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  • Bewertung

    Ein Mord in der Modewelt

    Exklusiv für Uncut
    Ridley Scott scheint mit seinen 84 Jahren beschäftigter denn je. Nach dem Erfolg seines Mittelalterspektakels „The Last Duel“ und der daran anschließenden Pressetournee, die für so einige Aufregung sorgte, kommt nun sein zweiter Beitrag für das Filmjahr 2021 in die Kinos: „House of Gucci“, eine stylische Auseinandersetzung mit der faszinierenden Familiengeschichte rund um eines der bekanntesten Modeimperien der Welt. Der Film basiert auf Sara Gay Fordens Roman „The House of Gucci: A Sensational Story of Murder, Madness, Glamour and Greed” – ein Titel, der sich auch für die Verfilmung als äußerst richtungsweisend herausstellen soll.

    Die aus eher einfachen Verhältnissen stammende Patrizia Reggiani (Lady Gaga) lernt auf einer Party den Jus-Studenten Maurizio (Adam Driver) kennen, der sich als jüngster Sprössling des renommierten Gucci-Clans herausstellt. Die beiden verlieben sich ineinander und schon bald läuten die Hochzeitsglocken. Jedoch sehr zum Missfallen von Maurizios Vater Rodolfo (Jeremy Irons), der Patrizia Geldgier unterstellt und seinen Sohn daraufhin verstößt. Erst mithilfe seines Onkels Aldo (Al Pacino) und auf Drängen Patrizias hin findet Maurizio wieder zurück in das lukrative Familienunternehmen. In weiterer Folge entwickelt sich dadurch allerdings ein Netz aus Machtkämpfen und Intrigen, in das auch Aldos nichtsnutziger Sohn Paolo (Jared Leto) und die Wahrsagerin Pina (Salma Hayek) verwickelt sind. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf… und endet schlussendlich sogar in einem Mord.

    1921 von Guccio Gucci als Lederwarengeschäft in Florenz gegründet, etablierte Guccios Sohn Aldo das Familienunternehmen „Gucci“ als eines der renommiertesten Modehäuser weltweit - nicht zuletzt auch dank Ingrid Bergmans Verwendung einer „Bamboo Bag“ in Roberto Rossellinis „Reise in Italien“ im Jahr 1954. 1995 sollte der Familien- und Firmenname dann erneut Schlagzeilen machen, dieses Mal jedoch im negativen Sinne: Maurizio, der Enkel von Guccio, fiel einem gewaltsamen Attentat zum Opfer. Für noch mehr Empörung sorgte allerdings der Prozess rund um Maurizios Ehefrau Patrizia, die den Mord an Maurizio angeblich in Auftrag gegeben haben soll, was diese allerdings bis heute bestreitet. Schlussendlich wurde die von der Presse als „Schwarze Witwe“ betitelte Patrizia zu 29 Jahren Gefängnis verurteilt, wovon sie 18 Jahre absaß, bevor sie 2016 wegen guter Führung freigelassen wurde.

    So viel zu den realen Begebenheiten rund um den berüchtigten Gucci-Mord, der Forden als Grundlage für ihren Roman diente. Wie macht sich nun aber Ridley Scotts filmische Adaption? Angesiedelt zwischen True-Crime-Thriller, italienischer Telenovela und Finanzdrama, hat der Regieveteran „House of Gucci“ jedenfalls sehr stylisch aufgezogen (was aufgrund des Bezugs zur Modewelt wahrscheinlich auch nicht anders zu erwarten war). Die Kostüme, die Villen, die Autos – alles schreit nach Luxus und Extravaganz. Begleitet wird das Ganze vor allem von Musik der 80er (neben italienischen Hits wurde unter anderem auf Blondie, Donna Summer oder die Eurythmics zurückgegriffen), die es zwar schafft, das schrille Jahrzehnt auch auf der Tonebene gekonnt zu repräsentieren, wenngleich die einzelnen Tracks oftmals auch lediglich lieblos aneinandergereiht wirken. Spätestens bei George Michaels „Faith“, das während Maurizios und Patrizias Hochzeit zu vernehmen ist, wird man sich dem musikalischen Overkill mehr als bewusst. Die Duettversion mit Luciano Pavarotti von Tracy Chapmans „Baby Can I Hold You Tonight“ liefert aber dennoch ein fulminantes, wenn auch kitschiges Abspannlied.

