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  • Bewertung

    The Power of Love

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2024
    „In Liebe, eure Hilde“ erzählt uns von Mitgefühl und Menschlichkeit, und dass diese selbst die dunkelsten Stunden überdauern.

    Hilde Coppi (Liv Lisa Fries) ist durch ihren Mann Hans (Johannes Hegemann) zum Nazi-Widerstand gestoßen und engagiert sich dort. Die beiden erwarten ihr erstes Kind, doch ihre prompte Verhaftung und schnelle Verurteilung beendet mit einem Schlag das junge Glück. Im Gefängnis bringt sie ihren Sohn zur Welt, den sie nie aufwachsen sehen wird…

    Andreas Dresen verfilmt hier das Drehbuch seiner Langzeitpartnerin Laila Stieler. Die beiden wollten die Heldendarstellung von Widerstandskämpfern hinterfragen, die sie aus der DDR kannten, wo sie aufwuchsen. Und dabei ist ein Film entstanden, der sehr nahegeht.

    Alles aus Liebe

    Sein Titel, der Schlusssatz von Hildes letztem Brief, durchzieht thematisch den ganzen Film. Im Gefängnis kümmert sich Hilde liebevoll um ihre Mitinsassinnen. Für ihr Kind Hans bleibt sie stets stark. Die liebevollen Gespräche mit dem Gefängnispfarrer geben ihr Kraft (der echte Harald Pölchau hat zwar Hilde historisch nie getroffen, jedoch war er selbst im Widerstand aktiv und musste zahlreichen Exekutionen beiwohnen). Und auf die Frage des Richters, der sie ultimativ zum Tode verurteilt, warum sie denn bei all dem mitgemacht habe, antwortet sie: aus Liebe zu ihrem Mann! Liebe hat Bestand. Das wird auch anhand der semi-fiktiven Rolle einer Gefängniswärterin deutlich die erst nur strikt und ohne Empathie nach den Regeln agiert, bis irgendwann selbst sie beginnt Mitgefühl zu zeigen.

    Stiller Protest

    Das Wort „still“ fiel darüber hinaus überdurchschnittlich oft in der Pressekonferenz und beschreibt den Film am besten. Ein Vergleich, der naheliegt, ist der zu „Sophie Scholl - die letzten Tage“ (ein ebenfalls toller Film, mit einer ebenso fantastischen Hauptdarstellerin). Während dort nämlich die Gerichtsverhandlung noch von heftigen Wortgefechten zwischen Scholl und Freisler geprägt ist, läuft es hier ganz ruhig ab; nicht einmal letzte Worte wollen Hilde noch einfalle. Fern von heroisierender Darstellung und Pathos, einfach eine mutige Frau, die auch mal weinen oder Angst zeigen darf.

    Auch inszenatorisch übt sich der Regisseur in Zurückhaltung. Keine Soldatenaufmärsche, keine Hakenkreuzflaggen; die Geschichte wirkt zeitlos. Und erst Recht keine Hollywood-Nazi-Karikaturen, selbst Gestapo-Kommissar und Tribunalrichter bekommen menschliche Züge. Den Filmschaffenden war es wichtig ein komplexes System zu zeigen, dass durch millionenfache Mittäterschaft am Leben erhalten wird, und das genauso gut heute entstehen könnte.

    Auf vielen Ebenen berührend

    Dramaturgisch hält das Duo auch ein paar Kniffe bereit, statt lediglich der klassischen Formel historischer Biografien zu folgen. Vom Moment ihrer Verhaftung an bewegen wir uns in zwei Zeitebenen durch Hildes Geschichte, vergleichbar mir Christopher Nolans „Memento“. Die Gegenwart behandelt ihre Zeit im Gefängnis bis zu ihrer Hinrichtung, und ist geprägt von Kälte und Elend, durch die stellenweise die Hoffnung durchdringt.

    In Rückblenden bewegen wir uns dafür rückwärts symbolisch immer weiter weg von ihrem tragischen Ende, zu dem Moment, als sie ihre große Liebe kennen lernt. Diese strahlen eine sehr warme Atmosphäre aus, lassen uns aber nie vergessen in welcher Zeit wir uns befinden. Dadurch entsteht ein emotionales Auf und Ab, das uns durch perfektes Timing immer lange genug in Geborgenheit wiegt, nur um uns dann mit der bitteren Realität zu konfrontieren. Am Ende hat die Liebe das letzte Wort.

    Für Liv Lisa Fries ist es als Berlinerin ohnehin eine sehr persönliche Geschichte. Ihre herzzerreißende Darbietung ist das emotionale Herzstück des Films. Auch Johannes Hegemann empfand, nicht nur aufgrund der Namensgleichheit, eine tiefe Verbundenheit zu seiner Figur, ist er doch in demselben Alter wie Hans Coppi, als er starb.

    Nie vergessen

    Ich kann schon in Gedanken einige Stimmen hören: „Ist ja nur eine weitere Opferbiografie, wegen der wir uns schlecht fühlen sollen.“ „Kann Deutschland nicht mal von etwas anderem erzählen, als immer nur dem Zweiten Weltkrieg?“
    Der Film hätte sich auch genauso gut um eine der anderen Frauen oder Männer drehen können, die wir sehen. Dafür dass die Nazis genug Menschen umgebracht haben, um ein ganzes Leben mit Geschichten über sie füllen zu können, kann der Film nichts.

    Ich habe nach der Vorführung direkt die Chance genutzt, und bin nach Plötzensee gefahren, dem Ort wo sie ermordet wurden, um Hilde und allen anderen, die für ihre Ideale eingestanden sind, zu gedenken. Dresen selbst wies darauf hin, er wünsche, der Film wäre weniger aktuell. Jurymitglied Jasmine Trinca betonte bei der Jurypressekonferenz auf eine Frage zum Ausschluss gewisser Politiker von der Veranstaltung hin, dass Faschisten erst recht im Publikum sitzen sollten, um vielleicht etwas lernen zu können. Ich hoffe inständig wir hören nie auf, Filme wie diesen zu machen, denn sobald wir anfangen zu vergessen, beginnen wir zu wiederholen.
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    (Markus Toth)
    22.02.2024
    20:35 Uhr