Bilder: Warner Bros Fotos: Warner Bros
  • Bewertung

    Ein Hollywood-Blockbuster, der gar nicht existieren sollte

    Exklusiv für Uncut

    Die Rückkehr der Fledermaus

    1989. BATMAN kommt in die amerikanischen Kinos und baut sich zu einem vollen Erfolg auf. Warner Bros. ist folglich zufrieden. Sie beauftragen Tim Burton, die Fortsetzung seines ersten Blockbusters zu drehen und legen dabei volles (blindes) Vertrauen in sein Können. Anfang der 90er wird BATMAN RETURNS veröffentlicht. Meiner Meinung nach zählt dieser von jeher zu einer der besten Batman-Verfilmungen. Warner Bros. teilt diese Ansicht, zumindest damals, vermutlich nicht. Denn RETURNS ist durchgehend sexuell aufgeladen - das ist nicht auf eine Figur zu reduzieren. Man bekommt so einige wandelnde Leichen zu sehen, an Fingern nagende Katzen-Origen, blutig zerkratzte Gesichter und Nasen, aus denen in hohen Bögen Blut spritzt. Kurzgesagt: Burton hat die grafische Gewalt an die Grenzen der PG13-Ausgabe gedrängt. Das sollte ihm später seine Beteiligung am Franchise kosten, aber es passt einfach zu Batman.

    Es weihnachtet sehr

    Jedenfalls: BATMAN RETURNS ist nicht nur eine hervorragende Comicbuchverfilmung, sondern auch ein Weihnachtsfilm. Der Film beginnt in der Adventzeit und zeigt einen hohen Christbaum, der all die Aufmerksamkeit auf sich zieht (das erinnert unfreiwillig an momentane Superhelden-Projekte). Und was soll ich sagen, der bedeckende Schnee und die bunten Lichter passen irgendwo trotz oder gerade wegen des Widerspruchs zum dreckigen Gotham City. Mit dem Weihnachtssetting etabliert RETURNS aber eine überraschende Kritik an der alles bejahenden Konsumgesellschaft. Eine Tradition ist dann am besten, wenn man sie möglichst effektiv kommerziell ausschlachten kann. Aus riesigen Geschenkboxen springen randalierende Zirkus-Clowns und nicht ohne Grund sitzt Christopher Walkens Max Schreck im höchsten Gebäude von Gotham City. Dort wacht ein korrupter Geschäftsmann, der selbst den Pinguin aus der Kanalisation vermarkten kann. Da merkt man der Branche die Kommunikation als Waffe und Mittel zu Ruhm und Erfolg an. Gefühlt jeder Charakter handelt an irgendeinem Punkt einen Deal mit einer anderen Figur aus. Gerade Schrecks und der Pinguin schlagen mit Worten um sich und bedrohen sich gegenseitig, während Batman aufgenommene Reden nutzt, um die Bevölkerung von den wahren Absichten der politischen Intrige aufzuklären.

    Figuren, Figuren, Figuren

    Durch eine interessante und verwobene Handlung schafft es der Film, insgesamt drei gleichbehandelte Schurken zu etablieren, zu entwickeln und aus zu erzählen - etwas, was späteren Superheldenfilmen ja nicht so recht gelingen sollte. Immerhin beinhaltet BATMAN RETURNS in mehreren Szenen gleich alle vier Hauptfiguren, die nacheinander auftreten und gut miteinander versponnen sind. Das alleine ist schon eine Meisterleistung. Zugleich ist es dabei spannend, wie ähnlich sich schlussendlich die Individuen in diesem Quatro-Gespann (Batman, Catwoman, Pinguin, Max Schreck) sind. Zum Beispiel haben wir mit Bruce Wayne, Max Schreck und Oswald Cobblepot gleich drei reiche Millionäre der Oberschicht, wobei alle mit ihrem (vererbten) Kapital unterschiedlich umgehen. Ob und inwiefern jemand da richtig handelt, bleibt fraglich. Zugleich beschäftigt sich Burton ja gerne mit dem Außenseitertum und auch in BATMAN RETURNS zeigen sich drei Außenseiter-Typen. Bruce als isolierter Abwesender, Selina, die kleingeredete, schüchterne Sekretärin, und Oswald, welcher aufgrund seines Aussehens von Geburt an ausgegrenzt wurde. Diese Konzepte, die selbst in kleinlichen Details ihre Charaktere unterstützen, zeigen für mich wie ausgeklügelt dieser Film gestaltet wurde. Keine der Figuren ergibt sich als eindimensional boshaft oder herzlich, sondern alle bleiben multidivers in ihrer Charakterisierung.

