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  • Bewertung

    Hypnotisch entschleunigt

    Exklusiv für Uncut aus Cannes 2015
    Eine Gruppe Soldaten ist von einer mysteriösen Schlafkrankheit befallen. Untergebracht sind die in einem eigens für sie ausgestatteten Raum in einer ehemaligen Grundschule eines thailändischen Dorfes. Eine spezielle Lichttherapie soll ihnen bei der Genesung helfen. Mit „Cementary of Splendour“ kehrte Regisseur Apichatpong Weerasethakul nach Cannes zurück. An jenen Ort, wo er bereits 2002 und 2004 ausgezeichnet wurde und 2010 mit „Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives“ sogar die Goldene Palme gewinnen konnte. Er gehört klar zu den Kritikerlieblingen an der Croisette. Und auch sein neuer Film begeisterte seine Fans. Wobei dieser für Weerasethakul-Verhältnisse sogar überraschend narrativ und chronologisch erzählt wird. An einem ändert sich jedoch nur wenig: Mit viel Feingefühl vermischt der Ausnahmekünstler Diesseits und Jenseits, Vergangenheit und Gegenwart, frühere und gegenwertige Leben zu einem hypnotisch-meditativen Werk. Wind, Wasser, Natur sind allgegenwärtig. Entschleunigung wird zelebriert. Und wie kann das besser geschehen, als schlafende Körper während einer Lichttherapie in Szene zu setzen. Die Neonröhren geben diesen Szenen einen Touch von Science Fiction. Weerasethakul arbeitete hier zum ersten Mal mit dem mexikanischen Kameramann Diego Garcia. Laut eigener Aussage, will er das auch in Zukunft noch öfters tun.

    Die Soldaten kämpfen in ihren Träumen für alte Könige. Denn wo sich nun das Dorf befindet, stand früher der Königspalast samt Königsfriedhof. Die Junge Keng ist ein Medium. Als solches kann sie Einblick in verschiedene Welten und Realitäten nehmen. Der Ort ist mit Erinnerungen und Geschichte aufgeladen. Ein und derselbe Ort kann mehrere Räume in sich beherbergen, nur Keng kann diese sehen. So zeigt sie bei einem Spaziergang durch den Wald der Pflegerin Jenjira den alten Palast. Im Gegensatz zu „Uncle Boonmee“ verzichtet Weerasethakul Vergangenes zu visualisieren. Vieles ist unglaublich einfach, aber wirkungsvoll. Es gilt, den Geist zu öffnen. Phantasie und Glaube an das Phantastische sind die Grundvoraussetzungen.

    Weerasethakul zufolge handelt es sich hierbei um seinen bislang persönlichsten Film. Gedreht wurde in seinem Heimatdorf. In der Geschichte verarbeitet er Legenden, die ihm als Kind erzählt wurde, zeigt Orte, die sein Leben prägten. Gefilmt wurde hauptsächlich mit natürlichem Licht, die Schauspielenden sind großteils Laien. Grundsätzlich gilt: Wer Weerasethakul-Filme mag, wird auch diesen lieben. Wer jedoch mit langen, hypnotischen Sequenzen, Entschleunigung und einer fragmentarisch bleibenden Handlung nur wenig anfangen kann, wird auch mit diesem Werk keine Freude haben.
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    (Patrick Zwerger)
    20.05.2015
    16:11 Uhr
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