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  • Bewertung

    Im Weltraum hört dich niemand weinen

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2024
    Dass Adam Sandler schauspielern kann, sollte Anno 2024 kein Geheimnis mehr sein. Lange Zeit als Dauergast der Goldenen Himbeeren belächelt und verspottet, hat der Komiker spätestens mit dem stressgeladenen Adrenalin-Thriller „Uncut Gems“ sein Talent demonstriert. Erste Hinweise darauf ließen sich schon in der 2002 erschienenen Tragikomödie „Punch-Drunk Love“ erkennen. Die Tatsache, dass Sandler auch in seinem aktuellsten Abstecher ins dramatische Fach zu überzeugen weiß, sollte demnach nicht überraschen. Leider enttäuscht der Film um ihn herum, trotz interessanter Prämisse, hochkarätiger Starbesetzung und einem Regisseur (Johan Renck), der für das Serienprojekt „Chernobyl“ erst kürzlich mit einem Preisregen übergossen wurde.

    Mit „Spaceman“, einer Adaption des Bestselleromans „Spaceman of Bohemia“ von Jaroslav Kalfař, unternimmt Sandler einen ungewöhnlichen Ausflug ins Weltall. Er verkörpert Jakub Prochazka, einen tschechischen Astronauten, der bis ans andere Ende des Sonnensystems entsandt wird, um eine grell leuchtende Wolkenkonstellation unter die Lupe zu nehmen. Der Plot des Film setzt im sechsten Monat seiner Reise an, wir sehen einen von Isolation zerfressenen Space-Kadetten, der durch die einengenden Räumlichkeiten eines Raumschiffs schwebt. Der Baustil erinnert an osteuropäische Modelle der 1970er-Jahre. Es sind die glaubwürdig entgeisterten Blicke Sandlers, die uns als Zuschauer zunächst ähnlich schwerelos in die Gefühlswelt eintauchen lassen. „Er vermisst seine Frau“, wie Isabella Rosellini als taffe Befehlshaberin der Mission, die diese vom Komfort der Erde aus beobachtet, klar zu verstehen gibt. Seine hochschwangere Frau Lenka (Carey Mulligan: eine undankbare Rolle für eine großartige Schauspielerin) plant jedoch die Ehe zu beenden. Eine Hiobsbotschaft, die dem Astronauten vorenthalten werden soll. Man möchte ihm ja während einer kräftezerrenden, planetenumkreisenden Odyssee durchs halbe Universum nicht noch mehr Stress zufügen. Dass im Privatleben nicht alles rund läuft, ahnt der in sich gekehrte „Spaceman“ aber bereits. Die ungewöhnliche Begegnung mit einer spinnenähnlichen Alienkreatur (im Originalton: Paul Dano) führt dazu, dass er über vergangene Fehler im Liebesleben reflektiert. Und das zu schätzen lernt, was er als selbstverständlich hingenommen hat.

    Wenn man „Spaceman“ etwas nicht ankreiden kann, dann ist das fehlende schauspielerische Finesse. Neben Sandler, der sich von einer ungewohnt ruhigen Seite präsentiert, und der trotz einseitiger Figurenzeichnung stark aufspielenden Mulligan leistet auch der Rest der Darstellerriege solide Arbeit. Mitunter erstaunt die Besetzung von Kunal Nayyar, als unbeholfener Physiker Raj im Comedy-Hit „The Big Bang Theory“ einem Millionenpublikum bekannt geworden. Entgegen aller Erwartungen fügt sich der Sitcom-Star wunderbar ins trostlose Setting des Sci-Fi-Dramas ein – ein Zottelbart lässt einen einfach reifer erscheinen, wie sich auch beim Hauptdarsteller zeigt. Die große Problematik hinter „Spaceman“ lauert im Kleingedruckten, genau gesagt in einem unausgegorenem Drehbuch. Spannende Erzählansätze verlaufen sich ins Leere, existentielle Fragen werden ärgerlich plump abgehandelt, das Liebesdrama erzwungen melodramatisch aufgeschlüsselt. Subtilität sucht man vergebens. Genre-Versatzstücke, die Erinnerungen an „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ oder „2001“ wecken, werden zu einem wenig stimmigen Mix aus schnulziger Paartherapie und kaleidoskopischer Science-Fiction verrührt. Blöd nur, wenn selbst der hyperkünstliche Bilderreigen wenig berauscht. Ein leider enttäuschender Trip in fremde Sphären.
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    (Christian Pogatetz)
    25.02.2024
    16:22 Uhr