    Akte Arkham: Gespaltene Persönlichkeitsstörung

    Was aber alle Charaktere verbindet, ist das Motiv der doppelten Identität. Batman als Figur diente immer schon durch seine Maskierung zu einer Frage nach der eigenen Identität. Auch wenn sein Zwiespalt in BATMAN RETURNS nicht im Fokus steht, ist es besonders schön anzusehen, wie Bruce Wayne auf einem kostümierten Maskenball der einzige ist, der keine Maske trägt - weil sich seine wahre Identität in Batman entfaltet.
    Selina Kyle tritt ebenso maskenlos bei der Gala auf, wobei ihre Dualität noch nicht so leicht trennbar ist. Ihre Transformation von der unsicheren Assistentin zu DER Femme Fatale schlechthin finde ich jederzeit total unterhaltsam. Um sie (und generell andere Elemente des Films) werden Mysterien geschürt, die nie wirklich geklärt werden und deswegen in einer Ungewissheit schweben. Dabei stellt sich Catwoman jederzeit als extrem bedrohlich heraus.
    Auf den Schultern des Pinguins lastet immer eine Tragik. Ausgesetzt von den eigenen Eltern, weil sein Körper keine schönen Formen annahm, wuchs er tiergleich in der Kanalisation auf. Solch eine Hintergrundgeschichte findet man nur bei Tim Burton und ist daher bis heute meine mediale Lieblingsinterpretation vom Pinguin. Ob es nun von Anfang an Lügen waren oder nicht, glaubt man dieser Figur die Sehnsucht nach einem normalen Leben und einer bürgerlichen Akzeptanz. Und zugleich ist die Wut, die Oswald Cobblepot verspürt, greifbar, wenn er auf Ablehnung stößt. Wer wollte nicht schonmal eine ganze Stadt mit an Pinguinen befestigten Raketen in die Luft sprengen?
    Doch Schrecks Doppelidentität ist schlussendlich die erschreckendste, weil sie schwer zu erkennen ist. Er spielt nach dem Motto von Schein und Sein, behält seine Absichten stets im Hintergrund und baut sich ein lumpenreines Image auf. Diese eigen erschaffene Figur passt perfekt zum korrupten Gotham City.

    Meisterhafte Filmästhetik

    Abseits der inhaltlichen Themen brilliert BATMAN RETURNS auch anderweitig. Der Cast ist hervorragend. Vor allem hervorzuheben wäre Michelle Pfeiffer als Catwoman. Ihre Performance bleibt einem im Gedächtnis. Sie ringt sich mit Danny DeVito darum, wer nun die Show stiehlt. DeVitos Rolle ist dem Over Acting ausgeliefert, und dennoch schafft er es, sie mit scheinbarer Leichtigkeit charmant und theatral auf die Leinwand zu projizieren.
    Dass die Kostüme grandios sind und das Setdesign schön burtonesk, muss ich nicht nochmals erwähnen. Der Soundtrack ist großartig. Man hört stets Danny Elfmans Eigenheit gerne, gerade in Kombination mit der speziellen visuellen Ebene. Noch mehr als zuvor scheint es, dass hier jede Menge Matte Paintings zur Verwendung kamen, die sich wie kleine Kunstwerke betrachten ließen.

    Schlussendlich übertrumpft BATMAN RETURNS ganz knapp seinen Vorgänger, wobei das sicherlich persönliche Präferenz sein mag. Auch wenn ich bereits in meiner Kindheit Nolans Interpretation von Batman gesehen habe, liegen mir die Burton-Filme am meisten. Schade drum, dass es bei einer Dilogie bleiben sollte.
    img_20230918_0949244154_52c8fe362f.jpg
    (Tobit Rohner)
    29.12.2023
    17:54 Uhr
    First milk, then Cornflakes
    just like my movie taste.

    Betreibt den Podcast @Filmjoker

    Aktiv auf Letterboxd @Snowbit