    In Ridley Scotts Verfilmung übernahm die vor allem als Sängerin bekannte Lady Gaga die Rolle der Patrizia. Dies stellt nach „A Star is Born“ Gagas zweite Hauptrolle in einem Spielfilm dar. Die reale Patrizia Reggiani kritisierte in einem Interview zwar die Tatsache, dass Lady Gaga sie nicht im Vorhinein der Dreharbeiten konsultiert habe, eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit der beiden Frauen stritt sie allerdings nicht ab. Eine der denkwürdigsten Szenen rund um die Darstellung der „Schwarzen Witwe“ sorgte bereits im Trailer des Films für einige Furore: Besagte Lady Gaga, die sich bekreuzigt und dazu mit stark italienischem Akzent „Father, Son and House of Gucci“ spricht. Die Schlagfertigkeit wurde vom Publikum gefeiert, der starke (und für viele falsch klingende) Akzent jedoch größtenteils kritisiert. Für manche mag Gagas Darstellung der Patrizia Reggiani ohnehin zu viel des Guten sein, zurückhaltend wirkt ihr Auftritt im modischen Familienepos jedenfalls keineswegs. Und damit dürfte sie sich wahrscheinlich gerade deshalb erneut – man erinnere sich an „A Star is Born“ - auf Oscarkurs begeben.

    Als charmante Elizabeth-Taylor-Doppelgängerin verdreht sie zu Beginn dem Gucci-Erben Maurizio den Kopf, der von einem eher unterkühlt wirkenden Adam Driver dargestellt wird und sich gerade deshalb, als Kontrast zu Lady Gaga quasi, überraschend gut in die rasante Familientragödie eingliedert. Neben Gaga scheint aber auch Jared Leto sehr stark in seine Filmrolle investiert zu sein, der neben einem typverändernden Komplett-Makeover ebenfalls mit einer Szene für Aufsehen sorgte, die bereits im Trailer zu sehen war und aufgrund seiner übertriebenen Ausdrucksweise jetzt schon Kultcharakter besitzt („It’s chiiiic“). Al Pacino sorgt für einen Hauch „Der Pate“-Feeling und Jeremy Irons mimt einen weiteren Vertreter der Gucci-Dynastie in stilvollem Gehabe, genauso wie Salma Hayek, die als resolute Wahrsagerin Pina zu sehen ist. Interessant zu wissen: Hayek ist im realen Leben mit François-Henri Pinault, dem CEO des Luxuskonzerns Kering verheiratet, zu dessen Marken Gucci heute gehört!

    „House of Gucci“ ist jedenfalls ein sehr durchwachsenes Werk, welches vor allem durch seine überdrehten Charaktere und seine kitschige Inszenierung auffällt – und das nicht mal in negativem Sinne. Leider behält Ridley Scott diese Herangehensweise allerdings nicht den ganzen Film über bei, gerade die ernsteren Töne sorgen deshalb für ein ziemlich inhomogenes Gesamtbild. Das gehetzte Ende steht außerdem in ziemlichem Kontrast zu dem sehr ausschweifend erzählten Beginn der Handlung, was aber immerhin die Gesamtlaufzeit von knapp zweieinhalb Stunden begründet. Was will „House of Gucci“ also sein: Satire? Melodrama? Man weiß es nicht genau und hat am Ende das Gefühl, dass der Film mehr verspricht, als er dann letztendlich im Stande ist auszuführen. Man müsste aber lügen, wenn man behaupten würde, der ganze Kitsch und die überzeichneten Charaktere würden keinen Spaß machen. Einen gewissen Charme kann man „House of Gucci“ deshalb sicherlich nicht abstreiten.