Filmkritik zu Saw X

Bilder: Constantin Film, Studio Canal Fotos: Constantin Film, Studio Canal
  • Bewertung

    Ein Mörder für die Massen

    Exklusiv für Uncut
    Totgeglaubte leben länger, sagt man. Im Falle von „Saw“ trifft dieser Leitsatz gleich doppelt zu: sowohl bezogen auf das nie enden-wollende Weiterspinnen der Metzelmarke wie auch das Schicksal seiner Hauptfigur. Denn eigentlich weiht John Kramer, der als Folterexperte Jigsaw der Reihe zu Mainstream-Ruhm verhalf, schon seit einigen Teilen nicht mehr unter den Lebenden. Sei's drum, dann springt man eben wild in der Timeline umher. Heraus kommt dann eine Kontinuität, die so konfus ist, dass es selbst im chaotischen Kosmos des Franchise-Horror kaum Vergleichbares gibt. Da verlieren sogar alteingesessene Fans den Überblick - und langsam auch die Lust auf mehr. Aber so ganz möchte man den Glauben an dieses einst fulminant gestartete Killeruniversum auch nicht verlieren. Wer weiß, vielleicht werde man irgendwann zu alter Stärke zurückfinden?

    Alle guten Dinge sind 10?

    Nach dem gescheiterten Versuch eines starbesetzen Neustarts mit u.a. Chris Rock („Saw Spiral“), will man sich mit Teil 10 zurück auf die Ursprünge besinnen. Mit Kevin Greutert hat man sich zudem ein Urgestein der Reihe auf den Regiesessel geholt. Ein kluger Schachzug, denn „Saw X“ ist tatsächlich der nötige Schuss Adrenalin, den dieses verstaubte Franchise benötigt. Dabei beginnt das Prequel ganz gemächlich und unscheinbar. Wir sehen einen abgemagerten John Kramer (Tobin Bell: großartig), der die Schreckdiagnose schlechthin erhält: Krebs im Endstadium. Er hätte nur noch wenige Monate zu leben. Doch dann wittert er Licht am Ende des Tunnels: eine neuartige Heilprozedur in Mexiko verspricht Wunder in den noch so ausweglosen Fällen. Schnell muss er aber merken, dass er geldgierigen Scharlatanen zum Opfer gefallen ist - verbessert hat sich sein Gesundheitszustand in keinster Weise. Das kann er nicht einfach so hinnehmen. Schon bald finden sich die Drahtzieher der Aktion in seinen Todesfallen wieder.

    Bösewicht oder (Anti-)Held?

    Beim Schauen des Films vergisst man zeitweise, dass man hier eigentlich einem Serienkiller auf Schritt und Tritt folgt. Nie ist es einfacher gefallen, die häufig verquere Moral des Mörders zu verstehen, die Motive nachzuvollziehen. John Kramer selbst sieht die Jigsaw-Spielchen als Mittel, den Abfall der Welt zu beseitigen - jene Menschen, die anderen Unrecht getan haben. Nur eben auf grausamste Weise, die man sich vorstellen kann. Widersprüchlich? Und wie! Doch so Leid einem manches Opfer im Fallentrakt der Hölle auch tun kann, so schwer fällt es, sich diesmal nicht auf die Seite des Killers zu stellen. Noch nie war eine Gegenspielerin Jigsaws so unausstehlich, so gewissenlos, wie hier. Diese tritt auf in Form der Scheinärztin Cecilia Pederson (Synnøve Macody Lund), die ausschließlich am Geld ihrer Patient*innen interessiert ist. Der moralische Graubereich, in dem sich John Kramer (in Puppen- wie in Menschengestalt) fortbewegt, macht die Figur seit ihrem ersten Auftritt besonders interessant. Blut- und Beuschelfans werden dafür einmal mehr mit sagenhaft sadistischen Fallen belohnt. Ob nun am Körper befestigte Rohrbomben oder eine unfreiwillige Hirn-OP: das Blutspektakel bleibt grauslich und kreativ wie eh und je. Darüber hinaus wird dieses nun halt auch von einem weitgehend kohärenten Plot mit spannendem Grundkonflikt zusammengehalten. Und das ist mehr, als man vom Großteil dieser Reihe behaupten könnte. Dieser Killer ist doch noch für eine Überraschung gut.
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    (Christian Pogatetz)
    13.12.2023
    10:37 Uhr