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    Sweet Country – Cruel History

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der australische Filmregisseur und Kameramann Warwick Thornton, der dem österreichischen Publikum wohl am ehesten durch sein Spielfilmdebüt „Samson & Delilah“ aus dem Jahr 2009 ein Begriff sein könnte, wagt sich mit seinem neuen Film „Sweet Country“ abermals an das tragische Kulturgut Australiens.

    1929, Northern Terrritory. Der Farmarbeiter und Aborigine Sam Kelly sieht sich gezwungen den psychisch labilen Kriegsveteran Harry Mash aus Notwehr zu erschießen, nachdem dieser Sam und dessen Frau wutentbrannt und um sich schießend überfällt. Die einzig logische Konsequenz für das Paar ist der sofortige Aufbruch, sie müssen fliehen. Es beginnt eine Verfolgungsjagt durch die heißen, trockenen Wüsten des Outbacks, welches in beeindruckenden Panoramaaufnahmen dem Publikum präsentiert wird. Der aufgewirbelte rote Sand und die schneeweiße Salzwüste, in der ein Mensch kaum Überlebenschancen hat, werden durch den Wechsel von extremen Long-shots und Close-ups zu taktilen Elementen im Film. Man hat also das Gefühl, man könne den Sand ertasten, die Hitze spüren und das Salz in der Luft riechen und schmecken. Umso befreiender ist demnach das aufkommende Gefühl beim Rezipierenden, wenn die Figuren inmitten des glühend heißen Outbacks auf Wasser stoßen, selbst wenn diese keine Sympathieträger sind.

    Da der kluge und weise Sam Kelly sein Land besser kennt, als seine Verfolger rund um Sergeant Fletcher, sind er und seine Frau diesen immer einen Schritt voraus. Doch da seine Frau schwanger ist und ihre Gesundheit unter den Fluchtbedingungen extrem leidet, entscheiden sich die beiden dafür die Rückreise anzutreten und sich dem bereits wartenden Gerichtsprozess, der über Sam Kellys Schicksal entscheiden wird, zu stellen.

    Die im Northern Territory spielende Fiktion basiert auf historischen Gegebenheiten. Die unüberwindbare Spannung zwischen Ureinwohner und Siedler, die einen menschenunwürdigen Umgang an den Tag legen, stehen im Fokus.

    Einen weiteren realen Bezug bekommt der Film zum Beispiel auch dann, wenn den Einwohnern der Siedlung „The Story Of The Kelly Gang“ (1906) von Charles Tait über einen zu der Zeit üblichen Kinematographen auf einer Leinwand inmitten des Dorfplatzes vorgeführt wird. Der Film zählt zur frühen Phase des Kinos und gilt mit ca. 70 Minuten Spielzeit als der erste lange Spielfilm. Denn in den seltensten Fällen gingen Filme vor 1906 länger als ein paar Minuten. Ab 1905/1906 änderte sich dann aber sowohl die Motivation der Zuschauerinnen und Zuschauer, die nicht mehr nur wegen des Kinematographen, den neuen Effekten oder ähnlichem die produzierten Filme konsumierten, als auch die Struktur der Filme an sich. Zunehmend wichtig wurde die Narration und die immer länger werdende Spieldauer sowie die Institutionalisierung des Kinos, wie es in „Sweet Country“ repräsentativ dargestellt wird.

    Die Gewaltdarstellungen im Film werden durch gute Spezialeffekte glaubhaft inszeniert und besitzen Schockpotential. Auch das Schauspiel der Darsteller ist durch die Bank solide, wobei Ewen Leslies Performance des cholerischen, hoch explosiven Harry Marsh meiner Meinung nach am stärksten beeindruckt.

    Trotz des dramatischen Inhalts gelingt es Regisseur Warwick Thornton „Sweet Country“ auch mit komischen Momenten zu versehen, wie zum Beispiel mit einer schrägen Lagerfeuer-Version des Songs „Jesus Loves Me“, die eine Welle an Gelächter im Publikum auslöste.

    Abschließend lässt sich sagen, dass das Outbackdrama im Westernstil zwar generell mitreißend und unterhaltsam, allerdings besonders im Rahmen der Verfolgungsjagt deutlich spannender hätte gestaltet werden können.
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    (Susan Häußermann)
    02.11.2017
    13:22 Uhr