Past Lives - In einem anderen Leben

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Forumseintrag zu „Past Lives - In einem anderen Leben“ von cinemarkus


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cinemarkus (25.07.2023 23:17) Bewertung
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
Celine Song zeigt in ihrem berührenden Debütfilm auf wie die Entscheidungen, die wir treffen unsere Leben formen, und wird dabei auch sehr spirituell.

Nora (Greta Lee) und Hae Sung (Teo Yoo) sind die dicksten Freunde als Noras Eltern mit ihr plötzlich aus Südkorea auswandern (woraus die augenscheinliche Namensänderung resultiert). 20 Jahre später lebt sie mit ihrem Partner Arthur (John Magaro) als erfolgreiche Autorin in New York. Nachdem sie sich vorher über Social Media wieder gefunden haben, wagt Hae Sung endlich den mutigen Schritt und will seine Jugendliebe in ihrem neuen Zuhause besuchen. Alte Wunden reißen auf …

„Past Lives“ ist autobiographisch zu verstehen. Die junge Filmemacherin, die einst selbst aus Südkorea emigrierte, (inklusive Namensänderung), erzählt eine Geschichte die sich unglaublich real anfühlt - weil sie es mehr oder minder ist. Laut ihr sei die Idee des Films in genau dem Moment entstanden, der die Eröffnungsszene widerspiegelt: sie saß mit ihrem amerikanischen Mann und ihrem koreanischen Besucher in einer Bar und fragte sich was die Leute wohl über das Trio dachten.

Der Anspruch sei von Anfang an gewesen, Figuren zu zeigen, die sich wie Erwachsene verhalten, ohne Klischees, ohne Romantisierung; keine Frau, die verloren ist und eine Lücke mit einem Mann füllen will, sondern eine die mitten im Leben steht. Arthur sagt selbst, die Geschichte der beiden Jugendfreunde wäre zu schön. Sie wären füreinander bestimmt und er der böse weiße Ehemann, der dem Glück im Weg steht. Da wünscht man sich irgendwie eine Alternativmontage ähnlich „La La Land“ herbei, doch die kommt nicht. Es handelt sich nunmal nicht um ein kitschiges Märchen sondern harte Realität, die schön aber auch zermürbend sein kann. Song schafft es, als Kirsche obendrauf auch noch das perfekte Ende zu finden, das genau diese Botschaft unterstreicht.

Ich bin und war nie ein spiritueller Mensch. Aber das im Film genannte Konzept des „Inyun“, das aus dem Buddhismus stammt, hat mich viel zum Denken angeregt. Es erzählt von einer Verbundenheit, die über multiple Leben reicht. Je öfter wir in vergangenen Inkarnationen miteinander in Kontakt traten, desto höher das Inyun. Menschen mit hohem Inyun kommen zusammen und werden Paare. Das bedeutet im Gegenzug, was in diesem Leben nicht zu sein vermag, ist möglicherweise für ein zukünftiges bestimmt. Selbst Nora tut es am Anfang nur als Scherz ab, doch schlussendlich glaubt auch sie daran.

Einen beachtlichen Anteil am extremen Realismus hat die makellose Schauspielarbeit. Ein paar Tricks halfen aber dabei, noch wahrhaftigere Darbietungen aus den Akteuren zu kitzeln. Es gab kaum Proben, das Gefühl sich lange nicht gesehen zu haben sollte so echter sein, sie durften sich laut Regieanweisung vor der ersten Unarmungszene nicht einmal berühren. Die Männer entschieden gar, sich vorher überhaupt nicht zu treffen, außerdem machte sich Hauptdarstellerin Greta Lee, einen Spaß daraus die beiden ein bisschen gegeneinander auszuspielen. Das Resultat ist eine Figurenkonstellation, die sich so echt anfühlt, dass es weh tut.

„Past Lives“ hat mich auf persönlicher Ebene tief berührt und mir sogar dabei geholfen ein eigenes Trauma besser zu verstehen, dass mich seit Jahren plagt. Ein besseres Lob kann es für einen Film kaum geben.
 
 

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