Letters from Iwo Jima

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Forumseintrag zu „Letters from Iwo Jima“ von Harry.Potter


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Harry.Potter (11.02.2007 23:14) Bewertung
Der selbe Felsen, von der anderen Seite betrachtet

Wie schon in “Flags Of Our Fathers” geht es in Clint Eastwoods neuestem Film um die gleiche Schlacht im Zweiten Weltkrieg rund um die kleine Insel im Pazifik. Amerikaner und Japaner kämpfen um den kleinen Felsen mitten im Meer, der eher eine symbolische als eine strategische Bedeutung hat. In einem ungewöhnlichen Ansatz nähert sich Clint Eastwood dem Thema von beiden Seiten des Schlachtfeldes, nicht nur in der für ihn als Amerikaner vorhersehbaren US-Perspektive, sondern auch aus der Sicht der Japaner. Damit nicht genug, hat er seinen Film auch gleich auf Japanisch gedreht, eine besondere Herausforderung an ihn als Regisseur, aber auch an das internationale Publikum, das den Film in einer lediglich untertitelten Fassung präsentiert bekommt.

Und wenn es auch auf den ersten Blick ein zweiter Film über das gleiche Thema ist, so werden die Unterschiede zwischen den beiden Filmen sehr schnell klar: “Flags” erzählt die Geschichte der Amerikaner in Rückblenden and die traumatisierenden Erlebnisse am Schlachtfeld, “Iwo” bleibt von Anfang an auf der Insel und erzählt die Chronologie einer für die Japaner militärstrategisch wohl von Anfang an aussichtslosen Schlacht. In nur wenigen Rückblenden, wenn sich die Figuren an einzelne Momente ihres Lebens zurück erinnern, wechselt der Schauplatz nachhause, zu ihren Familien oder sogar nach Amerika, wenn General Kuribayashi an seine Zeit in den USA zurück denkt, wo er unter den Amerikanern viele Freunde gewonnen hatte und fasziniert die vielen Autos bewunderte, die dort auf den Straßen unterwegs waren. Vom Konzept her stehen sich die beiden Filme also in ihrer Blickrichtung zugewandt gegenüber, sie blicken einander quasi über die Schulter. Wie in “Flags” ist der Aufbau des Drehbuchs aber dennoch ähnlich: ziemlich bald sind die Identifikationsfiguren präsentiert, die Guten, wie die weniger Guten. Und das Publikum wird in die Kampfeshandlungen hinein geworfen, wie ein Soldat, der soeben aus dem Landeboot gesprungen oder aus seinem Versteck hinaus gerobbt ist. Bald wird jedoch die Ausweglosigkeit der Lage immer deutlicher und einige der Offiziere entscheiden sich aus Überzeugung für einen Tod in Ehre für den Kaiser durch Selbstmord als für das unehrenhafte Dasein eines Gefangenen. Dieses Thema der Ehre und des Bereitseins, für sie zu sterben und sich selbst in die Luft zu sprengen, prägt den Film und schafft eine der Hauptvergleichsflächen zu den Amerikanern. Gerade aber dieser Vergleich mit den US-Militärs lässt insgesamt den Eindruck erwecken, als wären die Amerikaner die menschlichereren Soldaten und der japanische General wäre deshalb der vernünftigerere Offizier, weil er lange Zeit in den USA als Diplomat verbracht und diese Zeit dort auf seine Art des Denkens einen positiven Einfluss ausgeübt hätte. In einer Szene in der Mitte des Filmes versucht Eastwood diesen Eindruck zwar zu relativieren, als zwei US-Soldaten zwei Deserteure, die Ihnen zur Bewachung übergeben wurden, kurzerhand erschießen, weil sie keine Lust haben, auf die beiden aufzupassen, eine wirklich überzeugend neutrale Haltung einzunehmen gelingt ihm aber doch nicht ganz. “Iwo” bleibt ein Film eines Amerikaners über die japanische Sicht des Krieges, auch wenn er sich noch so bemüht, neutral zu bleiben. Das kann man dem Film zum Vorwurf machen, oder auch nicht. Der etwas unausgewogene Beigeschmack, hinter der japanischen Auffassung von Ehre und Treue bis in den Tod liege nur eine fanatische Einstellung, lässt sich aber nicht ganz von der Hand weisen.

Handwerklich bietet der Film wie auch schon “Flags” oder “Million Dollar Baby” routinierte Arbeit, an der es nichts auszusetzen gibt. Auch hier hat sich Eastwood für die Farbreduktion entschieden, was für ihn, wie er mir bei der Pressekonferenz auf meine Frage hin erklärt, damit zu tun hat, dass er sich einen Film über den Zweiten Weltkrieg in Technicolor einfach nicht vorstellen könne. Außerdem wollte er bei “Flags” einen optischen Unterschied zwischen den Szenen im Krieg und dem Leben zurück in der Heimat darstellen und dieses Verfahren wurde auch hier, wenn auch im Detail mit anderen Mitteln, eingesetzt, weil er die Farbtöne der Insel auch im Film besonders betonen und die Kontraste zwischen Schwarz und Weiß hervor heben wollte.

Zusammen gefasst hinterlässt “Letters From Iwo Jima” einen nachdenklichen, zwischendurch sehr bewegenden, aber niemals kitschigen oder theatralischen und dabei stets sehr überzeugend gespielten Eindruck. Er zeigt die Japaner als das, was sie mit den Amerikanern auf der anderen Seite der Front gemeinsam haben: als Menschen, die den Wunsch haben, wieder heil nachhause zu kommen. Und bei aller Rücksicht auf die ideologischen Unterschiede zwischen diesen beiden Kulturen schlägt er sich bei aller Mühe um Neutralität letzten Endes doch auf die Seite der Amerikaner. Eastwood hat auf jeden Fall sehr gute Arbeit geleistet und einen sehr hochwertigen Film gedreht, seine bisher beste Arbeit bleibt aber trotzdem “Million Dollar Baby”, wenn nicht gar “Mystic River”.

Es bleibt zu hoffen, dass er doch noch weiter macht am Regiesessel, es gibt noch vieles, bei dem er, wie er heute gesagt hat, etwas dazu lernen kann. Und so lange er das bei einem Film kann, hört er noch nicht auf. Go on, Clint!
 
 

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