte, böse Figur, für welche er bekannt ist. Der Arbeiter verachtet den korrupten Immobilienmakler. Im Unternehmen von Rick Carver geht es nämlich darum, aus den Hauspfändungen ein lukratives Geschäft zu machen und den Leidtragenden auch noch das letzte Geld aus der Tasche zu ziehen. Dennis Nash bleibt aber fast nichts anderes übrig, als schließlich für dieses zu arbeiten und mit der Zeit auch in ein moralfreies Wesen zu mutieren.

    Regisseur Ramin Bahrani fokussiert seine Inszenierung auf die Details. Dabei spielt beispielsweise die Distinktion der Figuren eine wichtige Rolle: Während sich Dennis Nash Tschick anzündet, sieht man Rick Carver nur selten ohne seine noble elektrische Zigarette. Während der eine abends Dosenbier trinkt und Joints kifft, schlürft der andere Whisky und pafft Zigarren.

    Trotz der guten Inszenierung und Darstellung kann der Film aber nur selten ein wirkliches Eintauchen in die Geschichte erwirken. Zu Trist ist die Ausgangslage, zu verheerend der Ausblick.

    Der Film verhandelt nichts weniger als den Kernpunkt des (amerikanischen) Kapitalismus, den Besitz des Eigenheims. Dieses gehört in dem Film aber schon oft nicht dem ursprünglichen Eigentümer mehr, sondern bereits der Bank. Eine der stärksten Szenen des Filmes ist die Spiegelung einer anderen: Dennis Nash muss eine Familie aus ihrem Haus verweisen, dessen Situation eine ähnliche ist, wie seine eigene am Anfang des Filmes.

    Langsam kommen bei Dennis Zweifel auf: wird man mit viel Geld glücklich, wenn man dabei seine eigenen Moralvorstellungen verliert? Wohl nicht. Die Frage die sich daraufhin auftut, ist, ob die Ungerechtigkeiten des Systems noch aufzuhalten sind. Lediglich ein lapidares Bauernopfer am Ende des Filmes spricht eine deutliche Sprache.
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    (Josko Boschitz)
    03.11.2015
    05:04 Uhr