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    Im Western nichts Neues

    Walter Hill ist zurück! Der Grand Signeur des wenig zimperlichen Actionkinos hatte letztes Jahr zu den Filmfestspielen in Venedig seinen brandneuen Western mitgebracht, und zwar einen mit niemand geringerem als dem mittlerweile etwas überschätzten Christoph Waltz in der Titelrolle. Co-Star ist Allrounder Willem Dafoe, und der Titel des Streifens kann sich gerne an den Italowestern eines Sergio Leone anlehnen, wenn es heißt: Dead for a Dollar. Klingt gut, spricht sich auch gut, könnte sich gut verkaufen. Gerissen hat das Werk beim Festival aber nichts. Es kann auch gut sein, dass sich nach dem Abspann die Hälfte der Kinobesucher nicht sofort aus ihren Stühlen erhoben hat, da diese einem Schlummer anheimgefallen sein könnten, dessen Ursprung wohl die schleppende Erzählweise des Films war. Trotz des knackigen Titels und eines lethargischen Waltz, dessen süffisantes Grinsen Willem Dafoe die meiste Zeit übernehmen wird, will Dead for a Dollar niemals so recht in Schwung kommen.

    Dabei wäre der Plot zwar verschwurbelt, aber gar nicht mal so einfallslos. Im Zentrum steht der Kopfgeldjäger Max Borlund, der nach Abliefern seiner aktuellen Beute im Provinzknast auf den Gauner Joe Cribbens stößt, den er damals hinter Gitter gebracht hat. Der schwört ihm: sollte ihm Borlund demnächst nochmal über den Weg laufen, wäre noch eine Rechnung offen. Der phlegmatische Borlund grinst nur warnend und nimmt wenig später den Auftrag eines reichen Schnösels namens Kidd an, dessen Frau womöglich entführt worden ist, und zwar von einem desertierten Soldaten der Armee. Beide haben die Grenze nach Mexiko passiert, also muss Borlund ihnen nach. Was dieser nicht weiß: Das Gebiet obliegt der Oberhoheit eines arroganten Gangsters namens Tiberio Vargas (Benjamin Bratt), der mit dem Deserteur einen Dollar-Deal abgeschlossen hat, um ihnen freies Geleit zu gewähren. Es stellt sich heraus, dass die Entführung mit Lösegeld gar keine war und Lady Kidd, die angeblich Entführte, mit ihrem Lover lediglich durchbrennen wollte. Geld gibt es also keines, und das macht nicht nur Vargas, sondern auch Borlund unrund. Letzten Endes treffen sich alle in einer staubigen Kleinstadt, um miteinander abzurechnen und den bestmöglichen Vorteil aus der verfahrenen Situation herauszuholen.

    Was Christoph Waltz mit seiner Filmfigur allerdings nicht macht. Zumindest haucht er ihr nicht mehr Leben ein als notwendig. Sein Spiel ist gelangweilt und lustlos – so missglückt war noch keine seiner Arbeiten. Kann auch sein, dass sich Waltz immer noch zu sehr auf seinen Oscar-Lorbeeren ausruht, denn wirklich wendelbar sind seine Rollen seit damals allesamt kaum. Noch dazu wählt er als sein eigener Synchronsprecher ab und an die falsche Intonation, was nicht gerade dazu beiträgt, seine Rollen besser zu erden. Dahingegen weiß Dafoe viel besser zu improvisieren – doch auch bei ihm scheint der Funke und die Leidenschaft für einen Western wie diesen nicht überzuspringen. Einzig die bierernste Rachel Brosnahan zeigt etwas mehr Engagement, doch nur im Vergleich zu ihren Kollegen. Walter Hill scheint das alles nicht sonderlich zu tangieren. Er lässt seinen Cast einfach machen und wählt wohl, wie es den Anschein hat, für jede Szene die erste Klappe. Dead for a Dollar ist ein Western, der so viel besser hätte sein können. Doch so fahlbraun und entsättigt wie die Bildwelten des Films sind nicht nur Schauspiel und Setting, sondern auch der kraftlose Inszenierungsstil, der noch dazu mit regressiv wirkenden Fade Outs verwundert.

