Bilder: The Walt Disney Company Fotos: The Walt Disney Company
  • Bewertung

    Märchen vom Täuschen und Getäuscht-Werden

    Exklusiv für Uncut
    Guillermo del Torros neuester Kinofilm wirkte für mich trotz der beinharten und ohne Umschweife erzählten Geschichte wie ein Märchen mit einer ganz besonderen Moral der Geschichte. Märchen deshalb, weil der Film in einer großteils zauberhaften Welt angesiedelt ist, einer Welt voller Geheimnisse, Sonderbarkeiten und allerlei Mysterien. Eine Welt für sich, ein von der Außenwelt scheinbar unabhängiger Ort, an dem sich Künstler vom Rest der Welt zurückziehen, um diesen zugleich mit ihren Tricks zum Staunen und so mancher Grausamkeit zum Schrecken zu bringen. Aber auch in dieser Welt, in der moralische Regeln ebenso wenig zu gelten scheinen wie Gesetze und Ordnung der Welt außerhalb des Jahrmarktgeländes gibt es so etwas wie Hierarchie, Unterordnung und solche Menschen, die andere für ihre Zwecke mit einem Lächeln im Gesicht schamlos benutzen und täuschen. Ein Mikrokosmos in buntem Gewand, der den Besucher*innen angenehme und weniger angenehme Schauder beschert, ihnen aber zugleich in so manchem Spiegelkabinett der Sünde den Spiegel vorhält und ihnen bewusst macht, dass auch sie Sünder sind - auch wenn sie die Welt nicht für solche hält, die Artisten am Jahrmarkt allerdings schon.

    Guillermo del Torro setzt in seinem Film auf wunderschöne Film-Noir Sets und Überblendungen, die Bilder sind auf besondere Weise beleuchtet, sodass sie die Gesichter vor dunklem Hintergrund zum Strahlen bringen und der rote Lippenstift so mancher Dame besonders kräftig zum Vorschein kommt. Fans dieses Stils können den Film daher derzeit im Wiener Gartenbaukino in einer Schwarzweiss-Fassung bewundern. In seiner Geschichte kreist er um einen jungen Mann namens Stanton Carlisle, auf der Suche nach Arbeit und einem Neustart nachdem sich in seinem Leben eine tragische Wendung zugetragen hatte, vor der er auf der Flucht ist. Unterwürfig, alles anpackend, aber zugleich hellwach aufmerksam für alles, was sich ihm anbietet, um es für seine Zwecke zu nutzen: das Vertrauen von Wohlgesinnten ebenso wie den Respekt der Anführer. Seine Lebensgeschichte wird zu einem Märchen, in dem der amerikanische Traum (vom Hilfsarbeiter zum Bühnenstar) ebenso vorkommt wie die kriminelle Unterwelt und das Recht des Stärkeren.

    Am Ende siegt die Gerechtigkeit, denn wer Andere immer täuscht, der kann auch selbst getäuscht werden und sehr steil abstürzen...

    Der Film ist keine leichte Kost, denn er spart nicht mit Szenen, die ob ihrer Gewalt und Grausamkeit verstörend wirken, er setzt dem Glanz und Glamour von Stars die Fratze des hohlen Scheins aufs Gesicht, deren breites Grinsen kurz aufkeimende Faszination bald wieder zunichte macht. Er deckte die Abgründe menschlicher Psyche auf, zeigt, was Schuldgefühle Menschen und ihrem Umfeld antun und welche Folgen sie auslösen können und wozu Menschen imstande sind, wenn sie nur richtig verzweifelt sind. Glaube kann Berge versetzen, aber auch in Untiefen des Leides führen, aus dem es bald kein Entrinnen mehr gibt.

    Bradley Cooper hat mich in der Hauptrolle einfach nur fasziniert, so wandlungsfähig zeigt er sich während der gesamten Geschichte: hilflos und -bedürftig, Halt und Liebe suchend, gerissen und skrupellos, hinauf zum Star und hinab ganz hinunter.

    In den Nebenrollen gibt es allerlei Stars zu bewundern, allesamt in ihrer Nische mit viel Liebe zum Detail gezeichnet und mit genug Screentime, dass sie ihre Stärken auf der Leinwand auch einsetzen können. Ein großartiger Film, der scheinbar in einer vergangenen Welt angesiedelt ist, aber verblüffend viel Aktualität bis heute besitzt.
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    (Markus Löhnert )
    06.02.2022
    17:01 Uhr
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