2 Einträge
2 Bewertungen
70% Bewertung
  • Bewertung

    Zwischen Mode- und Geisterwelt.

    Christian Petzold hat Nina Hoss. Lars von Trier Charlotte Gainsbourg. Und Olivier Assayas? Der reiht sich gemeinsam mit Kristen Stewart in die Liste an beliebten Hauptdarsteller/Regisseur-Kollaborationen ein. Nach dem erfolgreichen gemeinsamen Debüt „Die Wolken von Sils Maria“, aufgrund dessen Stewart als erste Amerikanerin den César für die beste Nebenrolle erhielt, feierte „Personal Shopper“ 2016 in Cannes Premiere - und brachte Assayas prompt den Regiepreis ein.

    Stewart spielt darin Maureen, die als Einkäuferin für das Model Kyra (Gastauftritt der Österreicherin Nora von Waldstätten) tätig ist. Nach dem Tod ihres Zwillingsbruders Lewis - er starb an einer Herzerkrankung, von der auch sie betroffen ist - kam sie nach Paris, dessen letzten Aufenthaltsort aufsuchend. Die Geschwister, beides Medien für übernatürliche Kräfte, hatten nämlich eine Abmachung: Derjenige, der als erstes stirbt, gibt dem anderen ein Zeichen. Quasi aus dem Totenreich.

    Als Maureen das verlassene Haus des Verstorbenen aufsucht, um dort besagtes Zeichen zu empfangen, kommt es zur ersten Geistererscheinung des Films. Während der Aufbau der Szene zwar vielversprechend beginnt - Assayas gelingt eine Verflechtung zwischen spannungssteigernden Bildern und langsam-düsteren Einstellungen - wirkt die Erscheinung an sich etwas gezwungen. Die grafische Aufbereitung fast schon lächerlich.

    Ähnlich verhält es sich bei anderen übernatürlichen Gegebenheiten: Die Umsetzung davon scheint aufgrund anderer Stärken des Films nicht völlig absurd, wirkt allerdings auch nicht wirklich ausgereift. Dies korreliert mit dem allgemeinen Eindruck, als Zuseher auf massenhaft ungenutztes Potential gestoßen zu sein. „Personal Shopper“ hat zwar seine Vorzüge, letztendlich gelingt es dem Regisseur allerdings nicht, eine in sich runde Arbeit abzuliefern. Etwas fehlt.

    Positiv fallen die Verweise auf das digitale Zeitalter auf, auch wenn diese nicht unbedingt eindeutig als reine Reflexion oder doch eher als Kritik an der heutigen Zeit zu verstehen sind: Recherchen werden vorrangig über MacBook oder Smartphone betrieben, Informationen über YouTube-Videos eingeholt. So stößt Maureen auch auf ein Video über die Werke Hilma af Klints, einer prä-modernen Künstlerin, die mit ihren Bildern spirituelle Schwingungen einzufangen und darzustellen versuchte - ein Verweis auf Maureens eigene Fähigkeiten als Medium.

    Nach einiger Zeit bekommt Maureen anonyme Textnachrichten, wonach die mysteriöse Suche nach dem Absender beginnt. Ist es ein Fremder, der zufällig in den Besitz von Maureens Telefonnummer gekommen ist? Ist es jemand aus ihrem persönlichen Umfeld? Oder ist es gar der tote Bruder, der über den digitalen Weg versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen? Die Szenen im Zug, in denen Maureen von den Nachrichten regelrecht bombardiert wird, gehören jedenfalls zu den Highlights des Films: sie sind beängstigend und spannungssteigernd zugleich.

    Nachdem sich ein Mord ereignet, kommt neben der Suche nach Zeichen aus dem Totenreich auch die Suche nach einem Täter hinzu. Und das fügt sich in das allgemeine Bild von „Personal Shopper“ ein: Assayas versuchte, viel zu viele verschiedene Genres, Handlungsstränge und Subplots im selben Film zu vereinen. So ist es Geistergeschichte (inkl. schlecht gemachter grafischer Darstellung des Übernatürlichen), Verlustdrama und Whodunit-Story in einem. Hinzu kommen die stylischen Eindrücke aus der Modewelt der Hautevolee. Als Zuschauer ist man zu Beginn des Abspanns jedenfalls nicht zufrieden gestellt. Der Film beinhaltet zwar einige gute Ansätze, weshalb Assayas auch verdient mit dem Regiepreis bedacht wurde, allerdings hapert es, wenn man den Gesamteindruck betrachtet. Letztendlich weiß man auch gar nicht, ob sich Maureen die ganzen Vorkomnisse nur eingebildet hat - als Abwehrmechanismus, um mit dem Tod des Bruders klarzukommen. Oder ob es sich, jedenfalls innerhalb der filmischen Wirklichkeit, um reale Begebenheiten handelte. Gegen verwirrende Handlungsstränge sei ja im Allgemeinen nichts einzuwenden, jedoch scheinen diese in „Personal Shopper“ Überhand zu nehmen. Und stellen somit alles andere in den Hintergrund.
    blob-0-1000-0-1000-crop_b119e26de3.jpg
    01.10.2018
    00:33 Uhr
  • Bewertung

    Identitäten und andere Geister

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Olivier Assayas greift in Personal Shopper ähnliche Themen und Motive wie in seinem letzten Film „Sils Maria“ auf. Diesmal wagt er allerdings ein Spiel mit dem Genrekino und bewegt sich zwischen Geisterfilm, Drama und Psycho-Thriller.

    Maureen (Kristen Stewart) beschäftigt sich zwischen ihren Shopping Touren durch Paris für ihre abwesende Auftraggeberin Kyra (Nora von Waldstätten) hauptsächlich mit ihrem Smartphone und starrt auf ihr Display. Wie in Sils Maria arbeitet Kristen Stewart für einen Star und durchlebt eine Identitätskrise. Dabei wartet sie auf, und fürchtet sich zugleich vor weiteren Nachrichten von ihrem „Geist“. Dabei liefert die Protagonistin eine großartige Single-Show. Sie überzeugt als die Trauernde, die mit ihrem Zwillingsbruder ein Stück Identität verloren hat und dieses nun sucht. Gleichzeitig wirft der Film Fragen nach der Vergänglichkeit auf. Stewart scheint mit der Kamera verstecken zu spielen, meidet direkte Blicke vollkommen. Und steigert sich und das Publikum in eine leichte Hysterie hinein.

    Maureen wirkt distanziert und leer, was auch daran liegt, dass sie kaum Beziehungen hat, als zu ihrem Smartphone und ihrem Freund – allerdings findet hier der Kontakt auch nur über den Laptop statt. Und wirkt selbst etwas geisterhaft.

    Der Film schwankt zwischen Geisterfilm und Drama mit Hang zum Übersinnlichen. Ab und an ist nicht ganz klar, mit wieviel „Augenzwinkern“ Assayas bei diesem Spiel dabei ist. Es macht beinahe den Eindruck, dass der Regisseur es auf extreme Reaktionen anlegt, wenn er Geister im Film zeigt, die aussehen wie Staubwolken und an Animationen aus Jugendfilmen erinnern (denn richtig Ernst kann er das nicht meinen).

    Für den richtigen Thrill war die Handlung leider dann doch meist zu vorhersehbar, für ein Drama, dass sich mit dem Ende des Lebens, Verlust und Identität beschäftigt nicht tiefgehend genug. Vor lauter Genrespiel gelingt es, meiner Meinung nach, Assayas nicht ganz, das Publikum mit beiden Genres auch tatsächlich abzuholen.
    gloriaswenson_223ce4c589.jpg
    05.11.2016
    13:00 Uhr