    Mit einem Western, der so seine Versprechungen macht, aber nicht hält, fügt Walter Hill, der in den Neunzigern für Genrewerke wie Geronimo oder Wild Bill verantwortlich zeichnete, kein wirklich krönendes Highlight seinem Schaffen hinzu. Und es ist, als wäre dieser Umstand allen Beteiligten schon vorab seltsam bewusst gewesen. Wofür das endenwollende Engagement letztlich sprechen würde.


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    25.02.2023
    17:59 Uhr
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    Zurück in den Wilden Westen

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Walter Hill ist ein wahres Urgestein der Genrefilm-Kunst. Mit Werken wie dem Buddy-Cop-Movie „48 Stunden“, der Sowjet-Komödie „Red Heat“ und dem Neo-Noir-Thriller „The Driver“ bescherte er dem Kino der Siebziger- und Achtzigerjahre mehrere Kultklassiker. In erster Linie sieht sich der heute 80-jährige Regisseur aber dem Westernfilm zugeschrieben und meinte in einem Interview einst sogar, dass ein jeder seiner Filme, ganz unabhängig vom Setting, auf die eine oder andere Weise dem Genre zugehörig sei. Seine Liebe zum Wilden Westen macht Hill auf seine alten Tage nun besonders deutlich: mit seinem neuesten Film „Dead for a Dollar“ liefert er nämlich einen ganz klassischen Western der alten Schule ab.

    Max Borlund (Christoph Waltz) wird dazu angeheuert, die bildhübsche Rachel (Rachel Brosnahan) aus den Klauen eines vermeintlichen Deserteurs zu befreien, der diese nach Mexiko entführt haben soll. Wie sich bald herausstellt, ist die junge Frau in Wahrheit aber kein Opfer. Tatsächlich handelt es sich bei Elijah (Brandon Scott) weniger um ihren Entführer als vielmehr ihren Lover. In der Hoffnung ihrem eigentlichen Ehemann zu entkommen, möchte sie mit ihrer neuen Liebelei nach Kuba durchbrennen. Auf dem Weg dorthin bekommen sie es aber mit einer gefürchteten Gangsterbande zu tun. Ein Umstand, der zu einer Wiederbegegnung zwischen Borlund und dem Bankräuber Joe Cribbens (Willem Dafoe) führt, den der Kopfgeldjäger einst erfolgreich hinter Gittern gebracht hatte. Cribbens ist seither auf Rache aus und als nun freier Mann dieser einem großen Schritt näher gekommen. Es bahnt sich ein unvermeidbarer Showdown an.

    Hills erster Spielfilm seit dem 2016 veröffentlichten Action-Thriller „The Assignment“ wird mit Sicherheit nie den Kultstatus seiner Frühwerke wiederholen können. Western-Liebhaber sollten aber im Normalfall trotzdem auf ihre Kosten kommen. Routiniert bedient sich Hill an den klassischen Zutaten und Tropen des Genres, moderne Akzente werden höchstens in Bezug auf die starke weibliche Protagonistin („The Marvelous Mrs. Maisel“-Star Rachel Brosnahan gibt eine gewohnt charismatische Figur ab) und ihrem afroamerikanischen Liebhaber gesetzt. In seiner Leichtigkeit erinnert der Film vielmehr an diverse B-Movies als beispielsweise an die großen Italowestern mit Clint Eastwood und Franco Nero. Teilweise wirkt das wie eine bewusste Hommage, teilweise in seiner Albernheit unfreiwillig komisch. Dennoch lässt sich schwer leugnen, dass hier jemand am Lenker saß, der sein Handwerk bestens versteht. Mit prächtigen Totalen, staubigen Szenerien und schmucken Kostümen transportiert Hill die dreckige Ästhetik des Westernfilms gekonnt ins 21. Jahrhundert. Und allein dieser Umstand macht diesen starbesetzten Ritt in den Wilden Westen trotz einiger Schwächen und Längen zu einem sehenswerten Alterswerk.
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    03.10.2022
    21:26 Uhr