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    die "freiheit" der sterne

    tinseltown, die stadt der lebenden toten, die aus dem licht der öffentlichkeit verdrängt doch noch um ein letztes stück an anerkennung ringen, gejagt von erinnerungen an verstorbene angehörige, deren geister sie nicht bannen können. leere hüllen, mehr schlecht als recht aufrecht gehalten von drogen, medikamenten und einer industrie, die aus der vermeidung des unvermeidlichen mit botox, massagen und zweifelhaften therapien ein lukratives geschäftsmodell gemacht hat; die letzten grenzen der intimität werden aufgehoben, körper als öffentliches gut ausgeleuchtet und abgelichtet wie die letzten winkel der klinisch kalten, ebenso leeren wohnungen. und doch: überall "geheimnisse, die töten", dysfunktionale familien, die ihre leichen im keller an die nächste generation weitergeben:

    agatha weiss (mia wasikowska) leidet noch immer am sündenfall ihrer eltern – ein feuer hat sie schon einmal gelegt, der vater (john cusack), der als therapeut eigentlich hilfe geben sollte, hat sie rausgeworfen. die alternde havana segrand (großartig zerrüttet julianne moore) sieht in dem angebot, die oscar-gekrönte rolle ihrer verstorbenen mutter zu übernehmen, nicht nur die fucking letzte chance für einen karriereschub, sondern wohl auch die möglichkeit, sich mit ihren inneren dämonen auseinander zu setzen. agatha lässt sich bei havana als mädchen für alles anheuern – sollte der job zu fordernd sein: ein flügel der entzugsklinik ist bereits für abhängige assistenten reserviert... und da wäre noch benjie (evan bird), der kinderstar aus bad babysitter 2: ein unglaublicher kotzbrocken aus arroganz, narzisstischer kränkung und mörderischem drogenmissbrauch – agathas bruder. und so verzweifelt die generationen alten probleme auch verdrängt werden – mit einem knalleffekt brechen sie hervor, das re-enactment der elterlichen schuld endet im befreienden tod.

    der abspann führt zur himmlischen sternenkarte: scheat, alioth, mekbuda, grumium... auch hier synonyme für gefängnis, mord, selbstmord und extremes unglück.
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    21.02.2015
    00:13 Uhr
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    Die Hure Babylon

    Hollywood brennt! So zumindest schreit uns ein Poster des Films optisch an. Und eine Karte zu den Sternen ist der Film auch nicht. Es ist David Cronenbergs bitterböse Abrechnung mit dem Zirkus Hollywood. Die Macken der Stars sind nur die Oberfläche der Szenerie. Darunter tun sich Abgründe von Menschenverachtung auf. Man bedient sich einer Fäkaliensprache (jedes zweite Wort fängt mit ‘F‘ an) der übelsten Art. Die Männer denken mit dem Schwanz, die Frauen mit ihrem Genital und beide Geschlechter haben nur ihre Karriere im Sinn. Ein echter Sündenpfuhl!
    Heuchelei und Neid sind die häufigsten zwischenmenschlichen Regungen. Es wird ausgebeutet und rumkommandiert, dass man es kaum glauben kann. Die Unterhaltung besteht meist aus verletzenden Sprüchen. Selbst Inzest ist vorgekommen. Schizophrene Wahnvorstellungen führen unter anderem fast zu einem Mord. Es ist ein Sammelsurium von lauter total kaputten Typen. So bleibt am Ende nur ein zweifacher Suizid als Ausweg. Hier setzt Cronenberg ein Sahnehäubchen: ‘La Liberté‘ von Paul Eluard. Zeilen daraus geistern durch den ganzen Film. Benjie (Evan Bird) und seine Schwester Agatha (Mia Wasikowska) wählen die letzte Freiheit.
    Cronenbergs Film ist eine Psychofolter der besonderen Art, denn eigentlich gibt es ja so etwas wirklich. Nur diese Dichte und Konsequenz erschlägt einen. Aus der unglaublich guten Darstellerriege ragt turmhoch Julianne Moor heraus. Sie ist wie fast alle Opfer und Täter zugleich.
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    06.11.2014
    10:04 Uhr
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    Inside Hollywood

    Exklusiv für Uncut aus Cannes 2014
    Wenn ich an Filme über Hollywood denke, dann werden zuerst die schlechten Werke wieder lebendig: INSIDE HOLLYWOOD mit Robert DeNiro und JIMMY HOLLYWOOD mit Joe Pesci. Danach fallen mir die gelungenen Werke zum Thema ein: THE PLAYER und SHORT CUTS von Robert Altman sowie WAG THE DOG mit Dustin Hoffmann und Robert DeNiro. David Cronenbergs "Sternchenfilm" reiht sich überraschenderweise in die erste Kategorie ein. Aber vielleicht bin nur ein wenig unsensibel geworden, da mich die Macken und Psychosen von Schauspielern, Regisseuren und Produzenten nur noch begrenzt interessieren. Welche eine Überraschung (ironisch gemeint), dass in der porträtierten Hollywoodfamilie (John Cusack und Olivia Williams spielen die Eltern von zwei mehr oder weniger verrückten Teenagern verkörpert von Mia Wasikowska und Evan Bird) niemand die Tassen im Schrank hat. Julianne Moore spielte eine Schauspielerin, die sich freut, dass der Junge einer Konkurrentin verstirbt, sodass sie eine Filmrolle erbt. Robert Pattinson verdient sich seine Brötchen als Chauffeur, aber eigentlich ist er ein talentierter Drehbuchschreiber. Die einzelnen Geschichten führen zu einem Gesamtbild, wo es um die erwähnte Hollywoodfamilie geht und der Zuschauer erkennen muss, dass Hollywood ein Ort der Komplexler und Irren ist. Die Tochter legt mal gern ein Feuerchen, der Sohn fühlt sich zu Drogen hingezogen, der Papa fürchtet um die Einnahmen und wendet Gewalt gegen die Tochter an und die Mutter verbrennt im wahrsten Sinne des Wortes. Alles endet in einer Katastrophe. Meine Lachmuskeln wurden nicht strapaziert und ich bin überzeugt davon, dass aus dieser Satire hätte mehr machen müssen. Ich frage mich ernsthaft: Was wollte David Cronenberg mit diesem Film wirklich aussagen?
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    19.05.2014
    23:38 Uhr